Bericht zur Lage bei der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein am 9. März 2013 in Düsseldorf
Aktuelle Themen der Berufs- und Gesundheitspolitik
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,
natürlich wird man sich, wenn man in dem Lagebericht auf die Situationen eingehen will, die die nordrheinische Ärzteschaft besonders berühren, nicht nur mit guten Zahlen und guten Meldungen und erfreulichen Entwicklungen befassen können. Vielleicht kann man trotzdem an den Anfang ein paar Erwägungen stellen, die das Ganze in die richtige Proportion rücken.
Die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit unserem Gesundheitswesen hat nämlich in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.Nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Firma MLP beurteilen 82 Prozent der Befragten das Gesundheitssystem und die Gesundheitsversorgung in Deutschland als sehr gut oder gut.
Der entsprechende Wert im Jahr 2008 betrug lediglich 59 Prozent, war also vier Jahre zurück 23 Prozentpunkte geringer als im Herbst 2012, und einen Spitzenwert von 82 Prozent gab es, wenn man weiter in diese Umfragen zurückblickt, zuletzt im Jahr 1994.
Und sogar die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen scheint nach dieser Umfrage ein Stück optimistischer als noch im Jahr 2008. Trauten damals lediglich 15 Prozent der Kolleginnen und Kollegen der Politik zu, längerfristig eine gute Gesundheitsversorgung für alle sicherzustellen, so sind es heute immerhin 40 Prozent. Das ist zwar keine Mehrheit, aber es ist jedenfalls doch eine Entwicklung.
Ich muss gestehen, dass mich dieser Stimmungswandel schon überrascht hat, denn natürlich kommt Gesundheitspolitik immer nur langsam voran, und deswegen haben wir auch nach wie vor eine ziemlich lange Agenda von offenen Punkten, die uns in diesem Jahr interessieren müssen: Ärztemangel, chronische Unterfinanzierung der ambulanten ärztlichen Versorgung, unzureichende Refinanzierung von Tarifsteigerungen im Krankenhaus, zeitfressende Bürokratie, und leider auch nach wie vor systematische Versuche einiger Kassenfunktionäre, uns generalisiert als Falschabrechner, Minderleister, Schröpfköpfe und Pfuscher darzustellen.
Die Art, wie manche Kassenfunktionäre über die Ärzte reden, hat mit der Aufdeckung von Missständen wenig zu tun und hat sehr viel damit zu tun, einen Berufsstand in einen Generalverdacht zu bringen, und möglichst öffentliche Wahrnehmung auszulösen, die uns den Ruf kosten soll. Das weisen wir zurück. Wir halten uns da eher an die befragten Menschen. Das wäre nicht möglich, wenn alles das wahr wäre, was da manche Kassenfunktionäre verbreiten.
Trotz schriller Misstöne dieser Art wirkt offenbar die veränderte Dialogkultur, auch zwischen Ärzteschaft und Politik im Gesundheitswesen, die sich positiv auf die Stimmungslage auswirkt. Es ist bei Weitem nicht alles erreicht, was wir uns erhofft hatten, dazu gehörte für diese Wahlperiode ja auch die längst überfällige Novelle der Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte, die GOÄ – nach meiner Wahrnehmung derzeit auch aufgrund der schwierigen Haltung der Privaten Krankenversicherung in den Gesprächen mit der Bundesärztekammer in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu erwarten. Es wäre sehr erfreulich, wenn es der Ärzteschaft dann zumindest über die Bundesärztekammer gelänge, eine realistische Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte vorzulegen, die auch die Kernkompetenzen der Ärzteschaft betont. Die vielleicht auch manchen Irrweg in eine Überbetonung von technischen und apparativen Dingen zurücknimmt und geringer wertet.
Wenn man weiß, dass das in dieser Legislaturperiode nicht mehr zustande kommt, droht ja für die eigene Befassung natürlich auch das Ausweichen in Wunschlisten, in Wunschbriefe, wie man sie zu Weihnachten verfasst. Das wäre eine vertane Chance. Ich glaube, man soll versuchen, die GOÄ so vorzubereiten, dass man zu Beginn der nächsten Legislatur als Ärzteschaft etwas hat, von dem man sagen kann: das ist realistisch entwickelt und ist auch umsetzbar.
Es gibt aber, wenn man von solchen Punkten absieht, dann auch einiges, was wir auf der Habenseite verbuchen können.Zum Beispiel ist ja das Thema Ärztemangel überhaupt erst einmal als Problem inzwischen anerkannt. Ich kann mich an Zeiten erinnern, wenn man da auf Versammlungen vom Ärztemangel gesprochen hat, dann wurde das schlicht und ergreifend bestritten, dass es so etwas gibt.
Inzwischen erlebe ich immer häufiger, dass auch Politiker davon berichten, dassin ihrem Wahlkreis beispielsweise die Zahl der Hausärzte, die das 55. Lebensjahr überschritten haben, so hoch ist, dass sie mit einem empfindlichen Rückgang in den nächsten zehn Jahren rechnen, wenn eine Nachbesetzung nicht möglich ist. Das gilt für Facharztdisziplinen in ähnlicher Weise.
Der Gesetzgeber hat mit dem Versorgungsstrukturgesetz einige Instrumente geschaffen, um gegenzusteuern – etwa mit Sicherstellungszuschlägen in unterversorgten Gebieten, etwa mit der Aufhebung der Residenzpflicht, etwa mit der der Möglichkeit einer kleinräumigeren Bedarfsplanung. Wir haben jetzt inzwischen auch die Elemente der kleinräumigeren Bedarfsplanung auf dem Tisch des Gemeinsamen Bundesausschusses. Man wird jetzt sehen, wie die regionale Umsetzung aussieht. Aber ich glaube, dass dieser Punkt einer ist, wo wir schon ein Stück vorangekommen sind.
Und ich will auch sagen: ich finde es auch gut, dass die Wahrscheinlichkeit, in Regress genommen zu werden, und erst recht unangekündigt, stark gesunken ist. Ich frage mich manchmal, ob es nicht klüger wäre, um allen auch die Sicherheit zu geben, dass das so ist, wenn man die Regressmöglichkeit komplett streichen würde. Aber da ist sicher noch ein Brett zu bohren.
Die Überzeugung, dass unser Gesundheits- und Medizinsystem verlässlich ist, hat natürlich früher auch gelitten unter den ständig wiederkehrenden Defiziten der Gesetzlichen Krankenkassen und den daraus resultierenden Notoperationen einschließlich Leistungseinschränkungen.
