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Bericht zur Lage bei der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein am 17. März 2012 in Düsseldorf


Aktuelle Themen der Berufs- und Gesundheitspolitik

Sehr verehrte Frau Ministerin,
sehr verehrte Damen,
sehr geehrte Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Bürgerinnen und Bürger von Nordrhein-Westfalen haben wir in dieser Woche erlebt, dass und wie die Landesregierung nach 19 Monaten im Amt mit ihrem Haushaltsentwurf im Landtag gescheitert ist. Daraufhin hat der Landtag sich innerhalb weniger Stunden mit den Stimmen aller Abgeordneten aufgelöst. Seit gestern steht fest, dass die nun notwendigen Neuwahlen am 13. Mai stattfinden werden.

Alle laufenden Gesetzgebungsverfahren sind damit abgebrochen. Das betrifft zum Beispiel die im Gesundheitsministerium vorbereitete und so gut wie kabinettreife Reform des Nichtraucherschutzgesetzes. Für den Donnerstag dieser Woche hatte ich zugesagt, mich auf einer Pressekonferenz des Aktionsbündnisses Nichtrauchen zusammen mit dem Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe und dem Ärztlichen Direktor der Ruhrlandklinik Essen für eine größere Konsequenz und ein wirklich umfassendes Rauchverbot in der Gastronomie nach dem Vorbild Bayerns einzusetzen. Ein ärztlicher Appell für einen konsequenten Nichtraucherschutz in Nordrhein-Westfalen, den beide Ärztekammern unseres Landes und sieben ärztliche Gesellschaften unterzeichnet haben, sollte an alle Abgeordneten des Landtages gerichtet werden.

Das hätte gut zu der am Dienstag veröffentlichten Studie der Deutschen Angestellten-Krankenkasse gepasst, an der sich die segensreiche präventive Wirkung der Nichtraucherschutzgesetzgebung der vergangenen Jahre erweist. Seit Einführung der Nichtraucherschutzgesetze 2007 und 2008 sind bei mehr als drei Millionen DAK-Versicherten die Klinikbehandlungen wegen eines Herzinfarkts um acht Prozent und die wegen einer Angina pectoris um 13 Prozent zurückgegangen. Die Veranstalter haben die Pressekonferenz abgesagt, weil jetzt erst einmal andere Schlagzeilen in den Vordergrund gerückt sind. Wir werden auf diese Aktion zurückkommen, sobald das Thema wieder aktuell wird.

Auf dem Gesundheitskongress des Westens am Mittwoch und Donnerstag in Köln haben Sie, Frau Ministerin Steffens, darauf hingewiesen, dass der nun einsetzende Wahlkampf das geschäftsführend weiter amtierende Kabinett nicht daran hindert, seine Arbeit fortzusetzen und dass deshalb beispielsweise auch die Arbeit am neuen Krankenhausplan für Nordrhein-Westfalen weitergeht.

An dieser Planung wirkt unsere Ärztekammer mit wesentlich mehr Einfluss mit als das früher der Fall war und wir sind dankbar, dass dies auch in den vergangenen beiden Jahren so geblieben ist – ich komme darauf zurück.

Die Mitglieder der geschäftsführenden Landesregierung werden auch weiterhin an den Entscheidungen im Bundesrat teilnehmen.

Auch in dieser Kammerversammlung wollen wir uns mit den gesundheitspolitischen und gesundheitlichen Entwicklungen unserer Tage befassen. Ich bin Ihnen, Frau Ministerin Steffens deshalb ausgesprochen dankbar, dass Sie an Ihrer Zusage festgehalten haben, in diese Kammerversammlung zu kommen und das mit der ausdrücklichen Ankündigung, dass wir hier keinen Wahlkampf machen wollen.

Ich begrüße Sie sehr herzlich und bin froh, dass Sie bei uns sind. Wir freuen uns auf eine gute Diskussion.

Als der schon erwähnte Landeskrankenhausplan von 2001 erarbeitet wurde, saßen wir noch in der zweiten Reihe. Das Landeskrankenhausgesetz von 2008 hat dann der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Krankenhausplanung auf den Sachver­stand der Ärzteschaft nicht verzichten kann. Seitdem sind die Ärztekammern unmittelbar beteiligt und haben im Landesausschuss für Krankenhausplanung Sitz und Stimme.

Die Krankenhauskommission unserer Kammer begleitet den gesamten Prozess der Neuaufstellung des Krankenhausplanes intensiv mit. So kann der Vorstand seine Entscheidungen auf einer fundierten Grundlage treffen.

Bei allen Einzelentscheidungen werden die Bezirksstellenvorsitzenden als Vertreter der Regionen mit einbezogen. Das ist uns wichtig, denn das Detailwissen über die konkreten Verhältnisse vor Ort ist eine unserer Stärken.

Wir haben als Kammer unsere Rolle als fachkompetenter Vermittler zwischen den oft gegensätzlichen und häufig wirtschaftlich motivierten Interessen der übrigen Beteiligten schnell gefunden. Wir haben immer wieder Impulse für eine bessere Versorgung gegeben, sei es im Bereich der stationären Notfallversorgung oder der Psychosomatik, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Wir haben in diesen und anderen Fragen immer wieder gezeigt, was unsere besondere Rolle ist: Den medizinischen Sachverstand der verschiedenen Experten und Fachgruppen, die ja stets eine ganz eigene Perspektive und berechtigte Interessen haben, zusammenzubringen und damit ein fundiertes Gesamturteil zu ermöglichen.

Ich lege mich darauf fest, dass auch Sie, Frau Ministerin, inzwischen aus eigener Erfahrung bestätigen können: Die Ärztekammern stehen in der Krankenhausplanung nicht für Lobbyinteressen, sondern für den medizinischen Sachverstand der Ärzte­schaft als Ganzes und für das Anliegen patientengerechter, sinnvoller Versorgungs­strukturen. In diesem Sinne werden wir auch in Zukunft mit voller Kraft an der Krankenhausplanung mitwirken.

Sehr verehrte Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der Kooperation liegt unsere Zukunft, hat unser Vizepräsident Bernd Zimmer hier in unserer Versammlung im vorigen November gesagt. Ich kann das nur unter­strei­chen. Weil die Zukunft in der Kooperation liegt, hat sich diese Kammerversammlung wiederholt für eine bessere sektorenübergreifende Versorgung eingesetzt. Der frühere Paragraph 116 b des Sozialgesetzbuchs V hat leider zum Gegenteil geführt, nämlich zu massiven Konflikten.

Das Versorgungsstrukturgesetz eröffnet nun die Chance für einen neuen Anlauf. Das halten wir für richtig, und deshalb wollen wir uns als Ärztekammer Nordrhein um das Thema intensiv kümmern - und unseren Sachverstand einbringen in das Gemein­same Landesgremium, das Empfehlungen zu sektorübergreifenden Versorgungs­fragen abgeben kann und soll.

Nach dem neuen Paragraphen 90a sind Landesregierung und Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenhausgesellschaft als Mitglieder dieses Gremiums gesetzt. Die weitere Zusammensetzung ist auf der Landesebene zu entscheiden.

Auch wir wollen dort mitwirken und die sektorenübergreifende ärztliche Perspektive einbringen. Wir glauben, dass wir aus unserer - die Versorgung in Klinik und Praxis umfassenden - Perspektive sehr viel zu einer erfolgreichen Arbeit des neuen Gremiums beitragen können.

Wir vereinen alle Ärztinnen und Ärzte, wir sind die Brücke zwischen Krankenhaus und Praxis. Und wir haben, wie ja bei der Krankenhausplanung bereits bewiesen, immer die Qualität der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten im Blick.

Dass die Kammern keine Vertragspartner im unmittelbaren Versorgungsgeschehen sind, ist überhaupt kein Gegenargument, denn gerade das erleichtert uns ein neutrales Urteil.

Außerdem tragen wir als öffentlich-rechtliche Körperschaft schon lange große Verantwortung für die Versorgungsqualität. So hat uns der Gesetzgeber die ärztliche Weiterbildung anvertraut, und ohne eine gute Weiterbildung ist eine gute Versorgung gar nicht denkbar. Wir nehmen darüber hinaus nach dem Heilberufsgesetz eine Vielzahl weiterer öffentlicher Aufgaben wahr - von der Berufsaufsicht und der Qualitätssicherung bis hin zu den Ethikkommissionen.

Frau Ministerin,

nutzen Sie unsere sektorenübergreifende Expertise und befürworten Sie Sitz und Stimme der Ärztekammern in dem Gemeinsamen Gremium. Seien Sie sicher, wir werden dort wesentliche Beiträge leisten, um Kämpfe um Claims in den Hintergrund zu rücken und die Versorgung und das Wohl unserer Patientinnen und Patienten vor Ort in den Vordergrund.

Ganz herzlich gedankt sei Ihnen an dieser Stelle noch einmal für Ihren engagierten Einsatz gegen die willkürliche Benachteiligung Nordrhein-Westfalens in der ambu­lanten vertragsärztlichen Versorgung. Wir sind froh, dass Sie hier genauso engagiert agieren wie Ihr Vorgänger Karl Josef Laumann.

Wir sind wie Sie enttäuscht, dass nicht einmal die bereits im SGB V verankerte Konvergenzregelung zu einer Verbesserung geführt hat. Gemeinsam müssen wir uns weiterhin dafür einsetzen, die die willkürlichen Vergütungsdifferenzen zwischen Nordrhein-Westfalen und anderen Ländern beseitigt werden. Es bleibt ein Unding, dass bei uns in NRW für die ärztliche Versorgung bei den Vertragsärzten 40 bis 60 Euro pro Jahr weniger zur Verfügung stehen als in München oder Berlin. Ich kann verstehen, warum die CSU daran nichts ändern will, aber mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun.

Das ist ja nicht nur für uns Ärztinnen und Ärzte ein Problem, die wir unsere Patientinnen und Patienten gut versorgen wollen. Auch den Versicherten in NRW ist diese Situation kaum zu erklären: Sie zahlen den bundeseinheitlichen Krankenversicherungsbeitrag, aber für ihre Versorgung steht weniger Geld zur Verfügung als in anderen Ländern. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.

Eine Lösung des Problems ist leider derzeit nicht in Sicht. Da wird verwiesen auf die regionalen Verhandlungen. Aber wie soll NRW ins Mittelfeld aufschließen, wenn die Ausgangsbasis für die Verhandlungen der Status quo ist? Die dazu notwendigen Zuwächse werden die Kassenärztlichen Vereinigungen ohne ausreichenden politischen Flankenschutz kaum durchsetzen können. Das ist ebenso unerfreulich wie die Tatsache, dass insgesamt ein einfaches und leistungsgerechtes Vergü­tungssystem für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte in weite Ferne gerückt scheint. Hier haben wir alle noch viel Arbeit vor uns.

Es kann auch nicht so bleiben, dass sich unsere Krankenhäuser im Ländervergleich vergütungsmäßig im Tabellenkeller befinden. Für eine Gelenkspiegelung erhält zum Beispiel ein Krankenhaus in Rheinland-Pfalz rund 130 Euro mehr als in NRW, bei einer Blinddarmoperation gibt es jenseits der Landesgrenze 170 Euro mehr.

Verehrte Frau Ministerin,

ein weiteres Thema liegt uns so sehr am Herzen, dass unser Vorstand dafür heute einen eigenen Tagesordnungspunkt angesetzt hat. Es geht um die Novelle der Approbationsordnung. Vertreter der Medizinstudierenden werden heute Nachmittag hier sprechen.

Die Studenten fordern, und wir fordern es heute mit ihnen: Das Hammerexamen muss weg.

