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Begrüßungsveranstaltung für neue Kammermitglieder 2011


Zum dritte Mal begrüßte die Ärztekammer Nordrhein am Samstag, 26.2.2011 neue Kammermitglieder in einem festlichen Rahmen im Haus der Ärzteschaft. Unter den neuen Kammermitgliedern war dieses Mal auch Professor Dr. Karl Lauterbach, der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.


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Die Ärztekammern sind in der Geschichte des Arztberufes fest verwurzelt, wie der  Präsident der Ärztekammer Nordrhein und der Bundesärztekammer, Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, in seinem Vortrag deutlich machte. Bereits im frühen 13. Jahrhundert, im Jahre 1231 nämlich, legte der Hohenstaufenkaiser Friedrich II., der in Palermo lebte, in seinem Medizinaledikt die Trennung der Pharmazie und des Arztberufes fest. Schon damals war im Anschluss an eine sechsjährige Ausbildung, vergleichbar dem heutigen Medizinstudium, die Zusammenarbeit mit erfahrenen Ärztinnen und Ärzten vorgesehen –  nach heutiger Lesart eine Weiterbildung. Das Weiterbildungswesen ist eine Kernaufgabe der Ärztekammern. Hoppe sieht in dem Medizinaledikt von 1231 den Beginn einer geordneten Aus- und Weiterbildung im Arztberuf.

Lesegesellschaften als „Qualitätszirkel“

Beim Streifzug durch die Geschichte der ärztlichen Organisationen und ärztlichen Ordnungen in den nachfolgenden Jahrhunderten finden sich weitere Parallelen zu den heutigen Verhältnissen. Zum Beispiel lassen sich die „Lesegesellschaften“ des 18. und 19. Jahrhunderts mit den Qualitätszirkeln von heute vergleichen. Mit der Medizinalreform von 1868 wurde das Philosophicum durch das Physikum abgelöst. Damit rückte die Medizin den Naturwissenschaften näher und gab ihren Platz unter den Geisteswissenschaften auf. „Manchmal bedauert man das“, sagte Hoppe, „vielleicht wäre heutzutage ein Philosophicum für die ärztliche Berufsausübung wieder wichtig.“

Hoppe machte deutlich, dass die Ärztekammern heute - aufgrund ihrer historisch gewachsenen Stellung in Staat und Gesellschaft - im öffentlichen Interesse arbeiten und gleichzeitig die beruflichen Belange der Ärztinnen und Ärzte gegenüber Politik und Gesellschaft wahren. Dem entspricht das Aufgabenspektrum von der ärztlichen Weiterbildung und Fortbildung über die Schlichtungsfunktionen bis hin zur Berufsaufsicht, der Einrichtung eines ärztlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgungswerkes, der fachlichen Beratung der Politik und der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Die Pflichtmitgliedschaft der Ärztinnen und Ärzte in der Kammer steht nach Hoppes Worten in engem Zusammenhang damit, dass sonst die Wahrnehmung öffentlicher Interessen kaum möglich wäre. Der Präsident erläuterte den neuen Mitgliedern auch die demokratische Verfassung der Ärztekammer, die es möglich macht, dass auch junge Ärztinnen und Ärzte ihre Anliegen aktiv in die Gremien der Selbstverwaltung einbringen können.

Falsche Eingriffe abwehren

Wie viel müssen Ärztinnen und Ärzte heute von Ökonomie verstehen? Wenigstens so viel, dass sie wirtschaftlich motivierte, aus ärztlicher Sicht aber falsche Eingriffe in die Medizin abwehren können, glaubt Professor Dr. Christian Thielscher. Der Arzt und Volkswirt von der FOM Hochschule für Ökonomie & Management (Essen) hält es für Zeitverschwendung, dass viele junge Ärztinnen und Ärzte heute nebenher Ökonomie studieren. In seinem Festvortrag in Düsseldorf machte Thielscher deutlich, dass ökonomisches Grundwissen, vermittelt während des Medizinstudiums, aus seiner Sicht für einen Großteil der Mediziner genügt: „Eine Semesterwochenstunde würde schon reichen.“ Alternativ hält er ein zweiwöchiges Ökonomie-Blockpraktikum in der Mitte des Praktischen Jahres für „hilfreich und völlig ausreichend“.