Immerhin, heute diskutiert man darüber, was mit den Mitteln auf den Konten der Kassen zu geschehen hat. Das ist eine bessere Situation – auch wenn ich davor warne, alleine weil es Milliardenbeträge sind, zu sagen, wir haben da schon viel Wasser unterm Kiel. Also ich sehe da eine Handbreit Wasser unterm Kiel. Das Geld ist in Abhängigkeit von Konjunktur und Arbeitsmarkt auch schnell wieder weg.
Nun hat sich seit 2005 die Arbeitslosigkeit in Deutschland fast halbiert. Im Dezember 2012 hatten 42 Millionen Menschen eine Berufstätigkeit, so viele wie nie zuvor. Und wir hatten 28 Millionen Menschen in sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit. Die Arbeitslosenquote betrug nach Berechnungen der europäischen Statistikbehörde im Jahr 2012 5,5 Prozent. Sie ist seit 2005 von 11,3 Prozent auf 5,5 Prozent gesunken, und selbst die Jugendarbeitslosigkeit ist von 15,6 Prozent auf 8 Prozent gesunken.
Natürlich wirkt sich das aus. Weil ja gestern der internationale Frauentag war, will ich auch sagen, dass der Anteil der berufstätigen Frauen bei uns seit 2005 stärker gestiegen ist als in jedem anderen Land der Europäischen Union. Heute liegt Deutschland EU-weit in der Beschäftigung von Frauen auf Rang 4 gegenüber Rang 10 im Jahr 2005.
Das heißt, natürlich erklärt sich die Kassenlage der Kassen zu einem großen Teil aus diesen wirtschaftlichen Fakten und aus den Elementen am Arbeitsmarkt, und natürlich wird auch in Zukunft diese Frage bestimmend sein für die Leistungskraft des Gesundheitswesens, weil die sich natürlich aus der Leistungskraft des Wirtschaftsgeschehens und aus der Leistungskraft des Arbeitsmarktes speist.
Ich bin übrigens sehr zufrieden damit, dass zum internationalen Frauentag auch noch einmal das Bundesfamilienministerium darauf aufmerksam gemacht hat, dass das Gesundheitswesen in diesem Jahr im Mittelpunkt der EqualPay-Kampagne stehen wird, und dass wir insofern auch davon ausgehen können, dass auch Organisationen aus dem Gesundheitswesen in dieser Kampagne zum EqualPayDay besonders zu Wort kommen.
Also, die Bilanz davon: Wir diskutieren heute immerhin darüber, was mit Überschüssen der Gesetzlichen Krankenkassen zu geschehen hat. Ich glaube dennoch, dass wir das nicht als ewig gesichert betrachtendürfen, und dass wir uns nicht von denen einlullen lassen dürfen, die sagen, weiteren Reformbedarf sehen wir nicht, oder wir können jetzt wieder in die Vollen gehen.
Wir haben die Diskussion um eine zukunftsfeste Finanzierung fortzusetzen, weil der demographische Wandel weitergeht, weil die demographische Entwicklung und der rasante medizinisch-technische Fortschritt die Kostenseite gemeinsam in die Zange nehmen. Als Ärzteschaft wollen wir dieses Thema beim kommenden Deutschen Ärztetag im Mai in Hannover vorantreiben.
Eine Festlegung haben wir ja bereits im vorigen Jahr auf dem Ärztetag getroffen: Wir treten dafür ein, das bewährte duale Krankenversicherungssystem beizubehalten. Ohne die zweite Säule dieses Systems, ohne die private Vollkostenversicherung, würde die medizinische Versorgung nicht besser und gerechter, wie manche behaupten, vielmehr würde sieleiden. Investitionen in eine moderne, am wissenschaftlichen Fortschritt orientierte Medizin in Praxen und Krankenhäusern wären sicherlich nicht einfacher, wenn man das Element der PKV beseitigen würde und alle in eine einzige gesetzliche Krankenkasse einmünden ließe.
Eine Angleichung der Versicherungssysteme würde unweigerlich auch eine Angleichung von EBM und GOÄ herbeiführen. Und wer dabei glaubt, dass dann der EBMder GOÄ angeglichen würde, der kann das natürlich als Hoffnung hegen, aber wie realistisch das ist, muss wohl jeder für sich selber beurteilen.
Die Ärzteschaft wird sich deswegen weiterhin gegen eine Einheits-Krankenversicherung, gegen eine Einheits-Gebührenordnung ganz entschieden wehren, das werden wir in Hannover deutlich machen.
Ich finde, dass das nicht nur einen finanziellen Hintergrund hat, sondern dass es auch darum geht, dass in der Privaten Krankenversicherung das Thema der persönlichen Freiheit und der Gestaltung des Versicherungsvertrages durch den Einzelnen eine große Rolle spielt. Denn natürlich ist das, was in der Gesetzlichen Krankenversicherung möglich ist, immer bestimmt durch Entscheidungen, die auf gesetzlicher oder Satzungs-Basis andere treffen, und insofern ist das auch ein prinzipieller Unterschied.
Zur Freiberuflichkeit gehört eine GOÄ als Referenzordnung für die Vergütung ärztlicher Leistungen, die eine angemessene Beschreibung und Bewertung ärztlicher Leistungen enthält, untrennbar dazu. Abgesehen davon, dass wir dieses Finanzthema haben, weil die Gebührenordnung seit 29 Jahren nicht novelliert ist, wir haben auch das Thema der Freiheitsgrade.
Ich glaube, dass die Verweigerung einer neuen Gebührenordnung dazu beiträgt, dass Unsicherheit in der Abrechnung nach der Gebührenordnung besteht, und dass diese Unsicherheit vielfach dann auch in rechtlichen Konflikten mündet, und dass diese rechtlichen Konflikte zum Teil das Gefühl verbreiten, dass Ärzte falsche Abrechnungen machen. Ich glaube, man muss die Gebührenordnung allein schon wegen der Rechtssicherheit novellieren, und aus den finanziellen Gründen zusätzlich.
Dass unser System mehr Freiheitsgrade braucht und nicht weniger, das hat – anders als in früheren Perioden – inzwischen auch das Bundesgesundheitsministerium offiziell klipp und klar anerkannt.