Dieses Ziel ist in greifbarer Nähe. Eine Verordnung des Bundesgesund­heits­ministeriums zur Änderung der Approbationsordnung sieht nun endlich die Abschaffung des Hammerexamens vor. Der schriftliche Teil des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung soll vor das Praktische Jahr verlegt werden. Die Studentinnen und Studenten könnten sich dann während des PJ auf die klinisch-praktische Tätigkeit konzentrieren, ohne dass sie sich gleichzeitig auf die schriftlichen Prüfungen vorbereiten müssen.

Das wäre ein echter Fortschritt. Doch leider blockt der Bundesrat derzeit die Novelle. Gestern haben wir erfahren, dass der Bundesrat sich wegen der Beratungen in seinen Ausschüssen nun frühestens im Mai mit der Novelle befassen kann. Das liegt zum einen an Einwänden des Medizinischen Fakultätentages gegen erweiterte Wahlmöglichkeiten im PJ. Der Fakultätentag pocht darauf, dass die Unikliniken sich die Lehrkrankenhäuser für die praktische Ausbildung auch künftig selbst aussuchen dürfen.

Das Bundesgesundheitsministerium dagegen will die Wahl weiterer geeigneter Krankenhäuser – außerhalb der Uni-Klinik der Heimatuniversität und der ihr zugeordneten Lehrkrankenhäuser – möglich machen. Der Fakultätentag argumentiert, das sei rechtlich nicht zulässig, organisatorisch nicht zu leisten und mit Qualitätsverlusten verbunden.

Hier müssen sich die Fakultäten den Vorwurf gefallen lassen, ziemlich einseitig pro domo zu argumentieren - zumal PJ-Studierende nicht nur vereinzelt Zweifel an deren Objektivität bei den bisherigen Auswahlentscheidungen und auch an der Qualität der praktischen Ausbildung äußern.

Warum denn Angst haben vor der Freiheit der Studierenden bei der Wahl ihrer Lehrstätte - statt darin die Chance zu einem Wettbewerb um Qualität zu sehen?

In einem weiteren strittigen Punkt, Frau Ministerin, geht es den Studierenden um Wahlfreiheit. Sie wollen kein allgemeinmedizinisches Pflichttertial, wie es im Gesundheitsausschuss des Bundesrates ins Spiel gebracht worden ist.

Ich kann das gut nachvollziehen. Denn der Mangel an Hausärzten lässt sich doch nur durch positive Anreize bekämpfen – in der Ausbildung, in der Weiterbildung sowie in der beruflichen Tätigkeit selbst. Ein allgemeinmedizinisches Zwangstertial hingegen muss von den Studierenden als Einschränkung ihrer beruflichen Orientierungsmöglichkeiten begriffen werden. Die Idee ist deshalb angesichts des Hausärztemangels vielleicht gut gemeint, sie dürfte aber in der Wirkung kontraproduktiv sein.

Deshalb bitte ich Sie, verehrte Frau Ministerin, Ihre Haltung in diesem Punkt zu überdenken. Bitte stellen Sie sich an die Seite der Studierenden und sagen im Bundesrat Ja zur Änderung der Approbationsordnung.

Zumal eine Stärkung der Allgemeinmedizin, für die wir mit Ihnen sind, vorgesehen ist – durch eine Verlängerung des Blockpraktikums von einer Woche auf zwei Wochen sowie eine verbindliche Quote für allgemeinmedizinische PJ-Plätze von zunächst zehn und später 20 Prozent.

Die parteiübergreifende Zustimmung, die wir uns für das Spezialthema der Novelle der Approbations­ordnung wünschen, zeichnet sich bei einem anderen Thema, das in der Öffentlichkeit auf intensivste Resonanz stößt, bereits ab. Ich spreche von der fraktionsübergreifenden Initiative zur Organspende im Bundestag. Mithilfe der geplanten regelmäßigen Abfragen der Spendebereitschaft, so ist zu hoffen, lässt sich die deutliche Differenz verringern zwischen der hohen Quote derer, die in Umfragen ihre Spendebereitschaft äußern, und der vergleichsweise geringen Zahl derjenigen, die ihren Willen zur Organspende dann auch verbindlich dokumentieren.

Außerdem sehe ich eine große Chance darin, den ohnehin belasteten Angehörigen die Qual der Entscheidung zu ersparen, wenn sie sagen sollen, ob Organe ihres Verstorbenen gespendet werden oder nicht. Ich werbe jedenfalls für die jetzt angestrebte Entschei­dungs­lösung. Ich halte sie für besser als die reine Zustimmungslösung und ich halte sie für besser als die verfassungsrechtlich wie ethisch problematische Widerspruchs­lösung, von der ich weiß, dass sie vielen Kolleginnen und Kollegen – auch hier in unserer Kammerversammlung – am liebsten wäre.

Neben der Gesetzesänderung brauchen wir vielfältige weitere Anstrengungen, angesichts zuletzt gesunkener Spenderzahlen gerade hier bei uns in Nordrhein-Westfalen. Das reicht von der Aufklärung der Bevölkerung bis hin zur Einsetzung von Organspende-Koordinatoren in den Krankenhäusern. In unserem Land die Organspende deutlich voranzubringen ist eine große Herausforderung, die Ärzteschaft und Landespolitik gemeinsam meistern müssen.

Auf große öffentliche Aufmerksamkeit ist in diesen Tagen auch eine andere Nachricht gestoßen, die nur auf den ersten Blick einen einzigen ehemaligen Sportler betraf. Ich meine den Tod von Timo Konietzka, der Fußball-Legende, der sich wegen einer unheilbaren Krebserkrankung im Alter von 73 Jahren das Leben genommen hat. Er habe in seiner Wahlheimat Schweiz, so berichtete zuerst eine dortige Zeitung, im Beisein von Vertretern der Sterbehilfeorganisation „Exit“ einen Giftcocktail zu sich genommen.

