Eine realistische Personalplanung für Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus, weg von den Fehlanreizen der an Fallpauschalen orientierten Vergütung, soll das von der Bundesärztekammer entwickelte Personalbemessungssystem bewirken. Die Ärzteschaft befürwortet eine Verankerung dieses Systems im Zuge der anstehenden Krankenhausreform. Per Verordnung ist bereits eine Bemessungsgrundlage für das Pflegepersonal im Krankenhaus auf den Weg gebracht worden.
von Thomas Gerst
Als verbindliche Vorgabe hat es das ÄPS-BÄK, das Ärztliche Personalbemessungssystem der Bundesärztekammer, nicht mehr in den am 15. Mai vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) geschafft. Daran konnte auch der wenige Tage zuvor gefasste Beschluss des 128. Deutschen Ärztetages nichts mehr ändern. Die Delegierten hatten in Mainz die politisch Verantwortlichen aufgefordert, das ÄPS-BÄK als verbindlichen Maßstab im Gesetzestext vorzugeben und „so der zentralen Bedeutung einer patienten- und aufgabengerechten Personalausstattung für eine stabile und qualitativ hochwertige Versorgung gerecht zu werden“. Im Kabinettsentwurf zum KHVVG wird lediglich auf die Erfüllung der Anforderungen von Personalbedarfsbemessungssystemen, wie zum Beispiel dem der Bundesärztekammer, verwiesen, die von den Landesbehörden als Entscheidungskriterium bei der Zuweisung von Leistungsgruppen an ein Krankenhaus berücksichtigt werden könnten. Dass den Wünschen des Deutschen Ärztetages im Zuge der parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs in den kommenden Wochen noch Rechnung getragen wird, scheint eher unwahrscheinlich.
Dabei böte die verbindliche Einführung des ÄPS-BÄK im Zuge der anstehenden Krankenhausreform ein geeignetes Mittel, den allseits beklagten Auswirkungen des DRG-Systems auf die Arbeitsbelastung von Ärztinnen und Ärzten im Krankenhaus etwas Wirksames entgegenzusetzen. Wichtige Aufgaben des Personals würden derzeit mit dem auf Prozeduren fokussierenden Fallpauschalensystem nicht abgegolten, kritisiert die Bundesärztekammer. „Wir sind noch weit entfernt von einer Bewertung ärztlicher Arbeit, die sich nicht an Diagnosen, sondern am tatsächlichen Aufwand orientiert“, betont Dr. Susanne Johna, BÄK-Vizepräsidentin und erste Bundesvorsitzende des Marburger Bundes. Idealerweise sollten auch die ärztlichen Personalkosten künftig unter eine fallunabhängige Vorhaltevergütung fallen, sodass Krankenhäuser eine Refinanzierung von Personalkosten auf der Basis des ÄPS-BÄK erwarten könnten.
Seit dem Jahr 2019 befasst sich die Bundesärztekammer unter Einbindung der medizinischen Fachgesellschaften mit der Entwicklung des Personalbemessungssystems, das die Anwender in den Krankenhäusern in die Lage versetzen soll, den tatsächlich erforderlichen Personalbedarf gegenüber den Geschäftsführern transparent darzustellen. Darin wird nicht nur die direkt im Kontakt mit Patientinnen und Patienten erbrachte Leistung abgebildet, sondern auch der Zeitaufwand für weitere 105 definierte ärztliche Aufgaben, wie zum Beispiel Fort- und Weiterbildung, Erfüllung gesetzlich vorgeschriebener Pflichten, Administration, Qualitätssicherung oder Dokumentation. Auch der personelle Einsatz für besonders versorgungsaufwendige Patientengruppen, wie etwa Patienten mit kognitiven Einschränkungen, mit psychiatrischen Begleitdiagnosen oder mit multiresistenten Keimen, wird im ÄPS-BÄK als patientenbedingte Aufwandssteigerung berücksichtigt. Ärzte in Weiterbildung werden nicht in gleicher Weise wie Fachärzte im System abgebildet; sie werden mit einem niedrigeren Faktor angesetzt, so dass eine größere Zahl von Ärzten in Weiterbildung einen Mehrbedarf an benötigten Vollzeitkräften nach sich zieht.
Praktikablilität unter Beweis gestellt
Mittlerweile konnte das ÄPS-BÄK in einer Reihe von Testläufen in verschiedenen Fachabteilungen seine Praktikabilität unter Beweis stellen. Johna sieht das System bereit für eine flächendeckende Nutzung; es könne im Zuge der Krankenhausreform flexibel genutzt werden, um „abteilungsscharf eine aufgaben- und patientengerechte Personalausstattung zu berechnen“. Aber auch bei einer Nichtberücksichtigung im Zuge der Krankenhausreform kann davon ausgegangen werden, dass die angemessene Personalausstattung eines Krankenhauses auf Grundlage von ÄPS-BÄK einen wichtigen Faktor beim Wettbewerb um gute Arbeitskräfte darstellt und Krankenhäuser zu dessen Anwendung veranlasst.
Während eine flächendeckende Einführung des ärztlichen Personalbemessungssystems der BÄK noch nicht abzusehen ist, hat das Bundesgesundheitsministerium per Verordnung ein neues Bemessungssystem für das Pflegepersonal an Krankenhäusern zum 1. Juli 2024 bereits auf den Weg gebracht und damit eines der im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele umgesetzt. Auf der Basis der Pflegepersonalregelung (PPR) 2.0 soll künftig verbindlich vorgegeben werden, wie viele Pflegekräfte pro Schicht auf bettenführenden Krankenhausstationen eingesetzt werden müssen. Erklärtes Ziel dieser Neuregelung ist es, eine bedarfsgerechte Pflege im Krankenhaus sicherzustellen. Beschränkt ist PPR 2.0 bei der Pflege von Erwachsenen zunächst auf Normalstationen und die Zeit zwischen sechs und 22 Uhr. Bei Kindern kommt das neue System rund um die Uhr und auch auf Intensivstationen zum Einsatz. Die mithilfe von PPR 2.0 ermittelten Personalerfordernisse sollen künftig auch die Grundlage für die Pflegebudgetverhandlungen bilden. Zur Berechnung des Personalbedarfs werden alle Patientinnen und Patienten auf einer Station erfasst und auf der Grundlage ihres Pflegebedarfs einer von 16 Patientengruppen bei Erwachsenen und einer von 48 Patientengruppen bei Kindern zugeordnet. Die auf dieser Basis addierte Minutenzahl für die Pflege wird dann in einen Soll-Wert für Vollzeitstellen umgerechnet.
Allerdings helfen Vorgaben zur Personalausstattung dann nicht weiter, wenn es insgesamt an ausreichend qualifiziertem Personal mangelt. Der Bundesrat hat diesem Umstand mit einigen Änderungen an der Pflegepersonalbemessungs-Verordnung Rechnung getragen. So darf der Anteil von Pflegehilfskräften auf Erwachsenenstationen nunmehr mit 20 Prozent doppelt so hoch sein wie ursprünglich vorgesehen. Zudem wird vorerst auf Sanktionen bei Nichterfüllung des Personalsolls verzichtet, sodass Krankenhäuser mehr Zeit haben, das erforderliche Personal zu rekrutieren.