Bericht zur Lage bei der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein am 22. November 2014 in Düsseldorf
Aktuelle Themen der Berufs- und Gesundheitspolitik
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir hatten bei der Konstituierenden Kammerversammlung die Ansätze einer berufspolitischen Diskussion, aber eigentlich liegt die letzte Kammerversammlung, auf der wir berufspolitisch diskutiert haben, etwas länger zurück. Das war nämlich im Frühjahr dieses Jahres. Bevor ich auf Fragen eingehe, die spezifisch die Ärzteschaft in Deutschland betreffen, möchte ich auf drei Dinge hinweisen, von denen zwei mehr oder weniger neu sind, während ein Thema uns anhaltend seit mehreren Jahren beschäftigt.
Ich meine zum einen die Ebolaepidemie. Es handelt sich um die größte Epidemie, die das Ebolavirus bisher in der Welt verursacht hat. Die Epidemie ist im März 2014 in Westafrika ausgebrochen. Es wurden, wie heute alle sehen, Eindämmungsmaßnahmen zu spät in die Wege geleitet. Es hat lange gedauert, bis alle so wach wurden, wie das am besten von Anfang an der Fall gewesen wäre. Auch die Weltgesundheitsorganisation wurde nicht von Versäumnissen verschont. Die Weltgesundheitsorganisation hat diese Epidemie für örtlich beherrschbar und eindämmbar gehalten. Sie hat bis zum Sommer dieses Jahres gebraucht, um den internationalen Charakter der Bedrohung zu erkennen.
Es gab durchaus Staaten mit nicht so übermäßig gut entwickelten Gesundheitssystemen - ich nenne beispielsweise den Senegal -, wo man durch eine konsequente Quarantänepolitik diese Infektionen tatsächlich schnell eingedämmt hat. In Sierra Leone, in Liberia und in Guinea war das nicht der Fall.
Sie alle kennen die weitere Entwicklung. Sie wissen, dass der Präsident der Bundesärztekammer in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bundesminister für Gesundheit und dem Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes im September Ärzte und andere Gesundheitsberufe zur Unterstützung im Kampf gegen die Ebolaepidemie in Westafrika aufgerufen hat.
Die Bundesärztekammer hat die Landesärztekammern und die Medizinisch-Wissenschaftlichen Fachgesellschaften gebeten, in ihren Zuständigkeitsbereichen einen entsprechenden Aufruf an freiwillige Helfer zu organisieren. Die ärztlichen Spitzenorganisationen haben sich am 16. Oktober auf einen gemeinsamen Aufruf geeinigt und ebenfalls für eine internationale Kraftanstrengung zur Eindämmung der Epidemie in Westafrika geworben.
Wir haben diesen Aufruf im Rheinischen Ärzteblatt veröffentlicht. Die Resonanz darauf war stark. Es gab beim Deutschen Roten Kreuz einige Tausend Anfragen. Am Ende gab es etwa 600 Bewerbungen. Etwas mehr als 200 Kandidaten waren grundsätzlich für den Einsatz geeignet. Darunter waren 40 bis 50 Prozent Ärztinnen und Ärzte.
Derzeit laufen die Schulungen und Vorbereitungen. Es ist eine enorme Aufgabe, unter den klimatischen Bedingungen dort in den benötigten Schutzanzügen Hilfe zu leisten. Ich habe mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Bekämpfung der Ebolaepidemie, Herrn Botschafter Lindner, gesprochen, der bereits mehrmals in die betroffenen Gebiete gereist ist. Als Europäer hält man es nicht länger als eine Stunde unter den dort herrschenden klimatischen Bedingungen in diesen Schutzanzügen aus. Danach bekommt man eine Art Klaustrophobie und will unbedingt aus dem Schutzanzug heraus. Jemand passt auf, dass man sich beim Ausziehen nicht infiziert.
Die Zahl der Interessenten, die sich beim Deutschen Roten Kreuz gemeldet haben, ist zwar groß, aber die Zahl derjenigen, die tatsächlich geschickt werden, ist relativ klein, weil man sehr sorgfältig entsprechend den medizinischen Kompetenzen, der Tropentauglichkeit und der sprachlichen Fähigkeiten auswählen muss. Niemand soll ja mehr als unbedingt notwendig einer Gefahr ausgesetzt werden. Wenn man sich anschaut, wie viele Leistungsträger aus dem Gesundheitswesen Guineas, Liberias und Sierra Leones inzwischen an der Ebolaepidemie gestorben sind, muss man sagen: Es ist keineswegs selbstverständlich, dass die Schutzbedingungen, die wir für unsere Hochinfektionsstationen für richtig halten und die für die Helfer aus Europa gelten, dem aus dem eigenen Land stammenden medizinischen Personal zuteil geworden sind.
Die Vorstellung, dass die Bundeswehr oder dass das Deutsche Rote Kreuz in diesen Ländern nach eigenen Regeln Lazarette aufbaut, ist falsch. Es gibt eine Organisation, die große Erfahrungen beim Aufbau von Hospitälern hat, nämlich „Ärzte ohne Grenzen“. Man baut die Hospitalzelte entsprechend den Empfehlungen von „Ärzte ohne Grenzen“ auf.
Man rechnet damit, dass im November die ersten Helfer aus Deutschland in diese Länder geschickt und dann in Kontakt mit Ebolainfizierten kommen werden.