Diese assistierte Selbsttötung hat auch bei uns die Debatte über Sterbehilfe einmal mehr entfacht. Leider hat Timo Konietzka - bei allem Respekt vor der Person und seiner ganz persönlichen Entscheidung - leider hat er in diese Debatte hinein ein beklemmendes Signal gesendet: Wenn ich Hilfe annehme, dann verliere ich meine Würde. Denn er hat seine - bereits früher angekündigte - Selbsttötung auch damit begründet, dass er niemandem zur Last fallen wolle.

Hängt denn die Würde des Menschen von seiner Autonomie und Leistungsfähigkeit ab? Hängt der Wert des Lebens von der Gesundheit ab? Ich sage: Nein. Eine Gesellschaft, in der sich ein solches Denken durchsetzt, wäre eine zutiefst inhumane.

Eine humane Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen, achtet die Würde kranker Menschen, altersschwacher Menschen, behinderter Menschen, und das ganz uneingeschränkt. Eine humane Gesellschaft gibt die Zuwendung und Unterstützung, die hilfsbedürftige Menschen benötigen.

In einer Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen, braucht niemand Teams aus Ärzten und Pflegern, die Menschen zuhause aufsuchen, um sie zu töten. Genau das passiert leider seit dem 1. März in den Niederlanden.

Berichte über Suizide wirkten oft wie eine Reklame für die Selbsttötung. Dabei bleibt verborgen, dass viele der Menschen eigentlich gar nicht sterben wollten, sondern sie wollten nur ein anderes Leben führen - ohne Schmerzen, ohne Atemnot, ohne Übelkeit und in menschlicher Geborgenheit.

Deshalb ist eine fürsorgliche Medizin am Lebensende unsere ärztliche Alternative zur Sterbehilfe und zur Assistenz beim Suizid.

Deshalb wird sich die Ärzteschaft weiter - gemeinsam mit Ihnen, Frau Ministerin, und allen anderen Engagierten - für einen konsequenten Ausbau der humanen Begleitung schwer kranker und sterbender Menschen mit den Mitteln der modernen Palliativmedizin einsetzen.

Deshalb auch hat diese Kammerversammlung sich ebenso wie der Deutsche Ärztetag dafür entschieden, dass in unserer Berufsordnung - die Ihr Ministerium, Frau Steffens, gerade genehmigt hat - der ärztlich assistierte Suizid ausdrücklich verboten ist und bleibt.

Die Ministerin ist naturgemäß intensiv auch auf das Thema Versorgungsstrukturgesetz eingegangen. Über dieses Versorgungsstrukturgesetz kann man nicht nur glücklich sein, aber es ist schon ein Unterschied. Wir waren viele Jahre regelmäßig aus Berlin nur die Kurzatmigkeit einer Kostendämpfungspolitik nach Kassenlage gewohnt. Lange Jahre lautete die einzige Botschaft: Wir müssen die Gestaltungsräume der gesetzlichen Krankenkassen ausdehnen, wir müssen für wenig Einfluss der Ärztinnen und Ärzte sorgen und wir müssen dafür sorgen, dass wir eine Art rabattierte Medizin bekommen.

Das ist mit dem Versorgungsstrukturgesetz zum ersten Mal etwas anders. Dies macht das Versorgungsstrukturgesetz nicht zu einem „Ärztebeglückungsgesetz“. Es gab ja Leute, die gesagt haben, dies sei ein „Ärztebeglückungsgesetz“. Das ist es nicht, denn zum Glück fehlt uns noch einiges, wie wir vorhin gehört haben. Vielleicht kann das innere Glück ja auch gar nicht durch Gesetze hervorgerufen werden. Die Krankenhäuser, die ihre Ärztinnen und Ärzte schließlich ordentlich bezahlen müssen, wurden in dem Gesetz so gut wie komplett ausgeklammert. Aber dieses Gesetz ist doch mehr als das „Landärztegesetz“, als das man es ja auch apostrophiert hat.

Es geht eine Reihe von Problemen konstruktiv an. Der Ärztemangel wird als Problem anerkannt, während dessen Existenz zuvor regelhaft bestritten wurde. Es gab sogar die Aussage, es gebe gar keinen Ärztemangel. Über den Umfang der Hilfen kann man streiten, aber es ist richtig, die Honorarabstaffelung wenigstens in ländlichen unterversorgten Regionen abzuschaffen. Es ist richtig, einiges zu tun für die bessere Vereinbarkeit von Familienleben und Berufstätigkeit. Auch die Aufhebung der Residenzpflicht, mobile Arztstationen und die durchgängige Flexibilisierung der Planungsbereiche können zu einer besseren Versorgung beitragen. Es gibt ja von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Überlegungen, die inzwischen auch im Gemeinsamen Bundesausschuss platziert wurden, wie in Zukunft die Bedarfsplanung gestaltet sein soll.

Das Gesetz hat auch Signale für mehr Freiberuflichkeit gesetzt. So müssen Medizinische Versorgungszentren unter ärztlicher Regie stehen. Die Regressgefahr ist deutlich gemindert. Beratung soll vor Regress gehen. Allerdings hätten wir uns noch mehr über eine komplette Abschaffung des Regresses gefreut, weil der Regress jüngere Kolleginnen und Kollegen vor der Niederlassung in eigener Praxis Bange macht. Selbst wenn es nicht berechtigt ist, aber wenn man das Gefühl hat, dass der Regress einen bedroht, dann ist das ein falsches kommunikatives Mittel. Der Regress sorgt dafür, dass die Leute bange sind.

