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Thema – 128. Deutscher Ärztetag

Ärztetag in Mainz setzt Zeichen für Demokratie und Pluralismus

18.06.2024 Seite 15
RAE Ausgabe 7/2024

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 7/2024

Seite 15

Die „Resolution für Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte“ als klare, moralische Stellungnahme der Ärzteschaft freut mich sehr. 
Beim „Dialogforum mit jungen Ärztinnen und Ärzten“ wünschte sich die junge Kollegenschaft neben verbesserten Arbeitsbedingungen und Wissensvermittlung auch Weiterbilder, die Vorbild für ärztliche Haltung sind.

In einem Grußwort wies Dr. Jesse Ehrenfeld, Präsident der American Medical Association (AMA), auf die deutlich erhöhte Burn-out-Rate der Ärzte – nicht nur in den USA – und deren Ursachen hin – hier erwächst uns eine große politische Aufgabe!

In meinen Augen wurden folgende wichtige Anträge vom DÄT in Mainz verabschiedet: „Suizidprävention gesetzlich verankern und ausreichend finanzieren“ (Ic-13), „Facharztpraxen in ambulanter Medizin unverzichtbar“ (Ic-72), „Opt-Out bei ePA nicht durch Abrechnungsregularien konterkarieren“ (Ic-94), „Fortfall der Notdienstpflicht nach Eintritt in das Rentenalter“ (Ic-80). Mehrere Wermutstropfen: wichtige Anträge zur ärztlichen Psychotherapie wurden – mal wieder – aus Zeitmangel im Konvolut an den Vorstand überwiesen.
Besonders gefreut hat mich die Ehrung von Astrid Bühren mit der Paracelsus-Medaille. Neben dem Einsatz für Ärztinnen und Gendermedizin ist sie seit vielen Jahren meine Mitkämpferin für die Stärkung der Psychosomatik in allen Fachgebieten.
 
Eine Unterschriftensammlung von Ärztinnen und Ärzten mit der Forderung zur Stärkung der ärztlichen Psychotherapie haben mehrere Kolleginnen mit mir zusammen offiziell an den BÄK-Präsidenten Dr. Klaus Reinhardt übergeben.
 


Mit dem 128.  Deutschen Ärztetag verbinde ich eine sehr gelungene Eröffnungsrede des Präsidenten der Bundesärztekammer. Kollege Dr. Klaus Reinhardt hat in Mainz deutlich gemacht, dass die deutsche Ärzteschaft zum Dialog und zur Zusammenarbeit mit allen demokratischen Parteien bereit ist, aber anders herum von der Politik auch eine tatsächliche Einbindung in die notwendigen Gesundheitsreformen erwartet. Zurecht äußerte er darüber hinaus die Sorge, dass die Polarisierung in der politischen Auseinandersetzung, Hass und Hetze, Diskriminierung und Ausgrenzung an den Rändern unserer Gesellschaft zunehmen. Es war ein wichtiges Zeichen, dass wir vor Eintritt in die Tagesordnung einstimmig eine Resolution für Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte verabschiedet haben. Beeindruckt hat mich auch das sehr persönlich gehaltene Grußwort des Präsidenten der AMA, Dr. Jesse Ehrenfeld, der sich für das klare Bekenntnis der deutschen Ärzteschaft zu Pluralismus und Demokratie bedankte und gleichzeitig darauf hinwies, dass derzeit Ärztinnen und Ärzte weltweit unter Druck stehen. So seien in den USA in der Zeit der Pandemie Burn-out-Symptome bei zwei Dritteln der US-Ärzte festgestellt worden, jeder Fünfte habe mit dem Gedanken gespielt, den Beruf binnen zwei Jahren aufzugeben. Auf Überforderungssituationen schon in der Weiterbildung hatten uns auch die jungen Kolleginnen und Kollegen beim Dialogforum Junge Ärztinnen und Ärzte hingewiesen. Das müssen wir in den Kammern ernst nehmen und Lösungen finden. Mit Sorge beobachte ich auch, dass bei der anstehenden Krankenhausreform Ziele nicht klar definiert sind und ein Gesetz ins Kabinett eingebracht werden soll, obwohl eine Analyse über die konkreten Auswirkungen aussteht. Auf dem Deutschen Ärztetag haben wir daher in zahlreichen Anträgen Nachbesserungen zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz gefordert. 


Auf dem Ärztetag ist deutlich geworden, dass Minister Lauterbach seine anti-freiberufliche und auch erratische Agenda weiterverfolgt. Der Ärztetag hat dem durch mehrere Beschlüsse, die die haus- und fachärztlichen Praxen stärken, eine starke Antwort erteilt. Wichtig war auch der deutliche Beschluss zur Begrenzung kommerzieller Einflüsse in unserem Gesundheitswesen. Die Debatte zu Struktur und Dauer des Ärztetags wurde von Herrn Reinhard offen geleitet, allerdings fußt sie hintergründig auch auf der Erkenntnis, dass der Einfluss der Ärzteschaft in der Politik abgenommen hat. Ärztinnen und Ärzte müssen sich künftig aktiver selbst um ihre Belange kümmern.


