Düsseldorf, 19.12.2018. „Wenn wir weiterhin unsere bewährte und vielfältige ambulante Versorgungslandschaft aufrecht erhalten wollen, dann müssen wir im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) nachhaltige Regelungen zur Eindämmung von Konzernbildung in der ambulanten Versorgung festschreiben“, forderte Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein am 19. Dezember 2018 in Düsseldorf. Die Ausbreitung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in der Hand von kapitalgetriebenen Fremdinvestoren bedrohe zunehmend die ambulante, flächendeckende medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. „In manchen Regionen, besonders in Großstädten, Ballungsräumen und ländlichen, einkommensstarken Regionen, sind alle oder ein Großteil der Arztsitze einer ganzen Fachgruppe (Radiologie, Nuklearmedizin, Dialyse) in der Hand eines Konzerns“, sagte der Kammerpräsident.
Der Einstieg rein renditeorientierter Fremdinvestoren in die gesundheitliche Versorgung berge darüber hinaus die Gefahr, dass es zu einer Dominanz wirtschaftlicher Interessen gegenüber medizinischen Belangen kommen könnte. „Dies kann letztlich zu einem Verlust der ärztlichen Diagnose- und Therapiefreiheit führen – einem zentralen Merkmal der ärztlichen Berufsausübung“, sagte Henke. Auch warnte er davor, dass durch die sich abzeichnende Monopolbildung die Wahlfreiheit für Patientinnen und Patienten eingeschränkt werden oder sogar verloren gehen könne. Dadurch werde es für die Patienten zunehmend schwerer, im Umkreis ihres Wohnortes Zugang zu einer unabhängigen ärztlichen Zweitmeinung zu finden.
Der Kammerpräsident hob hervor, dass die nordrheinische Ärzteschaft die vom Bundesrat beschlossenen Regelungsvorschläge zur Eindämmung von Konzernstrukturen und Monopolisierung in der ambulanten Versorgung ausdrücklich begrüßt.
„Konzerne sollten nicht länger die Möglichkeit haben, die Gründungseigenschaft von Krankenhäusern zu missbrauchen, um MVZ ohne fachlichen und regionalen Bezug zu einem Krankenhaus zu gründen“, forderte Henke und führt weiter aus: „Konzerne dürfen nicht länger die Möglichkeit haben, MVZ mit einem auf wirtschaftlich attraktive Leistungen eingeengten Tätigkeitsspektrum zu betreiben.“
Unabdingbar sei darüber hinaus mehr Transparenz für die Patientinnen und Patienten. „Es muss für Patienten nachvollziehbar sein, wer sie behandelt und wer die Gesellschafter eines MVZ sind. Ich fände es gut, wenn auf dem Briefkopf eines MVZ oder einer Homepage auch steht, wem das MVZ gehört.“
Elektronische Patientenakte
Aus Sicht des Kammerpräsidenten ist die im TSVG formulierte Absicht, allen Krankenversicherten spätestens ab 2021 eine einrichtungs- und sektorenübergreifende elektronische Patientenakte (ePA) zur Verfügung zu stellen, richtig. „Damit Patienten gesundheitskompetente Entscheidungen treffen können, brauchen sie auch ihre gesundheitsbezogenen Daten. Weil diese Daten wichtige Entscheidungshilfen zum Umgang mit Erkrankungen liefern können, stellen sie ein sinnvolles Instrument dar, Eigenverantwortung und Selbstmanagement von Patienten zu stärken. Zur Patientenautonomie gehört für uns auch, dass die Nutzung der ePA freiwillig sein sollte und die Speicherung der Daten immer unter der vollen Hoheit der Patienten stehen muss,“ so Henke. Darüber hinaus müsse gewährleistet sein, dass vor allem ältere und nicht technikaffine Patienten bei der Nutzung und Pflege ihrer elektronischen Patientenakte Anspruch auf die Beratung durch einen Arzt haben.
Der Kammerpräsident hob hervor, dass Patienten auch das Recht haben sollten, sich die ePA von einem Anbieter ihres Vertrauens auszusuchen. Das müsse nicht zwangsläufig die Akte des eigenen Versicherers sein.
„Aber zur ePA gehören immer zwei: Patient und Arzt. Und deshalb sollten wir darauf hinwirken, dass die ePA auch in der medizinischen Versorgung wirksam werden kann. Dies wird aber nur gelingen, wenn wir es nicht nur gut meinen, sondern auch richtig machen“, mahnte Henke. Richtig machen bedeute, dass die Ablage der medizinisch relevanten Daten für Ärztinnen und Ärzte sinnvoll strukturiert und leicht durchsuchbar sein muss. Auch müsse für den Arzt immer ersichtlich sein, wer und wann etwas in die Akte eingestellt und/oder gelöscht habe. „Wir müssen deshalb unsere Patienten sensibilisieren, dass nur eine vollständige Akte eine optimierte Behandlung gewährleistet.“
Die nordrheinische Ärzteschaft halte es daher für dringend geboten, die Kompetenz der Ärztekammern und auf Bundesebene der Bundesärztekammer verantwortlich einzubinden, sodass sektorenübergreifend ärztliche Belange wirksam in Struktur, Inhalte und semantische Anforderungen der ePA einfließen könnten.
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