Dennoch glaube ich, dass man insgesamt sagen kann: Die Mentalität der Gesundheitspolitik hat sich dort ein Stück weit geändert, auch wenn manche Fragen erst dann kristallisiert sein werden, wenn man nach den Beratungen im Gemeinsamen Bundesausschuss weiß, wie die konkrete Umsetzung aussieht. Ich nenne beispielsweise den spezialfachärztlichen Versorgungsbereich, wo wir dafür geworben haben, dass er nicht „spezialärztlich“, sondern „spezialfachärztlich“ genannt werden muss. Da gibt es innerhalb der Ärzteschaft Diskussionsbedarf. Die einen sehen diesen Bereich als Chance für eine bessere Patientenversorgung und eine bessere Verzahnung der Versorgungssektoren. Die anderen sagen, dass die übrige Versorgung darunter leiden wird, denn in irgendeiner Weise ist die morbiditätsorientierte Gesamtvergütung zu bereinigen. Im Gesetz steht: nicht in der Vergütung der Hausärzte, im Gesetz steht: nicht in der Vergütung der fachärztlichen Grundversorgung.

Aber bei den spezialärztlichen Dingen hat es auch bisher Leistungen gegeben. Also wird man sehen müssen, wie diese Bereinigung ausfällt.

Nach meiner persönlichen Meinung könnte die ambulante spezialfachärztliche Versorgung zu mehr Freiheit in der Patientenversorgung und zu mehr Kooperation zwischen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten mit den Kliniken zugunsten der Patientinnen und Patienten führen. Aber der Beweis dafür ist erst dann anzutreten, wenn die Gestaltung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss so weit fortgeschritten ist, dass man einen Vergleich mit den bisherigen Regelungen des § 116 b anstellen kann, die, wie ich eben schon sagte, sehr konflikthaft waren.

Ich finde, wir müssen uns über eines im Klaren sein: Die spezialfachärztliche Versorgung ist eine für Ausnahmesituationen gedachte Versorgung. Wo fachärztliche Versorgung reicht, ist spezialfachärztliche Versorgung unnötig. Wir sollten nicht spezialfachärztliche Versorgung in Segmenten propagieren, wo wir eine gute und ordentliche fachärztliche Versorgung – eventuell auch außerhalb der Grundversorgung – haben. Ruinösen Wettbewerb darf es ebenso wenig geben wie Doppelstrukturen. Wenn wir anfangen würden, Doppelstrukturen aufzubauen, würden wir den ruinösen Wettbewerb geradezu vorantreiben.

Grundsätzlich steckt ein Vertrauensbeweis gegenüber der Ärzteschaft in der Aussage: Ja, es ist ein Versorgungssegment ohne Bedarfsplanung denkbar, ohne Budgetierung und ohne Mengenbegrenzung. Das heißt, man traut uns vonseiten der Politik zu, dass wir uns an den Bedürfnissen des Patienten orientieren und so indikationsgerecht handeln, dass man glaubt, es geht auch ohne Mengenbegrenzung, ohne Bedarfsplanung, ohne Budgetierung.

Ich bin sehr dafür, die spezialfachärztliche Versorgung jetzt nicht als ein Beutefeld für interessierte Krankenhausträger, auch nicht als ein Beutefeld für interessierte Pressure Groups unter niedergelassenen Fachärzten zu gestalten, sondern so, dass man es streng unter dem Gesichtspunkt organisiert, dass die Patientenversorgung bestmöglich erfolgt. Das heißt, sie darf nur dort Platz greifen, wo sie auch benötigt wird.

Ich habe vorhin von der Kurzatmigkeit einer Kostendämpfungspolitik nach Kassenlage gesprochen, mit der wir uns lange herumgeschlagen haben. Nun sehen wir zurzeit ein Plus von nahezu 20 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds oder auf den Konten der Krankenkassen. Diese Zahl regt natürlich die Fantasie an. Aber ist das wirklich so viel Polster, wie jetzt alle behaupten? Heißt das wirklich, die Versicherten haben zu viel bezahlt? Ich glaube, wenn man sich den Gesamtaufwand anschaut, sind diese 20 Milliarden Euro, zumal ein großer Teil dieser Summe gesetzlich gebunden ist, ein bisschen Wasser unterm Kiel. Ich finde es nicht übermäßig gut finanziert, wenn Instanzen wie die Krankenkassen eine Rücklage von einem Monatsbetrag an Ausgaben haben. Mir wäre es offen gestanden lieber, sie hätten für ein Vierteljahr oder ein halbes Jahr im Voraus Geld.

Ich würde uns nicht empfehlen, unsere eigenen Organisationen so aufzustellen, dass wir nicht genug Luft haben, um auch einmal über eine Durststrecke hinwegzukommen. Wir dürfen nicht vergessen: Es handelt sich um eine Momentaufnahme in einem ökonomisch äußerst günstigen Zeitpunkt, weil Deutschland besser dasteht als viele seiner Nachbarländer. Aber keiner weiß doch, ob das so bleibt. Wir haben jetzt ein Konjunkturhoch, aber wir alle haben doch auch schon erlebt, dass auf ein Hoch ein Tief folgt. Dauerhaft saniert ist die gesetzliche Krankenversicherung damit nicht. Wenn die Konjunktur wieder abkühlt, schwächelt auch die Einnahmebasis. Deshalb halte ich nichts von einem Forderungswettbewerb, der wissen will: Auf welchem Weg können wir am schnellsten dafür sorgen, dass sich die Finanzreserven, die sich im Moment gebildet haben, wieder verflüchtigen? Anschließend sagen wir mit Krokodilstränen in den Augen: Jetzt müssen wir wieder eine Politik nach Kassenlage betreiben.

Der Finanzminister ist schon auf dem Plan. Er wird sich das alles ganz genau ansehen. Er registriert einfach nur die Botschaft: Dieses Geld benötigen die Krankenkassen nicht, das könnt ihr woanders platzieren, nämlich bei der Arzneimittelindustrie, bei den Versicherten, in der Pflegekasse.

Alle sind mit Forderungen unterwegs. Die Botschaft, die der Bundesfinanzminister daraus ableitet, lautet nicht, dass wir alle so bedürftig sind, sondern dass alle, die Sachverstand im Gesundheitswesen haben, bestätigen, dass zumindest die Krankenkassen dieses Geld auf ihren Konten nicht brauchen. Das ist für ihn eine sehr gute Möglichkeit, daraus abzuleiten, den Bundeshaushalt zu entlasten, aus dem ja 16 Milliarden Euro an die Krankenkassen fließen.