Es gibt also Schritte nach vorne, und einer dieser Schritte, Herr Potthoff, ist auch der jüngste Honorarkompromiss in Nordrhein. Denn die Steigerung der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung um 5,15 Prozent bedeutet immerhin, dass die Benachteiligung der Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein gegenüber anderen Regionen mit all ihren nachteiligen Folgen für die Patientenversorgung abgemildert wird. Ich habe Respekt vor der Verhandlungsstärke, die sie in der KV dort an den Tag gelegt haben. Das verdient auch einmal Dank.
Trotzdem bleibt es ein weiter Weg, bis das Ziel einer transparenten und gerechten Vergütung für alle erreicht ist, und darauf hat in diesen Tagen auch ein Zusammenschluss fachärztlicher Kolleginnen und Kollegen aufmerksam gemacht. In einem Brief, den man an Sie, Herr Potthoff, gerichtet hat, auch an Herrn Köhler, und auch an den Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein, führen die Vertreter von sieben Facharztgruppen aus, dass die Unterfinanzierung der Regelversorgung in den Praxen ihrer Fachgebiete eine geordnete Patientenversorgung in Frage stellt.
Für Pauschalen zwischen 11,58 und 23 Euro pro Quartal können, so schreiben die Kolleginnen und Kollegen,auch notwendige Leistungen flächendeckend nicht mehr erbracht werden.Wenn das Vertreter der Fachgruppen Anästhesie, Chirurgie, Dermatologie, Frauenheilkunde, Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Orthopädie und Urologie sagen – die Augenärzte signalisieren, dass sie sich auch anschließen –, dann muss dies uns alle alarmieren. Die Vertreterversammlung der KV Nordrhein hat die Unterversorgung ihrerseits ebenfalls durch Beschlussbestätigt.
Ich lade die Kolleginnen und Kollegen, die den Brief geschrieben haben, zu einem persönlichen Gespräch ein, um mit ihnen über Wege aus dieser Misere zu sprechen.
Dabei wird dann sicherlich auch die Frage eine Rolle spielen, ob das Konzept zur Stärkung der Sicherstellung, das die Kassenärztliche Bundesvereinigung vor wenigen Tagen vorgelegt hat und das in deren Vertreterversammlung mit wenigen Enthaltungen und sonst nur Ja-Stimmen bedacht worden ist, eine gute Zukunftsperspektive bietet und genügend Auswege aus dieser Situation aufzeigt.
Denn dort ist ja ein Konzept ausgewiesen, dass die Über-Inanspruchnahme von Praxen dadurch vermieden werden soll, dass die Hausärzte vor jedem Facharztbesuch eine Überweisung vornehmen. Und wer sich dem nicht stellen will als Patient, der – so der Vorschlag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung – soll dann entweder bei dem einzelnen Besuch eine eigene Zusatzleistung erbringen, oder er soll einen Zusatzbeitrag in die Krankenversicherung bezahlen.
Das ist ein Vorschlag, auf den sich jetzt offensichtlich alle Beteiligten in der KBV verständigt haben, als neues politisches Leitbild im Wahljahr. Ich finde es schon interessant, dass wir dann auch in Nordrhein die Diskussion darüber führen, was wir dazu tun sollen und was wir dazu tun können, diesen Konsens nun irgendwie wirksam werden zu lassen.
Dieses Thema gehört – auch wenn wir nicht für die Honorarfragen unmittelbar zuständig sind, sondern die KV – das gehört doch auch in die Kammer. Denn wir nehmen unseren gesetzlichen Auftrag ernst, für einen hoch stehenden Berufsstand zu sorgen, und da kann man die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht einfach ausblenden.
Deshalb hat der Vorstand Ihnen hierzu einen Antrag vorgelegt, und ich bitte um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag, der natürlich dann nicht nur diese Facharztgruppen in den Blick nimmt, sondern der auch andere finanzielle Erwartungen und Wünsche der Ärzteschaft mit artikuliert. Ich glaube, dass es eine gute Grundlage wäre, eine gemeinsame Position zu entwickeln.
Das Wohl unserer Patientinnen und Patienten ist vorrangiges Ziel jedes einzelnen Arztes, jeder einzelnen Ärztin. Gerade deswegen haben die ärztlichen Körperschaften und Verbände die Aufgabe, darauf hinzuwirken, dass der Rahmen für eine sorgfältige, individuelle Patientenbetreuung intakt bleibt.
Wie für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gilt das auch für die Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus oder im Öffentlichen Gesundheitsdienst. Eine Ausbeutung des ärztlichen Altruismus kann kein taugliches Konzept sein, um eine gute ärztliche Versorgung sicherzustellen.
Eine gute ärztliche Versorgung kann nicht darauf basieren, dass man die ethische Orientierung ausbeutet, sondern eine gute Versorgung braucht auch eine gute Finanzausstattung. Das berücksichtigen wir in unserem Vorstandsantrag, indem wir für die Krankenhäuser eine vollständige Refinanzierung der Tarifsteigerungen verlangen. Und davon sind wir ebenso weit entfernt wie von dem Ziel einer verlässlichen Finanzierung des Kliniksektors insgesamt.
Aber auch hierlassen sich durch beharrliches Ringen Fortschritte erzielen. Die Kolleginnen und Kollegen an den kommunalen Kliniken haben sich in diesen Tagen einen Tarifabschluss erkämpft, der sich sehen lassen kann, mit einem Plus – auf die Zeit bis zum 1.1.2014 gerechnet – von 5,2 Prozent und einer verbesserten Arbeitszeitgestaltung. 2,6 Prozent rückwirkend zum 1.1. an den kommunalen Kliniken, dann noch einmal 2,0 Prozent zum 1.1.2014 dazu, und in einem Volumen von 0,6 Prozent aufs Ganze gerechnet verbesserte Bezahlung der Bereitschaftsdienste in dem einzelnen Dienst auf die einzelne Stunde gerechnet von mindestens acht Prozent, das ist schon ein Schritt vorwärts. Aber wir verlangen jetzt auch eine komplette und vollständige Refinanzierung dieses Schrittes für die Krankenhäuser.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
im Krankenhaus wie in der Praxis beanspruchen wir Therapiefreiheit und versprechen eine sorgfältige Indikationsstellung, ausschließlich an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientiert. Deshalb ist es berufsethisch nicht erträglich, und wir haben das hier in unserer Kammerversammlung im November klar formuliert, wenn etwa Krankenhäuser ärztliche Führungskräfte für wirtschaftliche Risiken in Haftung nehmen, etwa durch fallzahlbezogene Bonuszahlungen in Zielvereinbarungen.Denn wenn man so etwas macht, dann bringt man im Grunde den einzelnen Arzt in Stellung, um wirtschaftliche Erwägungen in den Vordergrund zu stellen gegenüber der Sorgfalt in der Indikationsstellung.