Auch wenn die Gesundheitsökonomie sich in den vergangenen Jahren stark verbreitet hat und als erfolgreich gilt, versah Thielscher bereits die Namensgebung mit kritischen Anmerkungen: Er spreche lieber von „Medizinökonomie“. Schließlich sei die ärztliche Behandlung von Patienten Gegenstand der Disziplin und nicht etwa die Untersuchung von Einrichtungen des Gesundheitswesens. Der Essener Medizinökonom vermutet hinter dem gängigen Begriff Gesundheitsökonomie entweder eine „uninspirierte Übersetzung des amerikanischen Ausdrucks ‚health economics‘ “ oder gar eine „bewusste Abwendung von der Medizin und ihren Trägern“ wie Ärzten und Pflegekräften: „Manchmal wird man das Gefühl nicht los, als ob in der Gesundheitsökonomie, die überwiegend von Ökonomen betrieben wird, die Arzt-Patienten-Beziehung nicht im Vordergrund steht und der Arzt zu einer Art Gesundheitsinstallateur werden soll.“
Nützlich kann die Medizinökonomie nach Thielschers Meinung sein, wenn sie die Aufmerksamkeit beispielsweise auf organisatorische und kommunikative Mängel in einer Krankenhausambulanz lenkt, über die zuvor niemand nachgedacht hat. Müssen alle Patienten in einer Ambulanz morgens um acht Uhr einbestellt werden, wenn die Assistenten die Voruntersuchungen bis 10 Uhr abgeschlossen haben und der erste Oberarzt erst um 14 Uhr in der Ambulanz auftaucht? „Wenn man gegen 14 Uhr kam, schlug einem immer eine Woge von Feindseligkeit entgegen, und ich fragte mich, ob das so sein muss“, berichtete Thielscher über seine persönlichen Erfahrungen in einer augenärztlichen Universitätsklinik.

Sollen Laien die Medizin steuern?

In der Klinik gab es auch ein Mikroskop im Keller. Es sei zu Aus- und Weiterbildungszwecken geeignet gewesen, aber nicht benutzt worden, so Thielscher: „Und so hat man als Assistent eine Zeit lang bei OPs zugeguckt und dann – mehr zufällig – an einem Auge die OP komplett durchgeführt. Es wäre besser gewesen, zunächst an Kuhaugen zu üben und dann geplant zu lernen, also zum Beispiel bei den ersten fünf OPs nur die Bindehaut aufzumachen, dann fünfmal die Muskeln anzuschlingen, dann fünfmal die Hornhaut zu eröffnen und so weiter. Ich denke, die Ergebnisse wären besser gewesen.“

Verbesserungspotenziale solcher Art wurden laut Thielscher seinerzeit an der Uniklinik nicht als Thema erkannt: „Wir hatten als Ärzte eine Art kollektiven Neglect. Und das ist der eigentliche Grund dafür, warum die Gesundheitsökonomie so erfolgreich war: die Ökonomen verstehen zwar nichts von Medizin, aber sehen wenigstens die Probleme im Prozess. Und so waren die einäugigen Ökonomen unter den blinden Medizinern die Könige.“

Aktuelle Lehrbücher der Medizin vermitteln nach den Worten Thielschers noch immer den Eindruck, dass Medizin „im luftleeren Raum“ stattfindet, die „realen Organisationen“ blieben ausgeblendet. Thielscher sprach sich dafür aus, dass Ärztinnen und Ärzte „die Augenbinde abnehmen“, sich kommunikativer und organisatorischer Fragen selbst annehmen und sie nicht Ökonomen und IT-Spezialisten überlassen: „Es wäre viel besser, wenn wir die Prozesse steuern würden. Oder möchten Sie sich von medizinischen Laien vorschreiben lassen, wie Sie Medizin zu betreiben haben?“