Deswegen müssen wir achtgeben, wie wir die Diskussion führen. Der Bundesfinanzminister hat gestern ja bereits erreicht, dass 2013  2 Milliarden Euro in die Bundeskasse zurückfließen, die für den Sozialausgleich bei Zusatzbeiträgen gedacht waren. Wenn er den Sozialausgleich nicht finanzieren muss, weil dieser nicht nötig wird, da keine Zusatzbeiträge erhoben werden, kann man das systematisch verstehen. Er wollte 4 Milliarden Euro aus den 14 Milliarden Euro zur Haushaltsdeckung haben. Im Moment ist das abgewehrt, weil die versicherungsfremden Leistungen allein für die Kinder inzwischen schon bei 16 Milliarden Euro liegen.

Das Gesundheitswesen hat also eine ganze Reihe berechtigter Anliegen: die chronische Unterfinanzierung der ambulanten ärztlichen Versorgung beenden, eine regelhafte Refinanzierung der Tarifsteigerungen. Ich könnte einiges mehr aufzählen. Diese Forderungen müssen auch weiterhin erhoben werden. Ich mache daran keine Abstriche. Ich finde es nur nicht sonderlich weitsichtig, sie mit dem aktuellen Überschuss zu verknüpfen. Erstens glaube ich, dass dies ein schöner Schein ist. Zweitens glaube ich, dass wir in Zeiten schlechter Kassenlage unsere Forderungen mit demselben Recht vortragen wie in den Zeiten guter Kassenlage, weil sich die Forderungen nicht aus der Kassenlage ableiten, sondern aus der Situation im Gesundheitswesen. Deswegen würde ich sie in den Begründungen auch nicht mit der Kassenlage verbinden, weil das nur dazu führt, diejenigen zu ermutigen, die erklären: Dann sollten wir das Geld für andere Zwecke verwenden.

Deshalb halte ich die Diskussion über Beitragssatzsenkungen für falsch. Ich lehne Beitragssatzsenkungen zum jetzigen Zeitpunkt ab, weil sie nur dazu führen, die Leistungskraft des Solidarsystems zu schwächen. Ich glaube, dass das falsch ist. Deshalb wehre ich mich dagegen. Genauso hielte ich es für falsch, diese 14 Milliarden Euro zum Steinbruch zu machen und zu erklären: Soll doch die Kasse aus ihren Überschüssen den fehlenden Steuerzuschuss bezahlen!

Ich komme zur Gebührenordnung für Ärzte. Wir müssen in Erinnerung rufen, dass die Novelle der GOÄ für uns ein außerordentlich wichtiges Vorhaben ist. Der Bundesgesundheitsminister hat mehrfach versichert, dass er sich für eine neue GOÄ einsetzt. Politische Voraussetzung ist eine Einigung zwischen Bundesärztekammer und PKV. Dazu werden derzeit intensive, extrem schwierige Gespräche geführt. Nach einer Einigung wäre auch noch die Zustimmung des Bundesrats vonnöten. Das ist keine niedrige Hürde, denn bekanntlich haben auch die Finanzminister der Länder Aktien in diesem Thema, Stichwort: Beihilfe. Wir hoffen trotzdem, dass das Vorhaben gelingt.

Ich sage: Eine funktionierende, moderne Gebührentaxe für den freien Arztberuf ist von großer Bedeutung für eine gute Medizin in Deutschland. Die derzeitige, völlig veraltete GOÄ, seit 29 Jahren nicht mehr aktualisierte GOÄ ist nicht mehr in der Lage, die Vergütung zwischen Arzt und Patient angemessen zu regeln. Die GOÄ ist nach der deutschen Einheit und durch die Umrechnung von D-Mark in Euro aktualisiert worden, aber die materiellen Regelungen haben sich nicht verändert. Diese veraltete GOÄ sorgt für Unklarheit, Verunsicherung, Rechtsstreitigkeiten und damit Störungen im Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt.

Es geht auch um Leistungsgerechtigkeit. Wir sehen den Staat in der Pflicht, für die freien Berufe, auch für den freien Arztberuf, eine verbindliche Gebührenordnung zu erlassen und zu pflegen. Damit ist die GOÄ etwas anderes als der Finanzrahmen, bei dem nach Sozialgesetzbuch verteilt wird.

Es taucht immer wieder die Frage auf: Soll man die GOÄ nicht an den Einheitlichen Bewertungsmaßstab annähern? Wir lehnen das entschieden ab.

Es gibt immer wieder die Debatte: Soll man nicht das ganze PKV-System an die GKV annähern? Wir lehnen das entschieden ab.

Das endet nämlich in einer Einheitsversicherung. Eine Abkehr von dem bewährten Zweisäulenmodell mit GKV und PKV ginge zulasten der Innovationskraft unseres Gesundheitswesens und die wirtschaftliche Basis der Kolleginnen und Kollegen. Sie ginge auch zulasten des Investitionsgeschehens, etwa der Krankenhäuser, weil die Krankenhäuser einen großen Teil des Investitionsgeschehens nicht über die zu niedrig ausfallenden Landeszuschüsse finanzieren, sondern über die Einnahmen, die sie den liquidationsberechtigten Ärzten – den leitenden wie den nicht leitenden Ärzten – abnehmen, über den Interessenbehalt und über die Vertragsgestaltung und über die Zwangsabgabe bei den Abrechnungen über die GOÄ.

Insofern muss man, glaube ich, mit allen Versuchen, die PKV als Ganzes zur Disposition zu stellen, außerordentlich vorsichtig sein. Wir werden auf dem diesjährigen Deutschen Ärztetag Gelegenheit haben, diese Thematik der Zukunft des Versicherungssystems zu diskutieren, weil der Vorstand der Bundesärztekammer entschieden hat, diese Debatte als Tagesordnungspunkt vorzusehen, und dazu Professor Lauterbach für die SPD und Jens Spahn für die CDU/CSU eingeladen sind.

Ich sage Ihnen: Wir werden uns auch in der Vorbesprechung unserer Delegierten klug vorbereiten müssen. Wir werden bis dahin die Debatte über die Zukunft der beiden Systeme führen müssen.

Wenn wir am Ende ein System bekommen, das beide Systeme homogenisiert und in ein einziges System einmünden lässt, kann ich mir nicht vorstellen, dass das dann nach der Melodie geht: Das GKV-System schließt in den Vergütungen auf und vergütet nach der Gebührenordnung für Ärzte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies das Ergebnis sein kann. Aber ich lasse mich gern widerlegen.

Diese Ärztekammer steht zur Dualität der beiden Systeme von GKV und PKV. Sie steht dazu, dass beide Systeme von der Existenz des jeweils anderen Systems profitieren und nicht beschädigt werden, weil der ganz normale Versicherte, der krankenversichert in einem Krankenhaus liegt oder in eine Arztpraxis geht, beobachten kann, wie sein PKV-versicherter Nachbar versorgt wird, und dann sagen kann: Ich möchte nicht abgehängt werden.

Umgekehrt hat der PKV-Versicherte möglicherweise die Chance, bei ein paar Fragen der Wirtschaftlichkeitsprüfung etwas genauer in die GKV zu schauen und sich zu fragen, welche Verantwortung auch er hat.

Also: Wir sind dafür, beide Systeme zu erhalten.

Auf der Agenda steht auch das Patientenrechtegesetz. Die Ärzteschaft hat ja erklärt, dass sie ein Gesetz mittragen wird, das die bestehenden Rechte der Ärztinnen und Ärzte und der Patientinnen und Patienten lediglich kodifiziert. Ich habe das Gefühl, dass es sich gar nicht nur um ein Patientenrechtegesetz handelt, sondern dass es zum großen Teil als ein Gesundheitsberufepflichtengesetz formuliert wird. Der Patient hat in der Arzt-Patienten-Beziehung aber auch Pflichten. Diese Pflichten müssten eigentlich in einem Patientengesetz ebenso formuliert werden, weil Rechte ohne Pflichten eine etwas schwierige Sache sind.

Der vorliegende Referentenentwurf wirft Fragen auf. Ich weiß beispielsweise nicht so ganz genau, wie man eine Regelung, nach der die Delegation der Aufklärung an Ärztinnen und Ärzte, die an einem konkreten Eingriff nicht teilnehmen, in Zukunft ausgeschlossen sein soll, dass also nur noch diejenigen aufklären dürfen, die später auch an dem Eingriff beteiligt sind, in Einklang bringen will mit den Dienstplänen in den Krankenhäusern, mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und mit Teilzeitbeschäftigungen.

Ich finde, auch die geplanten Änderungen des Sozialrechts muss man noch einmal auf den Prüfstand stellen. Was bedeutet es konkret, dass die gesetzlichen Krankenkassen ihre Versicherten künftig bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen unterstützen sollen? Was bedeutet der Gesetzentwurf im Hinblick auf das immer drängender werdende Problem der wachsenden Kluft von Sozialrecht und Haftungsrecht?

Was wir nicht gebrauchen können, sind zusätzliche Regulierungen, die zu Verunsicherung und einer haftungsrechtlich induzierten Defensivmedizin führen müssen. Eine haftungsrechtlich indizierte Defensivmedizin nimmt den Patienten mehr Rechte, als ihnen eine solche Bestimmung hinsichtlich der Unterstützung durch die Krankenkassen bringen kann.

Ich darf noch ein paar Themen erwähnen, die im Hausaufgabenheft unserer Kammer intern stehen … Ganz oben auf der Liste steht die ärztliche Weiterbildung. Wir haben seit ein paar Wochen die zweite Evaluation der Weiterbildung vorliegen. Dieter Mitrenga, der Vorsitzende der Weiterbildungskommission und des Weiterbildungsausschusses, hat im Vorstand die Evaluationsergebnisse vorgestellt. Wir diskutieren jetzt intensiv über mögliche Konsequenzen. Im „Rheinischen Ärzteblatt“ haben wir die wesentlichen Ergebnisse dargestellt. Unter dem Strich ist die globale Beurteilung der Weiterbildung in Nordrhein ganz ordentlich. Sie liegt, in Schulnoten ausgedrückt, bei zwei minus. Ganz kritische Geister sagen: drei plus.

Dieses Ergebnis zeigt uns aber auch, dass wir viele Anlässe haben, die Situation zu verbessern. Das beginnt schon in der einzelnen Weiterbildungsstätte, indem man miteinander über mögliche Verbesserungen spricht, wenn man die Auswertung vor sich hat. Die Kammer wird sich dabei beteiligen, wenn das gewünscht ist.

Wir werden auch die Treffen für die Weiterbilder fortsetzen, die auf großes Interesse stoßen. Wir werden unsere Aktivitäten zur Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin fortsetzen. Mittlerweile haben sich 28 regionale Verbünde mit Beteiligung von 64 Kliniken und über 250 Praxen zur Verbundweiterbildung in der Allgemeinmedizin gebildet. Wir sind noch nicht ganz flächendeckend, aber mehr und mehr in der Lage, den Weiterbildungsinteressenten zu sagen: Jawohl, du kannst deine Weiterbildung in der Allgemeinmedizin absolvieren, ohne permanent nach einer neuen Stelle suchen zu müssen und permanent neue Vertragsverhandlungen führen zu müssen. Das muss sich vielleicht noch mehr herumsprechen.

Es muss sich vielleicht auch noch mehr herumsprechen, dass der Quereinstieg in die Allgemeinmedizin durch die Änderung der Weiterbildungsordnung möglich geworden ist. Wir müssen insgesamt in der Weiterbildung die Verbindung mit der ambulanten Versorgung weiter ausbauen, denn wegen der Konzentrationsprozesse und stark gesunkener Verweildauern wird es immer schwieriger werden, das komplette ärztliche Handeln in einem Fachgebiet allein im Krankenhaus zu vermitteln.