Man weckt damit Zweifel an der Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung, und das kann einen erheblichen Vertrauensverlust bewirken. Deswegen ist es gut, wenn jetzt auf einzelne Leistungen bezogene Zielvereinbarungen eingedämmt werden. DieDeutsche Krankenhausgesellschaft soll nach einem Beschluss des Deutschen Bundestages bis Ende April in ihren Beratungs- und Formulierungshilfen für die Vertragsgestaltung mit leitenden Ärzten Empfehlungen abgeben, die solche Zielvereinbarungen, also auf einzelne Leistungen bezogene Zielvereinbarungen – ausschließen, und dies im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer.
Die Krankenhäuser werden verpflichtet, in ihren Qualitätsberichten anzugeben, ob sie sich an diese Empfehlungen halten. Und wenn sie sich nicht an diese Empfehlungen halten, sondern dennoch auf einzelne Leistungen bezogene Zielvereinbarungen treffen, dann müssen sie diejenigen Leistungen, auf die sich solche Zielvereinbarungen beziehen, im Qualitätsbericht des Krankenhauses bekannt geben.
Ich glaube nicht, dass das der Endpunkt der Entwicklung sein kann, ich glaube nicht, dass es da keine Umgehungstatbestände gibt, das wäre ja naiv. Natürlich gibt es die, natürlich kann man anfangen, mit Komplexleistungen zu arbeiten, oder man kann die leitenden Ärzte an globale Wirtschaftszahlen koppeln. Aber wir haben damit zum ersten Mal einen Beschluss, der deswegen, weil dieser wirtschaftliche Anreiz nicht gewünscht wird, auch eine konkrete gesetzgeberische Maßnahme verlangt. Ich glaube, dass dann deren Wirkung zu verfolgen und zu evaluieren sein wird. Wenn man dann sieht, dass es dennoch weitere Einflussmöglichkeiten gibt, die auch genutzt werden, dann werden wir uns in einer neuen Runde wiedersehen, und das ist eine gute Entwicklung.
Der Verdacht der Beeinflussung ärztlichen Handelns durch materielle Anreize ist zerstörerisch, und das hat sich im vorigen Jahr im Zusammenhang mit den Manipulationen bei der Organvergabe gezeigt.
Wir haben inzwischen viel geleistet, um das verloren gegangene Gefühl der Verlässlichkeit wiederherzustellen – durch Aufklärung, verschärfte Kontrollen von Transplantationszentren und neue Regelungen für die Organvergabe. Doch es bleibt viel zu tun. Wir sehen an den Zahlen zur Organspendebereitschaft, wie sehr es das Vertrauen der Menschen trifft, wenn dort Schummeleien passieren, und wenn noch dazu deren materieller Grund offenbar wird. Und deshalb werden wir uns als Kammer am bundesweiten Tag der Organspende, dessen zentrale Veranstaltung in diesem Jahr in Essen stattfindet, nach Kräften beteiligen und das Anliegen unterstützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Patient-Arzt-Beziehung ist sensibel, und sie verträgt keine Unterordnung unter die Vorgaben Dritter in den höchstpersönlichen Entscheidungen des Patienten und in den diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen der Ärztinnen und Ärzte. Das nennen wir Therapiefreiheit, und Therapiefreiheit, um das noch einmal deutlich zu sagen, Therapiefreiheit ist doch kein Privileg für uns Ärztinnen und Ärzte – tun zu können egal was und was immer uns einfällt und was immer wir wollen.
Sondern Therapiefreiheit ist ein Recht der Patienten auf ärztliche Kompetenz pur. Das ist der Sinn von Therapiefreiheit.
Diese Therapiefreiheit verteidigen wir gegen jeden Versuch der Manipulation durch finanzielle Anreize, und wir verteidigen sie auch gegen Richtlinien oder Anweisungen etwa von Arbeitgebern, wenn diese ärztlich nicht vertretbar sind. So könnte zum Beispiel eine Weisung, die „Pille danach“ aus der Beratung einer mutmaßlich vergewaltigten Frau auszuklammern, ärztlich nicht akzeptiert werden – auch wenn der Arbeitgeber ein katholisches Krankenhaus ist.
Sie haben sicher alle den Kölner Fall, auf den ich hier anspiele, in den Zeitungen verfolgt. Inzwischen hat sich ja vieles geklärt, und ichwill deshalb nur so viel sagen: In Situationen dieser Art ist es die Pflicht unserer Kammer, für eine fachlich korrekte Betreuung der Patientinnenund Patienten einzutreten und gleichzeitig auch Kolleginnen und Kollegen in möglichen Gewissenskonflikten zu unterstützen. Deshalb haben wir das persönliche Gespräch mit den verantwortlichen und unmittelbar betroffenen Ärztinnen und Ärzten gesucht, um uns ein genaues Bild zu machen und unsere Hilfe anzubieten.
Ich bin jedenfalls froh darüber, dass eine neue fachliche Betrachtung offensichtlich nicht nur im Kölner Erzbistum und bei dem dortigen Kardinal, sondern augenscheinlich ja inzwischen auch in der Deutschen Bischofskonferenz zu einer Neubewertung für die „Pille danach“ – jedenfalls in den Fällen, wo es um die Vermeidung einer Empfängnis nach einer Vergewaltigung geht – geführt hat. Die Kolleginnen und Kollegen haben unter einem starken Druck in ihren Häusern gestanden. Ich will diese Kammerversammlung nutzen, um dafür Danke zu sagen, dass man sich in der Notfallpraxis in Köln dazu entschieden hat, eine Versorgung vorzunehmen, wie sie dem Anspruch auf eine komplette Beratung und dem Anspruch auf eine eigene Entscheidung der betroffenen Frau entsprochen hat. Genau das schulden wir an allen anderen Behandlungsstellen auch.
Natürlich ist es immer ein Spannungsgefüge, wie sehr diese sensible Patient-Arzt-Beziehung, für deren Schutz wir eintreten, rechtlich gestaltet und rechtlich kodifiziert werden soll. Das war auch der Grund, warum wir ein Patientenrechtegesetz aus ärztlicher Sicht nicht unbedingt für nötig gehalten haben, zumal Deutschland bei den Patientenrechten eine internationale Spitzenstellung einnimmt – und ein solches Gesetzesvorhaben ja das Risiko einer Überregulierung und einer dadurch geradezu herbeigeführten Defensivmedizin beinhaltete.
Allerdings konnten wir schließlich nachvollziehen, dass die Bündelung der Patientenrechte in einem Gesetz mehr Transparenz für die Patientinnen und Patienten schaffen kann als die ausschließliche Beratung durch spezialisierte Rechtsanwälte über den jeweiligen Stand des Richterrechts – zumal wir ja auch nicht wissen, was in solchen Beratungsgesprächen im Einzelnen immer vorgetragen wird.
Es ist ja nicht so, dass jeder, der einen Behandlungsfehler beispielsweise befürchtet, dann automatisch zur Gutachterkommission kommt. Sondern 60 oder 70 Prozent der Betroffenen lassen sich ja auch an anderer Stelle beraten. Und deswegen haben wir uns dann auch auf der Ebene der Bundesärztekammer gegen das Vorhaben nicht mehr gesperrt, weil die erklärte Absicht eine Kodifizierung des geltenden Rechts, nicht aber dessen substanzielle Änderung war.
Im Ergebnis glaube ich auch, dass es sich jetzt um einen schonenden Eingriff handelt, der keine zusätzliche Belastung der Patient-Arzt-Beziehung herbeiführen sollte – auch weil über die beschlossenen Regelungen weit hinausgehende Forderungen, etwa nach einer deutlich zu Lasten der Ärztinnen und Ärzte erleichterten Beweislastumkehr in Haftungsprozessen, nicht durchgedrungen sind. Im Kern ist es bei der Bündelung der Vielzahl von Vorschriften in verschiedenen Rechtsbereichen geblieben.
Viele werden sagen, die Aufklärungs- und Dokumentationspflichten, die jetzt in eigenen BGB-Paragraphen drinstehen, sind aber doch erheblich. Ja – aber was jetzt im Gesetz steht, ist genau das, was vorher im Richterrecht auch galt. Man muss allerdings sorgfältig darauf achten, und wir werden das tun, ob sich nun auf der Basis eines neu kodifizierten und in Gesetzestexte gegossenen bisherigen Richterrechts für die Gerichte neuer Anlass für neue Interpretationen ergibt, und ob sich von dort aus nun ein neues Richterrecht entwickelt. Und deswegen werden wir Ihnen über die Auswirkungen, die das hat, zu gegebener Zeit auch wieder berichten.
Wegen einer möglichen Einschränkung der Patientenrechte macht uns derzeit eine von der EU-Kommission angestrebte Vereinheitlichung und Vereinfachung der europäischen Regeln für Arzneimittelversuche am Menschen Sorgen. Denn in dem Vorschlag der EU-Kommission ist die Zustimmung einer unabhängigen, interdisziplinär besetzten Ethikkommission zu klinischen Versuchen mit Arzneimitteln am Menschen nicht mehr ausdrücklich vorgesehen. Bisher sieht die EU-Richtlinie das vor, und die jetzt geplante Verordnung verzichtet darauf. Und zudem soll nach den Plänen der Kommission ein einzelner Mitgliedsstaat federführend über die Zulassung von klinischen Studien entscheiden können – und das hatzu der Befürchtung geführt, dass hohe ethische Standards unterlaufen werden könnten.
Ich habe zwar den Eindruck, dass die Zeichen, im Laufe des europäischen Gesetzgebungsverfahrens Verbesserungen zu erreichen, heute etwas günstiger sind als noch vor zwei Monaten. Aber die Forderung danach, eine entbürokratisierte und europaweit einheitliche Regelung zu machen, die es der industrieunabhängigen Forschung leichter machen soll, die höre ich wohl – aber das darf nicht zu Lasten der Sicherheit gehen und nicht dazu führen, dass im Ergebnis sich die Industrie aussuchen kann, in welchem Staat die ethischen Regeln am niedrigsten sind, und wo sie sich dann die Ergebnisse für die Versuche abholt.
Bei uns im Land wird binnen Jahresfrist die Verordnung zur Präimplantationsdiagnostikumzusetzen sein, der nun auch der Bundesrat zugestimmt hat. 2014 tritt sie in Kraft, bis dahin bleibt es bei der bisherigen Rechtslage, dass Präimplantationsdiagnostik untersagt ist. Der Gesetzgeber hatte ja bereits vor eineinhalb Jahren Gentests an künstlich erzeugten Embryonen in eng begrenzten Ausnahmefällen grundsätzlich ermöglicht.
Wenn man sich die PID-Verordnung anschaut, dann muss man gespannt sein, ob es wirklich bei eng begrenzten Ausnahmefällen bleibt. Es ist ja damals immer gesagt worden, das werden nicht mehr als 300 Fälle im Jahr sein.Die Länder werden nun über die Zulassung von PID-Zentren zu entscheiden haben, und die Länder werden auch die Mitglieder der unabhängigen und interdisziplinär besetzten Ethikkommissionen berufen, die im Rahmen eines Verfahrens die Anträge auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik bewerten werden.
Wenn ich von bewerten spreche, dann stellt sich für uns die Frage, findet wirklich eine ethische Bewertung im Einzelfall statt? Oder mündet das in eine Art Verwaltungsverfahren ein, bei dem gewissermaßen die Genehmigungsvoraussetzungen nach der Papierform ohne jeden Kontakt mit den zu Beratenden schon gegeben sind?
Sie wissen, dass ich die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik persönlich, auch im Deutschen Bundestag, abgelehnt habe. Ich glaube dennoch: in dem Fall, dass es einen Bewertungsspielraum gibt, dürften wir als Kammer uns der Aufgabe stellen, eine solche Ethikkommission bei uns anzusiedeln. Wir könnten das dem Land anbieten.
Wenn es aber nach genauer juristischer Prüfung so sein sollte, dass das nur eine Verfahrensprüfung ist und dass man gewissermaßen gar keine Differenzierung hat, sondern nur nach der Papierform entscheiden muss – dann würde ich sagen, muss man sich andere Gedanken machen, wie man vermeiden kann, dass ethische Standards unterlaufen werden.
Also: Wir bieten der Landesregierung bei der Umsetzung der Verordnung unsere Mitarbeit an, aber das heißt noch nicht, dass wir uns damit einverstanden erklären, dafür eine eigene Ethikkommission bei uns anzusiedeln. Das bedarf noch einer zusätzlichen Prüfung.