Wir haben in dem eben erwähnten Aufruf auch die Forderung aufgestellt, dass es nicht nur Lohnausfallregelungen und Regelungen zur Rückkehr in den Beruf geben muss, sondern auch Regelungen, die für den schlimmsten denkbaren Fall die Versorgung der Familie sichern. Es ist klar, dass man nicht so kurzfristig auf eine Lebensversicherung setzen kann. Es muss eine Regelung geben, die beispielsweise mit derjenigen Regelung vergleichbar ist, die für Soldaten im Diensteinsatz gilt.
Wir hier in Deutschland sind natürlich auch nicht komplett vor einzelnen Infektionen geschützt. Aber ich glaube schon, dass stimmt, was vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin erklärt wird, nämlich dass wir für sporadische Infektionen, die hier auftreten könnten, gut gerüstet sind.
Die Situation in den betroffenen Ländern ist inzwischen so, dass keine Versorgung anderer Erkrankungen als der Ebolainfektion mehr erfolgt, weil sich keiner mehr traut, zur Behandlung zu kommen. Der Opferzoll ist inzwischen so hoch, dass es gar nicht mehr möglich ist, die Ernte einzubringen. In weiten Bereichen ist die Gastronomie zusammengebrochen. Man wird die Krankheit vor Ort bekämpfen müssen, denn es ist nicht möglich, alle Infizierten zu einer Behandlung zu transportieren. Ein Hochsicherheitstransport bei einem privaten Dienstleister, der zwei solcher Flugzeuge vorhält, verschlingt ungefähr 1 Million Euro. Wenn die Patienten hier versorgt werden, liegen die Behandlungskosten pro Patient bei ungefähr 1 bis 2 Millionen Euro.
Wir werden nachher einen Appell hören, ob wir nicht überlegen sollten, das Geld, das wir als Anerkennung für die Teilnahme an dieser Kammerversammlung bekommen, komplett oder in Teilen der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ zukommen zu lassen. Sie haben auf Ihren Plätzen die Nummer des Spendenkontos von „Ärzte ohne Grenzen“ liegen. Die entsprechenden Angaben sind auch in der Novemberausgabe des Rheinischen Ärzteblatts veröffentlicht worden.
Der zweite Punkt, den ich vorab erwähnen möchte, ist die Tatsache, dass in Syrien und im Irak Personen, die in der gesundheitlichen Versorgung tätig sind, attackiert und angegriffen werden.
Der dritte Punkt bezieht sich auf die Situation in der Ukraine. Dort sind beim Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs etliche Kollegen, die in den Niederlanden in der Aidsforschung und der Aidsbekämpfung tätig waren, zu Tode gekommen. Man sieht, in welcher Dimension sich die Gefährdung bewegt, unbewusst, völlig aus heiterem Himmel und aus seit langem bestehenden Konfliktlagen heraus. Ich finde, es ist oft ärztliches Schicksal, dass man aufgrund seiner Profession in eine solche Gefährdungssituation hineinkommt und dagegen eigentlich nur geschützt ist, wenn internationale Konventionen eingehalten werden, wenn maximale Schutzmöglichkeiten benutzt werden. Wir deutschen Ärzte sind uns selbstverständlich der Tatsache bewusst, dass alle Sorgen und Nöte, die wir selbst haben, keinem Vergleich mit jenen Sorgen und Nöten der Menschen standhalten, die sich in den Konfliktherden ihren Mitmenschen zuwenden. Wir gehören nun einmal zu einer Profession von Spezialisten, die auch in der Not bereitstehen. Ich finde, es ist ab und zu nötig, sich das im Konkreten vor Augen zu führen.
Aus der Ukraine hat uns der Hilferuf einer Essener Kollegin erreicht, die Kontakt zu einem Medizinstudenten hat, der auf dem Majdan durch die Explosion einer Granate eine Hand verloren hat. Er möchte gern Virologe werden. Es gibt inzwischen eine private Spendensammlung zur Finanzierung einer bionischen Prothese. Auch das ist ein Beispiel dafür, in welche Situationen man geraten kann, durch die ein unglaublicher Druck entsteht.
Aber wir sind hier nicht zusammengekommen, um über internationale Politik zu räsonieren, sondern wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass es unter den Bedingungen Deutschlands eine möglichst gute gesundheitliche Versorgung gibt. Wir sind Anwälte unserer Patientinnen und Patienten. Deren gute Versorgung steht für uns im Mittelpunkt unserer Arbeit. Deshalb ist es für uns wichtig, die Freiberuflichkeit zu stärken. Daher brauchen wir bei der Versorgung unserer Patienten Therapiefreiheit. Wir brauchen keine bürokratische Gängelung und wir brauchen auch keinen übermäßigen ökonomischen Druck. Therapiefreiheit ist nämlich kein ärztliches Privileg, sondern Therapiefreiheit bedeutet das Recht der Patienten auf ärztliche Kompetenz pur. Patientinnen und Patienten wollen den Ärztinnen und Ärzten und Vertreterinnen und Vertretern anderer Gesundheitsberufe in Reinkultur begegnen, nicht als gelenkte Akteure beispielsweise eines Versicherungssystems.
Im Koalitionsvertrag bekennen sich die Regierungsparteien der großen Koalition ausdrücklich zu dieser Zielsetzung. Ich darf auszugsweise zitieren:
Im Zentrum unserer Gesundheitspolitik stehen die Patientinnen und Patienten und die Qualität ihrer medizinischen Versorgung. Die Freiberuflichkeit … ist un-verzichtbares Element für die … Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland.
