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Suizidassistenz: Gesetzliche Regelung und medizinische Leitlinien erforderlich

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Assistierter Suizid: Welche Rolle sollen Ärztinnen und Ärzte dabei spielen? Darüber diskutierten Experten beim Kammersymposium Update Ethik am 29. Januar. © Pitchayanan Kongkaew / istockphoto.com

Düsseldorf, 30.1.2025. Etwa 1.000 Menschen haben sich im vergangenen Jahr in Deutschland mithilfe einer Sterbehilfeorganisation das Leben genommen. Die Vereine können seit 2020 hierzulande wieder legal tätig sein. Damals kippte das Bundesverfassungsgericht das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, das unter anderem auf die Sterbehilfe-Vereine zielte, und bekräftigte das Recht eines jeden auf ein selbstbestimmtes Sterben. Das schließt nach Auffassung der Karlsruher Richter die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und dabei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen – und zwar unabhängig von Alter oder Krankheit. Einzige Voraussetzung: Die Entscheidung, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, muss freiverantwortlich getroffen werden.

Doch wer definiert nach welchen Kriterien, ob ein Suizidwunsch freiverantwortlich zustande gekommen ist? Und welche Rolle sollten Ärztinnen und Ärzte dabei übernehmen? Darüber diskutierten gestern Nachmittag (29.1.) Expertinnen und Experten aus psychiatrischer, ethischer, juristischer und politischer Perspektive in einem Online-Symposium der Ärztekammer Nordrhein. Es fand im Rahmen der Reihe "Update Ethik" unter dem Titel "Freiverantwortlichkeit" statt.

Es gebe gute Gründe, Ärztinnen und Ärzte in die Suizidassistenz einzubeziehen, erklärte der Medizinethiker Professor Dr. Dominik Groß (Aachen). Sie verfügten zum Beispiel über die fachliche Expertise, die freie Willensbildung zu beurteilen oder über Alternativen zum Suizid wie die Möglichkeiten der palliativen oder psychotherapeutischen Versorgung zu informieren oder auch Medikamente zur Ausübung des Suizids zu verordnen. Das könne außerhalb des Medizinsystems kaum geleistet werden. Groß plädierte zugleich für eine gesetzliche Regelung, die es Menschen ermöglicht, den eigenen Suizidwunsch umzusetzen, und die zugleich Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte schafft. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gehe es nicht mehr darum zu entscheiden, ob der Staat Suizidhilfe erlauben solle, sondern darum, dass den Betroffenen bestmöglich geholfen werden könne, sagte Groß.

Ebenfalls für eine gesetzliche Regelung zum Verfahren der Suizidassistenz, aber gegen "das Abhaken von Checklisten", sprach sich der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Professor Dr. iur. Helmut Frister (Düsseldorf) aus. Unter anderem sollten nach Ansicht des Juristen die Abgabemodalitäten todbringender Medikamente geregelt werden. Frister hob zugleich die Bedeutung medizinischer Leitlinien zum Umgang mit Suizidwünschen für Ärztinnen und Ärzte hervor. Denn ein Gesetz werde nie alle Einzelfragen beantworten oder Graubereiche auflösen können. Dazu seien Suizidwünsche viel zu individuell begründet und müssten ganzheitlich betrachtet werden. "Außerdem müssen wir die gesellschaftlichen Ursachen angehen, die zu Suizidgedanken führen", erklärte der Jurist. Dazu gehörten beispielsweise neben einem Ausbau der Palliativmedizin auch Strategien gegen Einsamkeit. "Wir müssen ein Angebot schaffen, damit Menschen das Leben dem Tod vorziehen", so Frister.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 hat der Deutsche Ärztetag das Verbot der ärztlichen Suizidhilfe aus der Berufsordnung gestrichen. Gleichwohl habe das Ärzteparlament betont, dass die Suizidassistenz keine ärztliche Aufgabe ist, erklärte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Sven Dreyer. Damit habe die Ärzteschaft insbesondere bekräftigt, dass niemand zur Beihilfe zur Selbsttötung verpflichtet werden dürfe.

Ein ausführlicher Bericht über das Kammersymposium findet sich in der März-Ausgabe des Rheinischen Ärzteblatts.

HK


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