Prominentes Neumitglied

Mit „gemischten Gefühlen“, so bekannte das prominente Neumitglied der Ärztekammer Nordrhein, nehme er an der Begrüßungsveranstaltung teil. Denn: „Ich bin der älteste Jungarzt in dieser Runde.“ Während die allermeisten Teilnehmer kurz nach Studienabschluss approbierte Ärzte und Kammermitglieder wurden, hat das bei Dr. Karl Wilhelm Lauterbach über 20 Jahre gedauert. Erst im August 2010 wurde der nach eigenen Worten „begeisterte Mediziner“ zum approbierten Arzt, wenige Tage vor der Veranstaltung im Haus der Ärzteschaft vollendete er das 48. Lebensjahr. Denn: Nach seiner Ausbildung in Aachen, San Antonio (Texas) und Düsseldorf führte der Weg Lauterbachs, der heute als gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion bekannt ist, in die Wirtschaftswissenschaften. An der Harvard School of Public Health in Boston studierte er Epidemiologie und Gesundheitsökonomie. Der heutige Sozialdemokrat war Anfang der neunziger Jahre Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung und hatte eine Fellowship an der Harvard Medical School inne. 1998 wurde Karl Lauterbach Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie an der Universität zu Köln. In den Jahren  2005 und 2009 errang er im Wahlkreis Leverkusen/Köln-Mülheim das Direktmandat für den Deutschen Bundestag. Als Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen ab 1999, als Mitglied der sogenannten Rürup-Kommission und als Berater der langjährigen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt war Lauterbach bereits vor seiner Wahl in den Bundestag politisch einflussreich. Mit der Ärzteschaft lag er im vergangenen Jahrzehnt häufig über Kreuz. Erst jüngst hat Lauterbachs SPD-Fraktion mit einem Gesetzentwurf scharfen Protest von Ärztinnen und Ärzten ausgelöst. Danach müssten Praxisärzte, die Kassenpatienten allzu lange auf einen Termin warten lassen, im äußersten Fall mit bis zu 25.000 Euro Geldbuße und zwei Jahren Zulassungsentzug rechnen. Von solchen gesundheitspolitischen Gefechten dürften die meisten der frisch approbierten Ärztinnen und Ärzte, die zur Begrüßung in die Ärztekammer kamen, bisher noch unbelastet sein. So wird es ihnen nicht schwerfallen, den Kommentar des ältesten anwesenden Jungarztes zu seiner Aufnahme in den Kollegenkreis ernst zu nehmen: „Es ist für mich eine Ehre, es bedeutet mir etwas.“

     uma


Ein Höhepunkt der Begrüßungsveranstaltung war das Ärztliche Gelöbnis, das die jungen Ärztinnen und Ärzte ablegten. Anschließend konnten sie mit ihren Unterschriften bekräftigen, dass sie sich auf die Grundwerte ihres Berufes verpflichten.

Gelöbnis

Für jede Ärztin und jeden Arzt gilt folgendes Gelöbnis:

„Bei meiner Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand gelobe ich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.

Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben.

Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit meiner Patientinnen und Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein.

Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod meiner Patientinnen und Patienten hinaus wahren.

Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung des ärztlichen Berufes aufrechterhalten und bei der Ausübung meiner ärztlichen Pflichten keinen Unterschied machen weder nach Geschlecht, Religion, Nationalität, Rasse noch nach Parteizugehörigkeit oder sozialer Stellung.

Ich werde jedem Menschenleben von der Empfängnis an Ehrfurcht entgegenbringen und selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst nicht in Widerspruch zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden.

Ich werde allen, die mich den ärztlichen Beruf gelehrt haben sowie Kolleginnen und Kollegen die schuldige Achtung erweisen.

Dies alles verspreche ich auf meine Ehre.“

Aus der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte. Der Text leitet sich ab vom Hippokratischen Eid und dem 1949 vom Weltärztebund beschlossenen Genfer Gelöbnis.