Trotzdem hat man den Eindruck, als sei es manchmal nötig, an die Kernelemente der Freiberuflichkeit, an die typischen Merkmale zu erinnern. Das erste Merkmal ist: Die Leistungen werden persönlich erbracht. Diese persönlichen Leistungen enthalten einen erheblichen ideellen Anteil; es ist keine mechanische Arbeit, sondern es ist immer auch eine ideelle Leistung. Deswegen muss diese Tätigkeit eigenbestimmt in sachlich-persönlicher Weisungsfreiheit erfolgen.
Die Leistungen werden auch in einer hinreichenden wirtschaftlichen Selbstständigkeit erbracht. Damit meine ich nicht die Besitzverhältnisse an den übrigen Produktionsmitteln, aber es kann nicht sein, dass wir - ob niedergelassen, in einer Behörde tätig, als Krankenhausarzt bei Kommunen, Ländern, Kirchen oder privaten Krankenhauseignern tätig - mit dem Argument um die fachliche Entscheidungskraft gebracht werden, wir hätten bestimmten wirtschaftlichen Zwecken zu dienen.
Der niedergelassene Arzt, der seine Praxis mit einem Kredit finanziert, ist kein Angestellter der Bank, der so zu funktionieren hat, wie die Bank es will, und der Krankenhausarzt ist zwar ein Angestellter des Krankenhauses, aber kein Agent des Kaufmanns, der in erster Linie auf die Rendite zu achten hat. Ich glaube, das ist für niedergelassene wie für angestellte Ärzte eine große Gemeinsamkeit der Freiberuflichkeit.
Wir unterliegen natürlich einem ausdrücklichen Postulat, altruistisch und nicht egoistisch motiviert zu sein, weil das im Zusammenhang mit dem besonderen Vertrauensverhältnis erforderlich ist. Der Arzt als freier Beruf kann dem besonderen Vertrauensverhältnis zum Patienten nur dann gerecht werden, wenn der Patient das Vertrauen hat. Wir können dieses Vertrauen nicht nach Belieben erzeugen, sondern der Patient muss es haben. Dazu muss sich der Patient darauf verlassen können, dass der Arzt fachlich entscheidet und die Entscheidungen des Arztes pur ärztlich getroffene Entscheidungen sind.
Das sogenannte GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, das als Referentenentwurf vorliegt - der Kabinettsentwurf erscheint ja erst, wenn die Auswertung der Anhörungen abgeschlossen ist -, enthält sehr viele staatliche Regulierungen. Man hat den Eindruck, dass das Gewicht von staatlicher Regulierung einerseits und der freiheitlichen ärztlichen Berufsausübung andererseits noch der Überarbeitung bedarf und dass die Akzente anders gesetzt werden müssen. Das betrifft die Übertragung etlicher Kompetenzen auf den Gemeinsamen Bundesausschuss, zum Beispiel beim Thema Zweitmeinung. Wir sind für die zweite Meinung, aber warum muss das alles über den Gemeinsamen Bundesausschuss reguliert werden?
Der Überarbeitung bedürfen vor allem die geplanten Servicestellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Vermittlung von Facharztterminen. Ich habe für jeden Verständnis, der sich die Frage stellt: Was ist denn nun richtig? Haben wir Überkapazitäten, die abgebaut werden müssen? Sollen Praxen, wenn der Praxisinhaber ausscheidet und keine Ehefrau vorhanden ist, die die Praxis fortführt, wenn es keinen Praxispartner und keinen angestellten Arzt gibt, der die Praxis fortführt, wenn keine Kinder sie übernehmen wollen, aufgekauft werden, wenn sie über dem Versorgungssoll liegen und aus der Versorgung verschwinden?
In demselben Moment, in dem das propagiert wird, wird erklärt: Wir brauchen Servicestellen, die helfen, die Wartezeiten zu verringern. Auf den ersten Blick finde ich es intellektuell sehr anspruchsvoll, diese beiden Positionen miteinander in Einklang zu bringen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir geht es so, dass ich das intellektuell für so schwierig halte, dass ich dem Bundesminister für Gesundheit gesagt habe: Ich finde, diese beiden Botschaften passen überhaupt nicht zueinander.
80 Prozent der Patientinnen und Patienten erhalten innerhalb von vier Wochen einen Termin beim Facharzt. Sie benötigen keine eigens einzurichtende Servicestelle zur Terminvermittlung. Und wenn es sich um einen medizinisch dringlichen Fall handelt, dann ist doch der normale Weg, dass der Hausarzt beim Facharzt anruft und einen Termin für seinen Patienten organisiert. Ich höre nicht, dass die Fachärzte sich weigern, einer solchen Terminorganisation zu entsprechen. Das ist vernünftig und so wird es auch weitgehend praktiziert.
Wenn man den Patienten nach Überschreitung der Vierwochenfrist ins Krankenhaus schickt, kommt er ja nicht zu dem Arzt, den er sich eigentlich ausgesucht hat. Die Situation kann aber auch damit zusammenhängen, dass die Inanspruchnahme der Arztpraxen sehr unterschiedlich ausfällt. Natürlich wird die Terminservicestelle die freie Arztwahl zu einem erheblichen Teil aufheben und den Patienten irgendwohin schicken.
