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Praxis

Evaluation der Weiterbildung: Befugte im Fokus

16.08.2024 Seite 25
RAE Ausgabe 9/2024

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 9/2024

Seite 25

© Tina Ennen
Die gute Nachricht: An der diesjährigen Evaluation der Weiterbildung haben sich mit gut 1.200 Weiterzubildenden 20 Prozent mehr beteiligt als 2023. Die weniger gute Nachricht: Nur etwas mehr als die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung würden ihre Weiterbildungsstätte weiterempfehlen. Die Ärztekammer Nordrhein will hier unter anderem mit Train-the-Trainer-Seminaren für Verbesserungen sorgen.

von Vassiliki Temme

Eine qualitativ hochwertige Weiterbildung ist das Fundament für eine gute Patientenversorgung. Um zu erfahren, wie es vor Ort tatsächlich um die Vermittlung fach­ärztlicher Kompetenzen steht, befragt die Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) regelmäßig und anonym Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung über ihre Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen. Wie bereits im vergangenen Jahr wurde die aktuelle Umfrage vom Institut für ärzt­liche Qualität in Schleswig-Holstein ausgewertet, das auch die parallel durch­geführten Befragungen der Weiterzu­bildenden in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen aufbereitet hat. Die Ärztekammer Nordrhein hat im Frühjahr per E-Mail 11.450 Ärztinnen und Ärzte an­geschrieben, die 45 Jahre und jünger waren und noch keine Facharztbe­zeichnung führen. 1.232 von ihnen nahmen an der Evaluation teil. Die Teilnehmerzahl lasse zwar noch zu wünschen übrig, liege aber immerhin 20 Prozent höher als im vergangenen Jahr, heißt es aus der Weiterbildungsabteilung der ÄkNo. 

Die wichtigsten Ergebnisse: 

  • Nur etwas mehr als die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung würden ihre Weiterbildungsstätte weiterempfehlen (54 Prozent).
  • Weiterbilder und Weiterzubildende führen zu wenige Weiterbildungsge­spräche und dokumentieren den Stand der Weiterbildung zu selten. Nur 51,3 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung haben bisher mindestens einmal pro Jahr ein Weiterbildungs­gespräch geführt, und lediglich 51,14 Prozent dokumentieren ihre geleisteten Weiterbildungsinhalte kontinuierlich in ihrem Logbuch.
  • Das für die Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis erforderliche Weiterbildungsprogramm wird häufig nicht ausgehändigt (72 Prozent) oder ist in der gelebten Praxis nicht Grundlange der Weiterbildung (34 Prozent).
  • Rechtliche Grundlagen der Weiterbildung, wie beispielsweise die Inhalte der Weiterbildungs- und Berufsordnung sowie Regelungen aus dem Sozialrecht, werden größtenteils nicht vermittelt (56 Prozent).
  • Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung vermissen die strukturierte Vermittlung kommunikativer und psychosoma­tischer Kompetenzen zum Beispiel durch verpflichtende Kursangebote (52 Prozent).

„Aktuell können wir nur Trends abrufen“, ordnete Professor Dr. Hansjörg Heep, Vorsitz­ender des Ständigen Ausschusses „Ärztliche Weiterbildung“ der ÄkNo, die jüngsten Umfrageergebnisse ein. Im Jahr 2020 sei in Nordrhein eine grundlegend reformierte Weiterbildungsordnung (WBO) in Kraft getreten und für viele Weiterzubildende würden noch Übergangsfristen und die Inhalte der alten WBO gelten. „Ich bin mir sicher, dass wir in den kommenden Jahren, wenn diese Fristen im Juni 2027 abgelaufen sind, immer bessere Umfrage-Ergebnisse und eine höhere Beteiligung erzielen können“, sagte Heep gegenüber dem Rheinischen Ärzteblatt. 

Mit 64 Prozent beteiligten sich in diesem Jahr mehr Ärztinnen als Ärzte an der Evaluation. 15 Prozent absolvierten eine Weiterbildung in Allgemeinmedizin, 13 Prozent in Innerer Medizin, elf Prozent in Anästhesie und die übrigen 61 Prozent verteilten sich auf 49 weitere Facharztbezeichnungen. 76 Prozent der Befragten leisteten ihre Weiterbildung in Vollzeit. In Freitextfeldern klagten viele über zu wenig Personal und eine zu hohe Arbeitsbelastung in ihren Weiterbildungsstätten. Damit fehle oft die Zeit für die Weiterbildung. Eine bessere Lehre, mehr Feedback und mehr Wertschätzung standen ganz oben auf der Wunschliste der Weiterzubildenden, ebenso eine geregeltere Rotation durch die in der Weiterbildungsordnung vorgeschriebenen Bereiche. 

Um hier Abhilfe zu schaffen, will die Ärztekammer Nordrhein zunächst einmal die Weiterbildungsbefugten in den Fokus nehmen. Weiterbilder, die erstmals den Antrag auf eine Weiterbildungsbefugnis gestellt haben, sind schon jetzt verpflichtet, entweder in Präsenz oder Online den Workshop „Verantwortung als Weiterbilder“ zu absolvieren, der sämtliche Informationen über Rechte und Pflichten vermittelt. Auch Weiterbilder, die eine Verlängerung oder Ergänzung ihrer bestehenden Weiterbildungsbefugnis beantragen, müssen an diesem Kurs teilnehmen. „Wir berichten in diesen Veranstaltungen jeweils auch darüber, dass die Kammer regelmäßig die Weiterbildung evaluiert. Wir wollen damit das Bewusstsein der Befugten für eine qualitativ gute Weiterbildung schärfen“, erklärte Heep. 

Perspektivisch soll die Kursfortbildung „Verantwortung als Weiterbilder“ durch Train-the-Trainer-Seminare ergänzt werden, in denen die Weiterbilder auch ihre didaktischen und kommunikativen Kompetenzen weiterentwickeln können. Der 128. Deutsche Ärztetag hatte im Mai in Mainz die Landesärztekammern aufgefordert, alle Weiterbildungsbefugten zur Teilnahme an einem Seminar zur „formalen und medizindidaktischen Fortbildung“ zu verpflichten. Die Qualifizierung solle die Weiterbildungsbefugten in ihrer Tätigkeit unterstützen und unter anderem die Qualität von Supervisionen, Feedback und der verpflichtenden Weiterbildungsgespräche zum Stand des Kompetenzerwerbs und zur weiteren Planung der Weiterbildung steigern, heißt es in dem entsprechenden Beschluss. „Die Qualifizierung in den Train-the-Trainer-Seminaren kann stufenweise erfolgen, beginnend mit der Qualifizierung aller neu Befugten“, erläuterte Heep das Konzept. „An der Umsetzung arbeiten wir zurzeit und hoffen dadurch auch auf positivere Ergebnisse bei der Evaluation in den kommenden Jahren.“