Eine Dauerbaustelle ist natürlich die fachliche Ordnung, orientiert an der Versorgung und am wissenschaftlich-technischen Fortschritt. Eine überarbeitete Weiterbildungsordnung ist am 1. Januar in Kraft getreten. Die Weiterbildungsgremien arbeiten in unserer Kammer und auf Bundesebene schon am nächsten Schritt der Modernisierung.

Die Herausforderungen der Patientenversorgung können nicht von Einzelkämpfern, sondern nur im Team gemeistert werden. Unsere Patientinnen und Patienten sehen sich heute einer ständig wachsenden Zahl von ärztlichen und nicht ärztlichen Spezialisten gegenüber. Es bedarf der Koordinierung und Abstimmung innerhalb der Ärzteschaft. Deshalb haben wir in unserer Kammer den Vorstandsausschuss „Kooperation mit anderen Gesundheitsberufen“ eingerichtet. Ich bin Anja Mitrenga-Theusinger und Bernd Zimmer dankbar dafür, dass und wie sie diesen Ausschuss leiten. Aus dieser Arbeit ist ein Thesenpapier hervorgegangen, das sich unser Vorstand und der Vorstand der Ärztekammer Westfalen-Lippe zu eigen gemacht haben. Die beiden Kammervorstände stellen übereinstimmend fest, dass Ärztinnen und Ärzte die Gesamtverantwortung für Diagnose und Therapie tragen und dass ihnen deswegen ein abgestimmtes Vorgehen besonders am Herzen liegt.

Wir wollen uns auf dieser Grundlage auch nicht den Weg dafür verstellen lassen, die Arbeitsteilung zwischen den Gesundheitsberufen sinnvoll weiterzuentwickeln.

Die stärkere Einbeziehung durch Delegation wird für eine gute Patientenversorgung von großem Nutzen sein, wenn auch nur ein Bruchteil dessen wahr wird, was die Ministerin über den Zirkel, aus dem sich die Fachkräfte rekrutieren können, gesagt hat.

Wir machen das am 14. April zum Thema eines Rheinischen Ärztetages. Wir werden hier aus ärztlicher Sicht, aber auch aus der Sicht der Pflege und der anderen Gesundheitsberufe über die Kooperation diskutieren. Wir werden in den Mittelpunkt die Möglichkeiten der Kooperation stellen. In der Auseinandersetzung über Delegation und Substitution wird man sich, glaube ich, in dieser Welt nicht mehr gegenseitig überzeugen. Man wird sich da nicht mehr gegenseitig korrigieren.

Wir müssen auch über die Fragen reden, in denen Gemeinsamkeiten mit den anderen Berufen bestehen. Wir müssen auch darüber reden, wo uns dieselben Problemlagen drücken, etwa wenn es um Finanzierungsthemen geht …

Ab dem Sommer werden wir unseren Kolleginnen und Kollegen eine neue und, wie ich meine, attraktive Möglichkeit anbieten können: den so genannten elektronischen „Arztausweis light“ im Scheckkartenformat. Die Karte bietet für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die noch keine qualifizierte Signatur benötigen, eine kostengünstige Alternative zum klassischen elektronischen Arztausweis, der weiterhin verfügbar sein wird. Das ist der Ausweis, mit dem man auch elektronisch unterschreiben kann, aber eben bei laufenden Kosten. Manche sagen: Das ist mir zu teuer.

Der neue „Arztausweis light“ wird für die Nutzer kostenlos sein und ab dem dritten oder vierten Quartal 2012 die sichere Online-Abrechnung mit der KV ermöglichen. Dieser „Arztausweis light“ ist für die Nutzer kostenlos und verfügt über einen Chip, mit dessen Hilfe sich Ärztinnen und Ärzte elektronisch über das Internet ausweisen können. Diese sichere Authentifikation ermöglicht neben der Online-Abrechnung beispielsweise auch den Zugriff auf die eigenen Daten über das Portal der Ärztekammer ...

Am vorigen Samstag fand hier in diesem Saal etwa zur selben Zeit wie jetzt die Begrüßungsveranstaltung für Neumitglieder unserer Ärztekammer Nordrhein statt. Es waren einige aus dem Vorstand zugegen. Einige aus der Kammerversammlung sind ebenfalls gekommen. Ich finde, der Höhepunkt ist der Moment, wenn die jungen Kolleginnen und Kollegen mit uns gemeinsam das Gelöbnis sprechen. Ich will nur die ersten drei Sätze zitieren:

Bei meiner Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand gelobe ich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.

Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben.

Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit meiner Patientinnen und Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein.

So beginnt das Gelöbnis, das als Präambel unserer Berufsordnung voransteht. Wenn die jungen Kolleginnen und Kollegen – ich glaube, es waren 130 anwesend – auf ihre Ehre versprechen, diese und andere ethischen Prinzipien einzuhalten, lässt sich in diesem Saal die innere Bewegung fast mit Händen greifen. Ein solcher Moment ist einfach schön.

Die Botschaft lautet: Nein, wir sind nicht von gestern, wenn wir von Menschlichkeit und Würde sprechen, von Gewissenhaftigkeit und davon, die Gesundheit der Patientinnen und Patienten als oberstes Ziel anzusehen.

Offenbar ist eine solche Orientierung an Werten bisher jedenfalls noch immer nicht der sich ständig weiter verbreitenden Relativierung und Ökonomisierung des gesellschaftlichen Lebens zum Opfer gefallen. Offensichtlich hat nach wie vor auch die junge Ärztegeneration ein tiefes Bedürfnis zur Orientierung an begründeten Werten.

Das stimmt mich froh, denn bei allen Detailfragen, um die wir uns auch zu kümmern haben, ist das der eigentliche Kern unserer Arbeit hier.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.