Wenn davon gesprochen wird, dass der Patient, wenn das nicht funktioniert, vielleicht ins Krankenhaus geschickt wird, frage ich, nachdem der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft in diesem Jahr von 4.000 unbesetzten Arztstellen in den Krankenhäusern gesprochen hat: Ist denn sicher, dass das bei der knappen Besetzung des ärztlichen Dienstes überhaupt geht? Das sind die Gründe dafür, dass wir die Vorstandsanträge eingebracht haben, über die wir nachher zur Abstimmung bitten.
Eines dürfen wir nicht vergessen: Die Benachteiligung von gesetzlich Versicherten gegenüber privat Versicherten bei der Terminvergabe ist in manchen Abgeordnetenbüros als Argument dafür benutzt worden, die Dualität zwischen gesetzlicher Krankenkasse und privater Krankenversicherung beseitigen zu wollen und eine Bürgerversicherung einzuführen. Diese Bürgerversicherung sollte - jedenfalls perspektivisch - mit der Herstellung einer einheitlichen Gebührenordnung einhergehen. So war die Gefechtslage beim Koalitionsvertrag: Man hat gefragt: Warum denn? - Weil die Wartezeiten so unterschiedlich sind und der Privatpatient schneller einen Termin hat als der Kassenpatient, so wurde argumentiert.
Im Koalitionsvertrag ist die Absage an eine Bürgerversicherung enthalten: keine einheitliche Gebührenordnung, keine Bürgerversicherung. Das wird auch während der laufenden Legislaturperiode so bleiben. Der Deal war: Gut, dann richten wir Terminservicestellen ein, damit die Ungleichheit bei der Terminvergabe für Kassenpatienten und Privatpatienten bekämpft wird. So konnte jeder, der zuvor für die Bürgerversicherung gekämpft hat, zu Hause in der politischen Familie sagen: Wir bekämpfen dieses Problem der Ungleichheit bei der Terminvergabe.
Das ist der politische Hintergrund dafür, warum es so gekommen ist, wie wir es nun sehen. Die Rationalität, die dort angewendet wird, ist eine politische Rationalität. Die Rationalität, die wir hier in der Kammerversammlung anwenden, ist eine ärztliche Rationalität. Aus ärztlicher Rationalität muss man daran interessiert sein, dass kein unnötiges Geld ausgegeben wird. Wenn man unnötige Geldausgaben vermeiden will, sollte man vermeiden, unnötige Terminservicestellen einzurichten, die keiner braucht.
Was den Abbau von Arztsitzen in angeblich überversorgten Gebieten angeht, sind - das habe ich schon angedeutet - eine ganze Reihe von Ausnahmen vorgesehen: Kinder, Ehegatten, Lebenspartner, Praxispartner oder angestellte Kolleginnen und Kollegen, die seit mindestens drei Jahren gemeinsam praktizieren und den Sitz übernehmen wollen. Aber völlig unberücksichtigt bleibt zum Beispiel, dass Ärzte in städtischen Zentren häufig Patienten aus den umliegenden Landkreisen mitversorgen. Und umgekehrt ist in strukturschwachen Gebieten noch nichts gegen den Ärztemangel bewirkt, wenn in den Zentren Vertragsarztsitze verschwinden. Eine Stärkung der ambulanten Versorgung müsste sicherlich anders aussehen. Wir haben den ärztlichen Protest im Antrag 1 zum Ausdruck gebracht. Wir bitten Sie hier um breite Unterstützung, auch was die Wirtschaftlichkeitsprüfungen angeht.
Damit bin ich bei meinem dritten Kritikpunkt. Nach dem Referentenentwurf haben wir in Zukunft für die Wirtschaftlichkeitsprüfungen keine Bundesebene mehr, sondern an deren Stelle sollen schiedsstellenfähige regionale Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen treten. Die Auffälligkeitsprüfung nach Richtgrößen ist danach künftig nicht mehr bundesgesetzlich vorgeschrieben.
Ich höre aus Kreisen niedergelassener Ärzte sehr Unterschiedliches. Ich höre sowohl, dass es fast keine Regresse mehr gibt - etwa 16 im Jahr -, als auch, dass es noch immer viele Kolle-en gibt - einige aus dem Oberbergischen, die unter Regressen leiden, haben gestern am Rande der KV-Vertreterversammlung hier eine Kundgebung veranstaltet. Natürlich fällt es den Krankenkassen extrem schwer zu sagen: Wir vertrauen allen Ärzten, es gibt überhaupt keine Idee dazu, wie man das ein Stück weit so plausibilisieren kann, dass wir als Kassen davon überzeugt sind.
Aber ob das Verfahren, das heute angewendet wird, das zu einem ganz großen Teil auf statistischen Elementen basiert, und im Grunde genommen den Einzelnen in Begründungspflichten auf der Basis von reinen Zahlenwerten bringt, einen Nutzen hat, weiß ich nicht. Ich kenne andere Bereiche, in denen man sagen würde: Wenn man eine bestimmte Bürokratie für nur noch 16 Fälle aufrechterhalten muss, kann man diese Bürokratie auch komplett beseitigen.