Am vorigen Donnerstag gab es im zuständigen Landtagsausschussfür Arbeit, Gesundheit und Soziales eine Anhörung zum Entwurf des neuen Krankenhaus-Rahmenplans, den das Landeskabinett kurz vor Weihnachten verabschiedet hatte. Alles in allem lässt sich sagen: Die Richtung stimmt. Nordrhein-Westfalen macht sich auf den Weg zu einer qualitätsorientierten Krankenhausplanung, und als gesetzliche Mitglieder im Landesausschuss für Krankenhausplanung haben die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe in einer Art ständiger Gutachterrolle und als institutionalisierte Politikberatung an den Vorbereitungen daran intensiv mitgearbeitet.
Der vorliegende Entwurf zielt auf das Jahr 2015. Zwei Entwicklungen zeigen sich: Zum einen in den somatischen Disziplinen ein Bettenabbau gegenüber den bisherigen Planwerten, der in einzelnen Disziplinen im Vergleich zu bisherigen Planwerten bis zu über 30 Prozent reicht. Wenn man ihn mit der bisherigen tatsächlichen Nutzung vergleicht, fällt er natürlich weit geringer aus. Im Bettenplan stehen teilweise noch Betten, die die Krankenhäuser längst abgebaut haben, die es also in Wirklichkeit im Betrieb nicht mehr gibt.
Vielerorts ist das so, und gleichzeitig – das ist die andere Seite – steht dem Bettenabbau auch ein Bettenzuwachs gegenüber, insbesondere in der Geriatrie und in der Neurologie, überdies auch in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, in der Neurochirurgie, in der Nuklearmedizin in der Strahlentherapie, in der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Überall dort ist ein Bettenzuwachs geplant, zum großen Teil auch verglichen mit der Inanspruchnahme 2010.
Im Saldo kommt die Landesregierung zu dem Ergebnis, dass 2015 rund 9.600 stationäre Betten weniger benötigt werden als nach dem Plan von 2010. Das entspricht 8 Prozent aller Planbetten.
Wenn man ins Land hört – akut habe ich zum Beispiel entsprechende Meldungen aus der Stadt Münster oder auch bei uns aus der Städteregion Aachen –, dann sind die Häuser zum Teil so knackvoll belegt, dass man sich fragt, wie soll denn da ein zusätzlicher Abbau verkraftet werden? Deswegen hängt das meiste an der Regionalbetrachtung. Denn wenn der Plan in Kraft gesetzt ist, schließt die Regionalbetrachtung an, und die ist von dem Plan nicht vorgegeben. Dort wird man auf die regionalen Besonderheiten achten müssen, und in dieser Aufgabe haben wir mit unseren Kammerstrukturen, beispielsweise mit unseren Bezirksstellen oder auch mit der Diskussion in den Kommunalen Gesundheitskonferenzen, an denen wir beteiligt werden, eine wichtige Aufgabe.
Alles über alles ist unser Eindruck, dass die Planung mit Augenmaß erfolgt ist, dass Abrissbirne und Presslufthammer im Depot geblieben sind und dass man ungenutzte Bettenkapazitäten nicht künstlich konserviert. Das meiste wird wie gesagt von der örtlichen Umsetzung abhängen, und hier kommt dann die eigentliche Bewährungsprobe. Soviel zu den Quantitäten.
Jetzt zu der Frage der Qualität. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass es ein Konzept der Qualitätsorientierung in der Krankenhausplanung gibt. Darunter verstehen wir qualitätsorientierte Strukturvorgaben, die allen Beteiligten Klarheit darüber verschaffen, welche Eigenschaften eine plankonforme Abteilung aufweisen muss, damit sie Anspruch auf Versorgungsverträge oder auch auf Berücksichtigung bei der Investitionsfinanzierung hat.
Zentrales Qualitätskriterium aus unserer Sicht ist die Zahl und Qualifikation der beschäftigten Ärztinnen und Ärzte. Dabei sind uns Formulierungen wie „einschlägig qualifiziert“ oder „mit fundierten Kenntnissen und Erfahrungen“ zu schwammig. Ein Arzt ohne Facharztqualifikation muss im Zweifel jederzeit, auch nachts und am Wochenende, auf die Unterstützung eines erfahrenen Facharztes zurückgreifen können. Dies ist ohne die Beschäftigung einer Mindestzahl von Ärzten mit Facharztstatus nicht zu gewährleisten.
An dieser Stelle ist uns die aktuelle Fassung des Plans nicht klar und konkret genug. Auch für Kompetenzen wie die Gefäßchirurgie oder die Kardiologie muss gelten, dass mindestens die Abteilungsleitung und die jeweilige Stellvertretung über eine der Fachabteilung entsprechende Facharztanerkennung verfügen müssen. Wir werden daran mitarbeiten, das Konzept weiterzuentwickeln, umes auch auf Bundesebene in Beratungen der Bundesärztekammer einzubringen.
Die Krankenhäuser wehren sich zum Teil mit zwei Argumenten dagegen: Sie sagen einmal, es muss doch die Möglichkeit zu Ausnahmen geben: wenn ein Chefarzt wechselt, wenn der Chefarzt und der Leitende Oberarzt lange erkranken, dann darf doch die Abteilung nicht sofort untergehen.
Ja, aber das fragt nach dem Verhältnis von Regel und Ausnahme. Man kann doch nicht in der Regel schon sagen, dass man in einer gefäßchirurgischen Abteilung keinen Gefäßchirurgen braucht, dann kann ja praktisch jeder eine Gefäßchirurgie aufmachen. Das sind doch Etiketten, es geht doch um Inhalte. Und wo Gefäßchirurgie draufsteht, aber kein Gefäßchirurg drin ist, dann ist das auch keine Gefäßchirurgie. So viel muss man der Qualität schon schulden.
Dann gibt es ein zweites Argument, das zielt auf die Frage: In der Weiterbildung gibt es doch auch Ärzte, die den Facharztstandard erfüllen, indem sie beispielsweise als angehende Chirurgen eine Appendektomie fachkonform machen können – und warum dann den Facharzt vorschreiben, wenn man auch als Nicht-Facharzt Facharztstandard erbringen kann?
Da besteht eben der Unterschied: In der einzelnen Situation kann man eine Leistung, für die man gewissermaßen den Weiterbildungsteil schon absolviert hat, natürlich ordentlich machen. Aber es muss doch auch dann gewährleistet sein, wenn eine Komplikation eintritt, wenn etwas Unerwartetes passiert, dass dann der Facharzt dazukommt. Das ändert nichts daran, dass natürlich der in der Weiterbildung Befindliche nach Facharztstandard eine Leistung erbringen kann. Aber das bedeutet nicht, dass man die ganze Abteilung so organisieren kann, dass man sich darauf verlässt, dass Unangeleitete in der Lage sind, die Facharztstatus-Qualität zu ersetzen. Das haben wir auch in der Anhörung relativ deutlich rübergebracht, und das müssten die eigentlich inzwischen verstanden haben.
Zu den wichtigsten Aufgaben unserer Ärztekammer gehört die Organisation einer fachlich und methodisch qualifizierten und von kollegialem Engagement geprägten Weiterbildung. Eine gute Weiterbildung in ärztlicher Regie ist wie die Freiberuflichkeit eine der tragenden Säulen unseres Berufes und unserer Selbstverwaltung.
Deshalb haben wir inzwischen bereits zweimal seit 2009 die Weiterbildung in Befragungen evaluiert und uns anhand der Ergebnisse gefragt, wo noch unerschlossene Potentiale für eine bessere Qualität gehoben werden können.
Im Ergebnis haben wir die Veranstaltungsreihe der Strukturierten Dialoge auf den Weg gebracht, um die Kommunikation zwischen den in Weiterbildung stehenden Kolleginnen und Kollegen, den Weiterbildungsbefugten, Vertretern der Fachgesellschaften, der Berufsverbände und der Kammer zu intensivieren und Best-practice-Modelle auszutauschen.
Seit September 2011 hat es nun 17 Veranstaltungen dieser Art gegeben – hier im Haus der Ärzteschaft und dezentral in Universitäten und Krankenhäusern. Für dieses Jahr 2013 sind bisher über 20 terminiert.
Diesen Weg zu gehen heißt, dass wir nicht nur eine Evaluation machen, sondern anschließend auch aus der Evaluation Konsequenzen ziehen, und das sind wir denen schuldig, die wir in der Evaluation nach ihrer Meinung gefragt haben.
Außerdem kommen wir dem von Seiten der Weiterbilder formulierten Bedürfnis nach systematischer Fortbildung inDidaktik, Erwachsenenbildung und Konfliktmanagement durch entsprechende Angebote nach. Wir haben einen neuen Kurs „Entwicklungsgespräche“ konzipiert, der sich mit der Arzt-Arzt-Kommunikation befasst. Hier werden Situationen wie „Weiterbildungsgespräch“ und „Visiten-Konflikt-Gespräch“ trainiert.
Als Beitrag zu einer Kultur der Fehlervermeidung, die in der Evaluation unterdurchschnittlich bewertet wurde, hat unser nordrheinisches Institut für Qualität einen Kurs zur Fehlervermeidungs-Kultur ins Leben gerufen. Außerdem haben wir gemeinsam mit unserer Schwesterkammer Westfalen-Lippe und der Krankenhausgesellschaft das einrichtungsübergreifende CIRS NRW an den Start gebracht, mittlerweile haben sich auch die beiden Kassenärztlichen Vereinigungen der Initiative angeschlossen.
Nicht zuletzt geht es auch um besser strukturierte Abläufe in der Weiterbildung, unterstützt etwa durch Muster-Weiterbildungspläne. Und last but not least benötigen wir als Kammer auch bessere Informationen über die in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte, weil wir nur dann diesen Kolleginnen und Kollegen gezieltere Angebote unterbreiten können. Das ist in der vom Vorstand beschlossenen Änderung der Meldeordnung berücksichtigt, die Ihnen unser Vizepräsident Bernd Zimmer anschließend unter TOP 2noch im Einzelnen erläutern wird.
Ebenso wie aus den Befragungen zur Weiterbildung wollen wir auch aus der Befragung der ehrenamtlichen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger zur Arbeit unserer Kammer Nutzen und Lehren ziehen. Der Vorstand hat sich bereits intensiv mit den Befragungsergebnissen befasst und erste Ideen entwickelt. Zu diesem Thema wird Ulrich Langenberg, unser Stellvertretender Geschäftsführer im politischen Ressort, unter TOP 4 berichten. Wir kommen dann darauf zurück. Sie alle haben ja sorgfältig die Auswertungen gelesen, die wir ihnen übermittelt haben. Ich habe von dem einen oder anderen gehört, dass das ungewöhnlich sei, dass man diese Auswertungen in einer solchen Offenheit kommuniziere. Ich bedanke mich für diese Rückmeldung, aber ich finde: wie sollen wir die richtigen Konsequenzen ziehen, wenn wir es intransparent machen, wie diese Auswertungen ausgefallen sind?
Zu einem Erfolgsmodell entwickelt sich unser elektronischer Arztausweis light, mit dem Ende Februar bereits 4669 Kolleginnen und Kollegen ausgestattet waren. Täglich kommen etwa 50 neue hinzu. Seit Ende Februar haben Vertragsärztinnen und -ärzte die Möglichkeit, sich mit dem eA-light im Portal der KV Nordrhein für die Online-Abrechnung zu authentifizieren. Für Sie als ehrenamtlich Tätige in der Kammer ist es möglich, über das Kammer-Portal mit dem eA-light auf die zu den Gremien hinterlegten Informationen zuzugreifen. Ich glaube, das kann sich alles sehen lassen.
So wie eine gute Kommunikation zwischen Weiterbilder und in Weiterbildung befindlichen Kolleginnen und Kollegen die Qualität der Weiterbildung positiv beeinflusst, so hat eine gute Kommunikation zwischen Arztund Patient entscheidenden Einfluss auf die Therapietreuedes Patienten und damit den Behandlungserfolg. Aus Sicht des Vorstandes unserer Kammer gehört eine gute Kommunikationsfähigkeit - gerade im Patientenkontakt – zu unserem unverzichtbaren Handwerkszeug. Mancher mag diese Fähigkeit aufgrund einer natürlichenGabe und seiner ärztlichen Grundhaltung oder aufgrund guter Vorbilder schon besitzen, aber für uns Normalsterbliche gilt in aller Regel, dass gute Kommunikation gelernt sein möchte. Deshalb setzen wir uns entschieden dafür ein, diesem Zukunftsthema in Aus-, Weiter- und Fortbildung gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.
Konsequenterweise sehen wir uns auch in der Pflicht, etwas für die Sprachkompetenz der Kolleginnen und Kollegen zu tun, denen es an dieser Sprachkompetenz manchmal mangelt, wenn sie nicht aus dem deutschsprachigen Raum stammen. In Nordrhein-Westfalen wird die Sprachkompetenz von Ärztinnen und Ärzten in der Regel durch ein Sprachzertifikat B2, bei dem eine Konversation mit Muttersprachlern ohne beiderseitige Anstrengung nachzuweisen ist, und einem Test der Fachsprache vor den Bezirksregierungen nachgewiesen.
Bei diesem grundsätzlich vertretbaren Ansatz kommt es, so melden uns unsere Mitglieder zunehmend, jedoch zu einer Divergenz zwischen Theorie und Praxis. Die Sprachkurse führen wohl nicht immer auf das erforderliche Niveau, was wiederum bei den Prüfungen nicht immer eindeutig festgestellt wird.
Es gibt ja Fälle, in denen am Vermitteln von Kollegen nach Deutschland interessierte Unternehmen im Ausland auftreten, und dort den Ärztinnen und Ärzten sagen: Wir bahnen Dir den Weg nach Deutschland, und wir schicken Dich jetzt in einen preiswerten Sprachkurs. Wenn Du den machst, können wir Dir fast garantieren, dass Du anschließend ein wunderbares Zeugnis bekommst, und wenn Du das dann in Deutschland vorzeigst, ist alles in Butter.
Da gibt es leider manche bittere Enttäuschung. Das sind auch bittere Enttäuschungen für die Betroffenen, die sich auf den Weg hierher machen. Der Ausgleich kann nicht alleine darin bestehen, dass Muttersprachler deutscher Sprache in einer Abteilung die Sprachkompetenz ersetzen, die den anderen fehlt, und praktisch nur noch derjenige, der aus dem Ausland hierher kommt und die Sprache nicht beherrscht, Operationen durchführt und Behandlungen und alles, was dazu erläutert und erklärt werden muss, das machen dann die, die hier ihre Ausbildung absolviert haben. So geht es natürlich auch nicht, und das hat nichts mit wenig offenen Armen zu tun, im Gegenteil, unsere Arme sind offen.
Doch kann es nicht sein, dass sich die sprachliche Verständigungsfähigkeit nur durch das Dolmetschen der Kolleginnen und Kollegen ergibt, die ohnehin selbst bis an die Halskrause belastet sind.
Deshalb wollen wir, dass die Kursqualität verbessert wird, dass sie zertifiziert wird. Wir wollen den einwandernden Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben, das erforderliche Sprachniveau zu erreichen. Wir wollen die Prüfung praxisnäher gestaltet sehen. Es kann nicht nur um Leseverständnis gehen, sondern es muss um Patientenanamnese, um Dokumentation,um Übergabe an Kollegen im Rahmen eines Visitengespräches gehen, das sind zentrale Punkte. Das kann man nicht allein durch Zertifizierung der Kurse in der Eigenverantwortung von Sprachschulen schaffen, wie vom Ministerium vorgeschlagen, sondern man muss das an eine staatliche Stelle oder Körperschaft binden, und man muss diesen Vorgang auch sicher finanzieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zum Schluss will ich nochmal auf die Bemerkung zurückkommen, mit der dochspürbar besser gewordenen Stimmungslage. Ich habe ja schon von den Kampagnen gewisser Kassenfunktionäre gesprochen, in denen Ärzte kollektiv in die Korruptionsecke gestellt werden.
Ich teile die Wut und Empörung von Kolleginnen und Kollegen über so etwas, also öffentliche Schlammschlacht startend zu dem Zeitpunkt, zu dem wir den Deutschen Ärztetag eröffnen, und am gleichen Tag gehen die hin und betreiben eine Desorientierung der Bevölkerung durch – noch dazu falsch interpretierte – Zahlen aus einer windelweichen Untersuchung. Das sind Unter-der-Gürtellinie-Kampagnen, und das lassen wir uns nicht gefallen.
Deswegen möchte ich Ihnen vortragen, was wir in einer großen Übereinstimmung von 13 ärztlichen Organisationen auf Bundesebene bei der Bundesärztekammer dazu gesagt haben:
Ich zitiere das einmal:
Wir – die ärztlichen Spitzenverbände – verurteilen jegliche Form der Korruption! Wir setzen uns für die vollständige Aufdeckung und die angemessene Ahndung ein.
Wir wehren uns aber entschieden gegen die fortgesetzte Skandalisierung unseres Berufsstandes, die das Vertrauen der Menschen in ihre medizinische Versorgung nachhaltig erschüttert. Unausgesprochenes, aber deutlich erkennbares Ziel der Diffamierungskampagnen der Krankenkassen ist es, die Ärzteschaft unter einen permanenten Generalverdacht zu stellen, um sich Vorteile bei gesundheitspolitischen Strukturentscheidungen zu verschaffen. Sie nehmen dabei billigend in Kauf, dass Patienten Vertrauen verlieren und Ärzte in Klinik und Praxis dauerhaft demotiviert werden. Wir fordern deshalb Politik und insbesondere die Kostenträger dazu auf, die aus Einzelfällen abgeleitete Desavouierung eines ganzen Berufstandes zu beenden und zu einer sachlichen Diskussion mit allen Beteiligten zurückzufinden.
Die Ärztinnen und Ärzte halten sich an Recht und Gesetz – dies ist und bleibt die Regel und nicht die Ausnahme!
Immer wieder – wie eine Vorverurteilung – vorgetragene Verdachtsfälle dienen vor allem zur politischen Diskreditierung unseres Berufsstandes. Sie sind dabei in erheblichem Maße auf die hohe Komplexität rechtlicher Regelungen zum Arztberuf zurückzuführen. Wie kein anderer Beruf sieht sich der Arzt einer unüberschaubaren Zahl gesetzlicher und untergesetzlicher Regelungen gegenüber. Diese zunehmende Überregulierung unseres Gesundheitssystems führt dazu, dass Ärztinnen und Ärzten immer weniger Zeit für ihre ureigenste Aufgabe haben, den Dienst am Patienten.
Die ärztlichen Spitzenverbände fordern deshalb, endlich die Dynamik der weiteren Verrechtlichung ärztlicher Tätigkeit zu durchbrechen und den notwendigen Raum für Therapiefreiheit und Verantwortung wiederherzustellen.
Zitat Ende
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das haben 13 ärztliche Organisationen auf Bundesebene unterschrieben – und ich glaube, es spricht uns aus dem Herzen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.