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Adipositas – allgegenwärtig und doch übersehen

15.01.2025 Seite 23
RAE Ausgabe 2/2025

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 2/2025

Seite 23

© Andreas Köhring
Im November 2024 nahm die 13. Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Oberhausener Ärztetag“ die Adipositas als komplexe und chronische Erkrankung in den Fokus. Neben der ärztlichen Fortbildung wurde der interkollegiale Austausch erneut großgeschrieben.

von Ulrike Schaeben

Wenn der Oberhausener Vorsitzende ruft, kommen sie alle: Dr. Peter Kaup begrüßte zum 13. Oberhausener Ärztetag gut 100 Kolleginnen und Kollegen aus der Region sowie Gäste aus Politik und ärztlicher Selbstverwaltung und begann mit einem Ausblick auf die gerade begonnene Wahlperiode 2024 bis 2029 der Ärztekammer Nordrhein. Für Kaup gilt es, insbesondere die Eigenverantwortlichkeit der Ärztinnen und Ärzte in der Selbstverwaltung weiter zu stärken. In der Coronapandemie habe sich gezeigt, dass die Ärztekammer einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung leiste und in die Strukturen in Oberhausen gut integriert sei.
 
Der neu gewählte Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Sven Dreyer, dankte in seinem Grußwort der Oberhausener Ärzteschaft und dem Vorsitzenden der Kreisstelle für ihr Engagement in der Patientenversorgung vor Ort. Eine gemeinsame, pragmatische Sacharbeit über alle Sektorengrenzen hinweg werde beispielsweise im Oberhausener Weiterbildungsverbund erfolgreich gepflegt, aber auch bei anderen gesundheitspolitischen Themen wie der anstehenden Krankenhausreform dringend benötigt. Mit dem Oberhausener Ärztetag habe Kaup über Jahre eine regionale Fortbildungs- und Netzwerk-Veranstaltung etabliert, die einen kollegialen, aber auch berufsgruppen-übergreifenden Austausch und eine exzellente Fortbildung zusammen in einem Format ermögliche. Die diesjährige Ausgabe habe sich zum Ziel gesetzt, das allgegenwärtige und doch häufig übersehene Krankheitsbild der Adipositas nicht nur als medizinisches Thema, sondern auch als gesellschaftliches und gesundheitspolitisches Anliegen zu betrachten.

Professor Dr. Till Hasenberg, Chefarzt an der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen, gab in seinem Impulsvortrag einen Überblick über die Ursachen der Adipositas. Für ihn ist der fast explosionsartige Anstieg der Erkrankung auf ein multifaktorielles Geschehen zurückzuführen. Die über Jahrtausende quasi gleichbleibende genetische Veranlagung des Menschen treffe in der westlichen Moderne auf dramatische Veränderungen wie ein Überangebot von Nahrungsmitteln, hochkalorische Ernährung und eine verminderte körperliche Aktivität. Auch psychologische und soziale Faktoren seien nicht zu unterschätzen, und Betroffene würden in der Gesellschaft häufig stigmatisiert.
 

Übergewicht kommt selten allein

Eine Adipositas habe oft schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Steinleiden, Asthma und sogar Krebs „im Gepäck“. Die Entdeckung der Pathophysiologie der Adipositas und insbesondere des komplexen Zusammenspiels der gastrointestinalen Hormone seien hochspannend und die Behandlung befinde sich aktuell im Umbruch. War die bariatrische Operation nach einer konservativen Behandlung bisher die letzte Chance zur nachhaltigen und ausreichenden Gewichtsreduktion, schließen neue Medikamente die Lücke zu den Adipositasoperationen, wie Hasenberg ausführte.

In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden Chancen und Risiken der neuen Therapieoptionen für Patientinnen und Patienten sowie mögliche Auswirkungen auf bestehende Strukturen im Gesundheitswesen gemeinsam mit dem Publikum diskutiert. Für zusätzliche Dynamik in der Adipositas-Therapie sorgt ein neues Dis­ease-Management-Programm, das auf ein multimodales Schulungsangebot sowie individualisierte Empfehlungen zu Ernährung und Bewegung setzt, um Körpergewicht und damit das Risiko für Folgeerkrankungen zu reduzieren. Sebastian Griesau, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, begrüßte die Entwicklung, jedoch seien die Verträge mit den Krankenkassen in Nordrhein noch in der Verhandlung.

Dr. Ariane Montrobert, niedergelassene Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologie in Oberhausen, sieht die für die Indikation der Adipositas neu zugelassenen Medikamente als sehr erfolgversprechend an, beispielsweise zur Besserung der Fettleber oder Reduktion der Insulindosis. Jedoch warnte sie vor den Risiken wie dem Auftreten einer Pankreatitis oder diabetischen Retinopathie und mahnte daher eine interdisziplinäre Zusammenarbeit an. Wichtig sei neben einem internistischen Gesamtkonzept, mit Einfühlungsvermögen und in kleinen Schritten voranzugehen, um die notwendige Verhaltensänderung beim Patienten zu erreichen.