Am 31. August, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, findet die konstituierende Sitzung unserer Kammerversammlung für die Wahlperiode von 2024 bis 2029 statt. Während ich dies schreibe, sind die Gespräche zwischen den Fraktionen noch nicht abgeschlossen. Sicher ist aber, dass es zu einem Wechsel an der Spitze unserer Kammer kommt, wenn Präsident, Vizepräsident und ein neuer Vorstand gewählt sind. Allen Gewählten gelten schon im Voraus meine besten Wünsche für eine erfolgreiche Amtszeit.
Ob es uns als Gesellschaft und als Ärzteschaft gelingen wird, die Gesundheitsversorgung unserer Patientinnen und Patienten auch zukünftig auf hohem Niveau zu erhalten, hängt stark davon ab, inwieweit wir als Ärzteschaft gemeinsam Antworten auf den zunehmenden Fachkräftemangel im Gesundheitswesen bei zugleich stärkerer Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und klammen Kassen finden.
Durch ihre konsequente Patientenorientierung und ihre hohe fachliche Kompetenz sind die Kammern in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren immer stärker zu gefragten Gesprächspartnern für die Politik geworden. Markante Beispiele dafür sind unsere aktive Rolle bei der Reform der Krankenhausplanung in NRW, unsere Mitarbeit in der Landesgesundheitskonferenz oder der Einbezug unserer Expertise während der Coronapandemie.
Mit aller Erfahrung aus 13 Jahren im Amt des Kammerpräsidenten bin ich der festen Überzeugung, dass unsere Selbstverwaltung eine starke Gestaltungskraft besitzt und dass es der Staat, das sehen wir an vielen Gesetzgebungsverfahren und Verordnungen, keineswegs besser könnte. Gäbe es uns nicht, hätten noch viel mehr Kolleginnen und Kollegen als jetzt das Gefühl, ungefragte Kommandoempfänger von Staat, Krankenkassen oder profitorientierten Akteuren zu sein.
Grundsatzfragen geraten im Alltag manchmal aus dem Blick. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen und noch einmal auf zwei kennzeichnende Grundsätze unseres Berufes eingehen: den Charakter der ärztlichen Profession als freier Beruf und unsere damit verbundene Therapiefreiheit, die durch Kontrollbürokratie und Ökonomisierung im Gesundheitswesen zunehmend unter Druck gerät.
Mögen sich die Rahmenbedingungen für unseren Beruf auch stetig ändern, unsere Therapiefreiheit darf keinesfalls aufgegeben werden. Der Grund dafür lässt sich mit dem Wort „Patientenorientierung“ präzise zusammenfassen. Therapiefreiheit geht mit hoher Verantwortung einher, denn Ärztinnen und Ärzte müssen sich am jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand orientieren und die gebotene Sorgfalt bei Diagnose und Therapie walten lassen. Lebenslange Fortbildung ist ein Garant dafür. Wir tragen unteilbare Verantwortung für unsere Therapieentscheidungen, nicht nur unseren Patienten gegenüber, sondern auch gegenüber der Gesellschaft. Freier Beruf, Therapiefreiheit und innere Unabhängigkeit bilden die Basis für unsere Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit.
Verankert ist dieser Grundsatz völlig zu Recht in unserer Berufsordnung, in der es im Paragraf 4 heißt: „Ärztinnen und Ärzte dürfen hinsichtlich ihrer ärztlichen Entscheidungen keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen.“ Denn würden wir das tun, ginge das Vertrauen in ärztliche Entscheidungen unwiederbringlich verloren. Im Sinne unserer Patienten müssen Therapieentscheidungen auch zukünftig auf dem aktuellen Stand des Wissens und im Rahmen eines informierten Einverständnisses getroffen werden. Nur so können sich Patientinnen und Patienten sicher fühlen, dass Therapien an ihrem Wohl orientiert und nicht ökonomisch oder politisch motiviert sind. Dafür stehen wir als Ärzteschaft, steht jede einzelne Kollegin und jeder einzelne Kollege ein und wir bekräftigen das in unserem Gelöbnis, in dem es heißt: „Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein.“
Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und den künftig für unsere Ärztekammer Verantwortlichen wünsche ich für die Zukunft bestes Gelingen bei der Realisierung dieses Versprechens.
Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein