Düsseldorf, Münster, 28.9.2016. Die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe haben bei der öffentlichen Anhörung zur Novellierung des PsychKG NRW im Düsseldorfer Landtag Stellung genommen. Die Neugestaltung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG NRW) wird notwendig unter anderem aufgrund von grundsätzlichen Urteilen des Bundesgerichtshofes zur Behandlung und Betreuung von Menschen, die auf Grund psychischer Erkrankungen besonderer Hilfe und besonderen Schutzes bedürfen. Daneben sollen im PsychKG die Bezüge zu den Grundrechten und der UN-Behindertenrechtskonvention deutlicher werden.
Die Ärztekammern begrüßen in ihrer gemeinsamen Stellungnahme die grundsätzliche Stärkung der Patientenrechte und -autonomie. Konkret soll die Behandlung möglichst
- in offener Form erfolgen,
- den Patienten der tägliche Aufenthalt im Freien ermöglicht,
- die Erforderlichkeit der Unterbringung täglich überprüft,
- Zwangsmaßnahmen mit dem Patienten nachbesprochen werden und
- Zwangsmedikationen und eine längerdauernde Sicherungsmaßnahme sollen einer richterlichen Genehmigung bedürfen.
Die Ärztekammern in NRW unterstützen die Einrichtung eines Landespsychiatriebeirates und die Verpflichtung, einen Landespsychiatrieplan zu erstellen und fortzuschreiben sowie die Betonung von Hilfen für die betroffenen Patienten im Gesetzentwurf.
Kritik übten die Ärztekammern in ihrer Stellungnahme an einzelnen geplanten Änderungen des Gesetzes. Zum Beispiel weisen die Ärztekammern auf die Gefahr hin, dass durch die geplanten Verfahrensschritte psychisch Erkrankte mit bestimmten somatischen Erkrankungen in lebensbedrohliche Situationen gelangen, wenn die somatischen Erkrankungen nicht unverzüglich behandelt werden können. Dies würde eine Benachteiligung darstellen gegenüber Patienten mit derselben somatischen Erkrankung ohne psychische Erkrankung.
Auch in Bezug auf die Beobachtung von Patienten in besonderen Sicherungsmaßnahmen regen die Ärztekammern eine Änderung des Gesetzestextes an, damit neben der bevorzugten persönlichen Beobachtung etwa durch eine Sitzwache auch der Einsatz technischer Mittel nicht grundsätzlich ausgeschlossen wird. Audio- und Videoüberwachungen könnten in individuellen Fällen das angemessenere Beobachtungsmittel darstellen.
Ein weiterer Kritikpunkt der beiden Ärztekammern ist, dass durch die erweiterten Anforderungen an Dokumentation und Datenerhebung die Gefahr bestehe, dass Menschen in ihrem weiteren Leben diskriminiert werden könnten. Dieses Risiko bestehe für Personen, die fälschlicherweise auf einer entsprechenden Liste stehen, aber auch für Personen, die korrekt gelistet sind. An die Vertraulichkeit bei Erhebung und Übermittlung dieser Daten sowie an die Zugriffsbeschränkungen sind daher sehr hohe Anforderungen zu stellen, betonen die Ärztekammern in ihrer Stellungnahme.
Die Anhörung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung des PsychKG NRW fand Ende August 2016 vor dem Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtages Nordrhein-Westfalen statt.
Stellungnahme der Ärztekammern in NRW im Wortlaut (111,02 KB)
Gesetzentwurf der Landesregierung (Drucksache 16/12068)