Ja, Vertragsärztinnen und -ärzte sind in der Pflicht, keine Unwirtschaftlichkeiten zu produzieren. Aber die Politik ist auch in der Pflicht, keine Unwirtschaftlichkeiten zu produzieren. Bürokratische Verfahren und bürokratische Gremien, die man nur noch in ein paar Fällen nötig hat, sind unwirtschaftlich, wenn deren Betrieb mehr kostet, als er überhaupt einbringen kann.
Die jungen Kolleginnen und Kollegen haben Angst vor Regressen, wie rational oder irrational die Angst auch sein mag. Diese Angst hält viele davon ab, sich für die Niederlassung zu entscheiden. Deshalb wäre das Signal sehr gut, wenn man die Androhung existenzbedrohender Strafzahlungen beseitigen würde. Dann könnte man den jungen Kolleginnen und Kollegen sagen: Verhaltet euch wirtschaftlich, aber habt keine Angst, dass ihr durch euer ärztliches Handeln am Ende ruiniert werdet.
In der guten Absicht, Lücken in der Patientenversorgung zu schließen, enthält der Referentenentwurf beim Thema Entlassmanagement eine Regelung, wonach Krankenhäuser in Zukunft bei der Entlassung Arzneimittel nicht mehr direkt an den Patienten abgeben sollen, sondern der Krankenhausarzt soll die jeweils kleinste Packungsgröße verordnen können. Wir haben nachher Gelegenheit zur Diskussion über dieses Thema. Es gibt dazu einen entsprechenden Antrag. Wir haben gehört, dass es ganz schwierig werden wird, das zu ändern, weil die Apotheker nicht wollen, dass den Krankenhäusern die Kosten für Arzneimittel erstattet werden, wenn sie diese an die Patienten abgeben. Man sagt, das sei sozusagen eine Einschränkung des Dispensierrechts der Apotheker ...
Einen erheblichen Fortschritt bedeuten die Gesetzespläne zur Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung. So soll die Zahl der je hälftig von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen geförderten Stellen erhöht werden, damit sich mehr Ärztinnen und Ärzte für den Hausarztberuf entscheiden können. Auch wird den in Weiterbildung befindlichen Kolleginnen und Kollegen eine Vergütung wie im Krankenhaus zugesichert, wobei jedoch eine extrabudgetäre Finanzierungsregelung fehlt.
Hier muss noch sichergestellt werden, dass die weiterbildenden Ärztinnen und Ärzte nicht belastet werden. Die Bundesärztekammer hat in ihrer Stellungnahme kritisch angemerkt, dass eine Förderung der ambulanten Weiterbildung in Facharztpraxen nicht vorgesehen ist. Ich glaube, auch damit werden wir uns nachher noch befassen.
Ich komme zu einem anderen Gesetzentwurf, der nicht aus dem Bundesministerium für Gesundheit stammt, sondern aus dem Bundesarbeitsministerium. Er berührt die niedergelassenen Ärzte vielleicht weniger, sondern - jedenfalls auf direktem Weg - mehr die angestellten Ärztinnen und Ärzte. Ich spreche von dem Tarifdiktatgesetz aus dem Bundesarbeitsministerium.
Nach diesem Tarifdiktatgesetz sollen unterschiedliche und von verschiedenen Gewerkschaften ausgehandelte Tarifverträge nicht mehr nebeneinander gelten dürfen. In Fällen wie diesen soll es sich in Zukunft - so das Gesetz - um eine „Tarifkollision“ handeln, die künftig nach dem Grundsatz der Tarifeinheit aufzulösen wäre. Der Referentenentwurf spricht davon, dass dies geschehen soll, um „die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu sichern“ und Tarifauseinandersetzungen „in geordnete Bahnen zu lenken“.
Bei einer Tarifkollision soll künftig nur noch derjenige Tarifvertrag gelten, den die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb abgeschlossen hat. Berufs- und Fachgewerkschaften werden aber kaum in der Lage sein, in Betrieben die Mehrheit der Beschäftigten zu stellen.
Nehmen wir als Beispiel das Krankenhaus: In einem durchschnittlichen Krankenhaus hat die Ärzteschaft einen Anteil von vielleicht 15 Prozent an der Gesamtbelegschaft. Selbst wenn der Marburger Bund in der Lage wäre, alle Ärzte als Mitglieder zu haben, käme er nicht über 15 Prozent hinaus, weil er eben nur Ärztinnen und Ärzte organisiert. Wenn von den übrigen 85 Prozent nur jeder Fünfte in eine Gewerkschaft ginge, wäre diese bereits bei 17 Prozent. 100 Prozent von 15 Prozent sind natürlich weniger als 20 Prozent von 85 Prozent.
Nun sagt man zur Beruhigung: Das wird den Marburger Bund nicht treffen, weil die Ärzte doch so stark organisiert sind. Trotzdem bleibt die von mir vorgetragene Rechnung richtig. Deshalb ist das, was hier droht, die Zerschlagung der Grundlage für die Fähigkeit der Ärztegewerkschaft, Verträge mit Arbeitgebern abzuschließen, die wirksam sind. Wenn ich keinen wirksamen Tarifvertrag habe, habe ich auch keine Möglichkeit mehr, für Veränderungen dieses Tarifvertrags zu streiken. Denn ein Streik ist natürlich nur möglich, wenn ein tariflich regelbares Ziel erreichbar ist. Wenn es mangels Mehrheit dafür keine Grundlage mehr gibt, ist auch diese Grundlage verschwunden. Dann wäre ein Streik unverhältnismäßig und rechtswidrig.
Für uns alle würde dies bedeuten, dass damit auch alle Analogien zu den Vergütungen von Krankenhausärztinnen und -ärzten in anderen Honorierungsbereichen auf den Schleifstein kämen. Insofern ist die gesamte Ärzteschaft betroffen. Deshalb hat der Vorstand einen entsprechenden Antrag eingebracht. Ich wäre dankbar, wenn dieser Punkt von möglichst vielen gutgeheißen würde; denn das, was dort droht, wäre ein tiefer - das sage ich in voller Übereinstimmung mit führenden Verfassungsrechtlern - und aus meiner Sicht eindeutig verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit.
Wo hat man je erlebt, dass die Nutzung eines Grundrechts wie das der Koalitionsfreiheit, der Redefreiheit, der Meinungsfreiheit, der Reisefreiheit, der Religionsfreiheit unter den Vorbehalt der Genehmigung durch Mehrheiten gestellt wird? Das ist so ähnlich, als hieße Pressefreiheit: Jede Zeitung darf gedruckt werden, aber am Kiosk kann man nur die auflagenstärkste Zeitung kaufen.
Welcher Aberwitz! So vernichtet man Grundrechte. Deshalb braucht man an dieser Stelle eine heftige Gegenwehr. Ich weiß, dass es Klagen dagegen gibt; aber viel besser wäre es, wenn es noch gelänge, das politisch zu verhindern.
Ein Zitat von Bundesgesundheitsminister Gröhe:
Die Menschen müssen sich auf gut erreichbare, leistungsstarke Krankenhäuser verlassen können - und zwar überall in unserem Land.
Dazu ist noch viel Kraft aufzuwenden. 42 Prozent der Kliniken haben 2013 Verluste geschrieben. Statt der notwendigen 6 Milliarden Euro stellen die Bundesländer nur 2,7 Milliarden Euro an Investitionsmitteln zur Verfügung. Während die volkswirtschaftliche Investitionsquote bei 18,2 Prozent liegt, beträgt sie nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft in den Krankenhäusern lediglich 4,4 Prozent. Dabei müsste die Planungshoheit Hand in Hand gehen mit der Finanzierungsverantwortung.
Aber die Länder übernehmen seit vielen Jahren diese Pflicht nur völlig unzureichend, sodass die Häuser im Ergebnis auf Betriebsmittel zur Finanzierung dringend notwendiger Investitionen zurückgreifen. Doch jeder Euro für Investitionen, der einem Krankenhaus vom Land vorenthalten und dann im laufenden Betrieb abgeknapst wird, geht zulasten von Beschäftigten und Patienten. Um eine flächendeckende Versorgung von hoher Qualität zu sichern, muss man an dieser Stelle handeln.
Der Bund hat gerade beschlossen, dass der Versorgungszuschlag von 0,8 Prozent - das Volumen beträgt rund 500 Millionen Euro - und die Mehrleistungsabschläge für Krankenhäuser entkoppelt bleiben. Ein erster Entwurf hatte vorgesehen, dort eine Koppelung herbeizuführen, die als Nothilfe gedachten Versorgungszuschläge von 0,8 Prozent Ende 2014 auslaufen zu lassen und dann landesbezogen mit den Mehrleistungsabschlägen zu verrechnen. Das hätte bedeutet, dass den Krankenhäusern bis zu 500 Millionen Euro hätten entzogen werden können.
Dem ist am Ende der Bundestag nicht gefolgt, sondern der Bundestag hat im Pflegestärkungsgesetz als Omnibusbestimmung die Vorschrift untergebracht, wonach es auf Dauer bei diesen 0,8 Prozent Zuschlag bleibt. Aber was nutzen 0,8 Prozent Zuschlag, wenn das investive Loch gleichzeitig größer und größer wird und man einen Teil des Zuschlags in Höhe von 0,8 Prozent dazu verwendet, um die Finanzsituation der Länder zu entlasten?
Hier muss dringend eine Korrektur erfolgen. Da sich am 5. Dezember die Bund-Länder-Kommission trifft, die über die Zukunft der Krankenhauspolitik berät, halte ich es für gut, wenn wir auch zu diesem Punkt einen Antrag platzieren.
In der kommenden Woche wird es im Bundesgesundheitsministerium eine Fachanhörung zum Referentenentwurf eines Präventionsgesetzes geben. Wir haben dieses Thema ja beim diesjährigen Deutschen Ärztetag ausführlich beraten und sind zu dem Ergebnis gekommen: Es mag viele geben, die sich um die Prävention kümmern, aber für die Ärzteschaft ist Prävention eine ureigene ärztliche Aufgabe.
Es wäre gut, wenn man das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärzten zukünftig noch besser nutzen könnte, um die Eigenverantwortung der Patienten für ihre Gesundheit zu stärken. Der Gesetzentwurf sieht nun eine „Präventionsempfehlung“ durch Ärzte vor. Allerdings ist im Gesetzentwurf die Präventionsberatung an den Check-up 35 gebunden, den häufig gerade gesundheitsbewusste Patienten wahrnehmen. Ob man damit alle Bevölkerungsschichten erreicht, ist mehr als fragwürdig. Deshalb hätte ich gern eine Regelung, dass eine Vergütung für jeden Arzt fließt, der auch aus dem normalen Behandlungsverhältnis heraus dazu kommt, eine Präventionsempfehlung abzugeben. Ich wünsche mir darüber hinaus, dass eine Situation entsteht, dass es für die Kassen nicht nur ein Ratschlag und eine Empfehlung ist, sondern bindend ist.
Ich darf das zum Anlass nehmen, hier auf erste Ergebnisse der Kölner Hausarztstudie zum Thema „10.000 Schritte für Ihre Gesundheit“ hinzuweisen, die wir als Ärztekammer Nordrhein in Kooperation mit der Deutschen Sporthochschule Köln gestartet haben. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass es Hausärzten mit Techniken der sogenannten Motivierenden Gesprächsführung gelingt, übergewichtige Menschen, die sich überdies kaum körperlich betätigen, zu einer Lebensstiländerung zu bewegen.
Das zeigt übrigens auch, wie enorm wichtig das Thema der Patient-Arzt-Kommunikation ist. Wir haben dazu auf dem diesjährigen Düsseldorfer Ärztetag einen mit großer Mehrheit angenommenen Antrag eingebracht und die Kommunikation wird im kommenden Jahr beim Deutschen Ärztetag in Frankfurt ihren eigenen Platz auf der Agenda erhalten.
Die kommunikative und soziale Kompetenz von Ärztinnen und Ärzten ist ganz besonders auch in zwei Problemfeldern gefragt, die wir in diesem Jahr aufgegriffen haben. Im September gab es hier in diesem Saal eine vielbeachtete Fachtagung zum Thema „Häusliche Gewalt - Gewalt in sozialen Beziehungen“, die wir mit der Ärztekammer Westfalen-Lippe und dem Kompetenzzentrum Frauen und Gesundheit NRW ausgerichtet haben. Die Medienresonanz war beachtlich.
Zum einen können wir daraus auf den Grad an Aufmerksamkeit schließen, den wir erreichen können, wenn wir gemeinsam mit unserer westfälischen Schwester auftreten. Zum anderen: Wenn wir uns als Ärzteschaft für Menschen in schwierigen Lebenslagen einsetzen, wird das ganz besonders positiv registriert.
Beides gilt auch für unser Aktionsjahr „Demenz im Blick“, das unter der Schirmherrschaft von Landesgesundheitsministerin Steffens stand. Zu diesem Thema gab es eine Vielzahl von Veranstaltungen in ganz Nordrhein-Westfalen. Am 5. Dezember wird die Abschlussveranstaltung hier in diesem Saal stattfinden. Ich danke allen, die sich für dieses Thema engagiert haben, besonders Frau Professor Schwalen, die hier viel Energie und Engagement gezeigt hat. Angesichts von 1,4 Millionen erkrankten Menschen in Deutschland und einer älter werdenden Gesellschaft lohnt es sich, Hilfen weiterzuentwickeln und gesellschaftlicher Ausgrenzung entgegenzuwirken.
Viel Arbeit stecken wir auch ganz kontinuierlich in die weitere Verbesserung der ärztlichen Weiterbildung. Wir haben kürzlich mit mehreren anderen Kammern eine Evaluation der Weiterbildung abgeschlossen. Die Ergebnisse werden demnächst vorliegen und dann werden wir auch unsere strukturierten Dialoge weiterführen. Sie sind von den Weiterbildern wie von den in Weiterbildung befindlichen Kolleginnen und Kollegen bisher hervorragend angenommen worden.
Die Überarbeitung der (Muster-)Weiterbildungsordnung läuft. Unser Weiterbildungsausschuss hat in den vergangenen Monaten mit hoher Sitzungsfrequenz beraten. Die allgemeinmedizinischen Weiterbildungsverbünde haben sich flächendeckend etabliert. Zuletzt hat Bernd Zimmer in Wuppertal die Urkunden feierlich übergeben. Wir haben inzwischen 42 regionale Verbünde mit 90 Krankenhäusern und über 350 Praxen.
Seit Jahresbeginn gibt es die praxisnahe und qualifizierte Fachsprachprüfung ausländischer Kolleginnen und Kollegen hier bei der Kammer. Dafür haben wir uns eingesetzt, weil eine gelungene Verständigung mit den Patientinnen und Patienten zentral ist für eine erfolgreiche ärztliche Behandlung. In der Sprache begründete Missverständnisse sind eine Fehlerquelle, die es zu minimieren gilt. Deshalb ist es gut, dass wir hier im Haus der Ärzteschaft nun an 30 Tagen im Jahr bis zu 750 solcher Prüfungen anbieten. Wir schaffen mehr Qualität in der Versorgung dadurch, dass wir die Rahmenbedingungen sichern.
Das gilt auch für CIRS-NRW, unser Lern- und Berichtssystem für kritische Ereignisse in der Patientenversorgung, und die seit fast 20 Jahren etablierten Fortbildungen des IQN unter der Überschrift „Aus Fehlern lernen“ in Zusammenarbeit mit der Gutachterkommission. Wir wollen Strategien zur Risikovermeidung entwickeln und bekannt machen.
Das IQN hat gemeinsam mit dem Verband medizinischer Fachberufe einen Informationstag für Medizinische Fachangestellte unter dem Motto „Neue Impulse für den Praxisalltag“ neu konzipiert. Auch hier geht es um Versorgungsqualität, zu der gut qualifizierte Medizinische Fachangestellte einen erheblichen Beitrag leisten.
