Düsseldorf, 28.08.2024. Bei der mittlerweile elften Jörg-Dietrich-Hoppe-Vorlesung der Ärztekammer Nordrhein in Erinnerung an den 2011 verstorbenen langjährigen Bundesärztekammer-Präsidenten befasste sich der ehemalige Ministerpräsident des Saarlands und Bundesverfassungsrichter a. D. Peter Müller mit dem Thema „Zwischen Therapiefreiheit und Fremdbestimmung – Ärztliche Freiberuflichkeit in der Bewährung“.
Müller betonte, dass die Freien Berufen eine unverzichtbare Grundlage unserer Gesellschaft seien. Die ärztliche Freiberuflichkeit erscheint ihm unverzichtbar und alternativlos; sonst drohten Staatsmedizin oder Merkantilisierung der Medizin. Insbesondere der Gemeinwohlbezug freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit stellt für Müller den wesentlichen Unterschied zu einer gewerblichen Ausrichtung dar. „Dies ist nicht der geeignete Ort für marktradikale Ansätze“, betonte Müller. „Wenn etwa bei MVZ-Drittbeteiligungen Renditeerwartungen im Vordergrund stehen, widerspricht dies dem Gedanken der Freiberuflichkeit.“ Hier hält Müller gesetzliche Maßnahmen für notwendig, um diesem Trend entgegenzuwirken.
Grundsätzlich vertritt Müller allerdings den Standpunkt, dass der Staat nur in das soziale Geschehen eingreifen solle, wenn es zwingend notwendig erscheint. Auch ein Eingriff in die ärztliche Therapiefreiheit sei nur dann statthaft, wenn dieser ein anerkanntes Gemeinwohlinteresse entgegenstehe. Das Scheitern einer gesetzlichen Regelung zur Suizidbeihilfe oder aber auch die Verfassungsbeschwerde des Marburger Bundes gegen die Triage-Vorschriften im Infektionsschutzgesetz zeigten, dass sich bestimmte Arzt-Patienten-Interaktionen nicht durch ein abstraktes Gesetz regeln ließen.
Bei der Begrüßung des prominenten Gastredners wies der scheidende Präsident der Ärztekammer Nordrhein Rudolf Henke die zahlreich im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf erschienenen Zuhörer darauf hin, dass Jörg-Dietrich Hoppe stets mit großer Vehemenz für die ärztliche Freiberuflichkeit und die damit eng verbundene Therapiefreiheit und Patientenorientierung eingetreten sei. Auch wenn sich die aktuelle Wirklichkeit in Krankenhaus und Praxis bereits gefährlich weit von dem von Hoppe gezeichneten Ideal der ärztlichen Freiberuflichkeit entfernt habe, sei es die Aufgabe der Ärztekammer, sich für deren Erhalt stark zu machen.
Die diesjährige Jörg-Dietrich-Hoppe-Vorlesung war der Auftakt zu der Veranstaltungsreihe „Arztbild im Wandel“. Untersucht werden soll hierbei insbesondere, wie sich neuere Entwicklungen wie KI, Digitalisierung, Ökonomisierung, Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen, aber auch die vielfach geforderte Liberalisierung von Suizidassistenz und Reproduktionsmedizin auf das Selbstverständnis ärztlicher Berufsausübung auswirken und das Bild des Arztes in der Öffentlichkeit verändern werden.
tg