Für Kolleginnen und Kollegen in der Niederlassungsphase gab es die neuartige Informationsveranstaltung „Meine Praxis - organisiert und sicher!?“ Hier werden neu niedergelassene Ärztinnen und Ärzte über grundlegende Aufgaben eines Praxisinhabers informiert, die für die Qualität der medizinischen Versorgung bedeutsam sind. Es geht um Themen wie Hygiene, Qualitätsmanagement, Arbeitssicherheit, der Arzt als Arbeitgeber und Ausbilder sowie auch um rechtliche Fragen.
Ich will es bei diesen Schlaglichtern aus der alltäglichen Kammerarbeit belassen. Das gesamte Spektrum können Sie unserem Jahresbericht entnehmen, der auf Ihren Plätzen liegt.
Abschließend möchte ich noch zu zwei Punkten eine Bemerkung machen. Zum einen geht es um die vor zwei Tagen in Herne zusammengetretene Landesgesundheitskonferenz. Dort hat sich die Entschließung „Für ein solidarisches Gesundheitswesen in NRW“ mit der gesundheitlichen Versorgung von Menschen in prekären Lebenslagen befasst. Wir haben uns dort mit den anderen Akteuren der gesundheitlichen Versorgung in Nordrhein-Westfalen auf das Ziel einer bedarfsgerechten und ohne Hürden zugänglichen gesundheitlichen Versorgung für alle Menschen, insbesondere für Menschen in prekären Lebenslagen, unabhängig von deren sozialem Status, Alter, Herkunft oder Geschlecht, verständigt.
Die Gesundheitskonferenz hat sich dabei besonders auf Erwerbslose, auf Menschen mit Behinderungen, auf von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen und auch Menschen mit Migrationsgeschichte ohne gesicherten oder geklärten Zugang zum Regelsystem konzentriert. Insbesondere begrüßen wir Bestrebungen, für Menschen mit ungeklärtem Status einen Zugang zur Regelversorgung zu erreichen.
Neben der Herkulesaufgabe, die viele Politikbereiche und nicht nur die Gesundheitspolitik betrifft, diesen Zugang zu gewährleisten, ist meines Erachtens eine schnelle und unbürokratische Hilfe und ein niederschwelliger Zugang zur medizinischen Versorgung unerlässlich, um Menschen, die sich am Rande unserer Gesellschaft befinden, zu helfen. An dieser Stelle möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen danken, die sich seit Jahren ehrenamtlich für die medizinische Versorgung von Wohnungslosen oder Menschen mit illegalem Aufenthaltsstatus einsetzen.
Wir als Ärztekammer wollen jedenfalls unserer Selbstverpflichtung nachkommen, uns intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. So findet am 9. Februar 2015 gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium, der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Akademie eine Veranstaltung für den öffentlichen Gesundheitsdienst statt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir haben auf unserer Kammerversammlung im März dieses Jahres auch über die Frage der Sterbebegleitung reflektiert. Ich will die Diskussion von damals nicht neu eröffnen. Ich will nur uns alle, egal wie wir in der Sache positioniert sind, auf einen Punkt aufmerksam machen. Ich erlebe jetzt immer häufiger, dass Menschen davon sprechen, dass sie anderen nicht zur Last fallen wollen. Ich war beim letzten öffentlichen Auftritt des früheren MDR-Intendanten Professor Reiter dabei, der in der CDU/CSU-Fraktion dafür geworben hat, die Suizidassistenz zu legalisieren. Ich weiß, dass man in allen Parteien diese Position vertreten kann. Man kann in allen Parteien aber auch die gegenteilige Position einnehmen.
Mich beklemmt, wenn in diesem Zusammenhang gesagt wird: Ich verliere meine Würde, wenn mir andere den Hintern abputzen, wenn ich nackt und bloß daliege, wenn ich hilflos und auf fremde Hilfe angewiesen bin. Ich meine, unabhängig von der Frage, wie wir uns im Einzelnen aufstellen, muss völlig klar sein, dass ein Mensch in jede beliebige Not und in jede beliebige gesundheitliche Bedrängnis kommen kann - aber er verliert nicht seine Würde.
Sich helfen lassen zu müssen ist Teil unserer Conditio humana. Wir kommen nämlich so auf die Welt, dass wir gar nicht hierbleiben, wenn uns keiner hilft. Von Anfang an brauchen wir Hilfe von Mitmenschen, zumeist den Eltern. Wenn es keine Eltern gibt - es sterben ja auch Mütter bei der Geburt -, dann muss jemand anders helfen. Auch das ist kein Würdeverlust.
Man kann Menschen unwürdig behandeln, aber das Leben selbst ist nicht unwürdig. Ich finde, das müssen wir ab und zu sagen. Wir müssen dabei auch darauf aufmerksam machen, dass niemand bange sein soll, anderen zur Last zu fallen.
Selbsthilfe ist richtig, Selbsthilfe ist auch Solidarität: sich selbst so viel zu helfen, wie es irgend geht, und dabei die anderen möglichst wenig in Anspruch zu nehmen. Das wäre ein gutes Prinzip für die gesamte Sozialpolitik. Das ist wahr.
Ich finde, es ist nicht nur ein religiöses, sondern es ist ein menschliches Gebot, ein Zeichen von Humanität, wenn wir dem Imperativ folgen: Einer trage des anderen Last.
Vielen Dank fürs Zuhören.