Die Eröffnung des DÄT zeigte, wie zu erwarten, wenig Neues aus der Gesundheitspolitik. Der Minister erhielt für seine erneut bekundeten Gesprächsangebote und bekannten Gesetzesentwürfe daher auch eher verhaltenen Applaus. Der Präsident zielte in seiner Rede nochmals auf die Schwachstellen und offenen Baustellen und forderte vom Gesetzgeber, das Gesundheitswesen vor Staatsversagen zu schützen.

Beim Schwerpunktthema „Gesundheitsversorgung der Zukunft – mehr Koordination der Versorgung und bessere Orientierung für Patientinnen und Patienten“ wurden für die Ärzteschaft richtungsweisende Beschlüsse gefasst. Bei den Referenten zum Thema zeigte Professor Hecken in einem sehr impulsiven Vortrag die Schwachstellen und die offenen Baustellen in der Gesundheitsversorgung auf. Die Stärkung der hausarztzentrierten Versorgung, mehr Delegation im Team, die Kooperation mit anderen Berufsgruppen und eine stärkere Einbindung der ärztlichen Expertise beim Aufbau neuer Strukturen wurden im Leitantrag des Vorstandes beschlossen.

Die intensiven Debatten zur Zukunft der ambulanten und stationären Versorgung und auch die emotionalen Beiträge zur Gestaltung zukünftiger Ärztetage zeigten erneut, das der DÄT seine Debattenkultur nicht verloren hat, auch wenn durch die Trägheit des elektronischen Verfahrens spontane Wortmeldungen verzögert wurden.
 


Ich bin dieses Jahr nach Mainz mit dem Wissen gefahren, dass dies für mich der letzte Ärztetag als Delegierte sein wird. Umso intensiver habe ich alle Veranstaltungen rund um den Deutschen Ärztetag verfolgt.

Beeindruckend für mich war die sachliche und gehaltvolle Diskussion zur Gefahr des Demokratie-Verlustes durch das Erstarken von rechtsradikalen Parteien und die einstimmig verabschiedete Resolution „Nie wieder ist jetzt“.

Wie ein roter Faden zog sich durch den Ärztetag, dass die Arbeitssituation in der Niederlassung wie auch in den Kliniken für Ärztinnen und Ärzte immer herausfordernder wird. Der stetige Spagat zwischen Ökonomie versus Menschlichkeit, Gewinnmaximierung versus Empathie, Fallzahlen versus Gesprächszeiten geht auf Kosten unserer Berufszufriedenheit.
Auf dem Ärztetag haben wir auch einen Antrag diskutiert, in dem die BÄK aufgefordert wird, in ihrer Satzung und ihrer Geschäftsordnung künftig gendersensible Formulierungen zu verwenden. Persönlich gefreut hat mich die breite Zustimmung zu meinem Redebeitrag bezüglich der gendergerechten Sprache, in dem ich um weniger Verkniffenheit geworben habe. Und erstaunlich war dann, dass der Antrag tatsächlich positiv beschieden wurde. Ich denke, die BÄK findet einen Weg zur Umsetzung ohne Verkniffenheit.
 


Der 128. Deutsche Ärztetag war mein erster Ärztetag, aber wie zu Studienzeiten in Fachschaft und bvmd findet man als junger Delegierter auch hier schnell Anschluss. Ob Krankenhausreform, faire PJ-Vergütung, Weiterbildungsordnung, Zugang zu Verhütungsmitteln oder Schwangerschaftsabbruch – wer die inhaltliche Auseinandersetzung nicht scheut und etwas Geduld aufbringt, der kann auf einem Ärztetag die Bandbreite der Fragestellungen, mit denen die Ärzteschaft konfrontiert ist, in toto betrachten. Die in der Sache meist hart, aber im Ton kollegial geführte Debatte ist Kernelement dieses Organs der ärztlichen Selbstverwaltung. Auch hierin spiegelt sich unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung wieder und wir dürfen nicht müde werden, uns jederzeit für sie stark zu machen. Deshalb freue ich mich besonders, dass wir die Resolution „Nie wieder ist jetzt: Die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland stehen für Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte“ verabschiedet haben. Das Privileg der Selbstverwaltung ist wertvoll und weil es demokratischen Prinzipien folgt, liegt es an uns allen, es mit Leben zu füllen – durch ehrenamtliches Engagement und die Beteiligung an (Kammer-)Wahlen.


Zur feierlichen Eröffnung versprach Minister Lauterbach in seiner Rede erneut, die Sorgen der deutschen Ärzteschaft ernst zu nehmen; ob diese aber in der Gesetzgebung gehört werden, muss bezweifelt werden.

Auch die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Dr. Kappert-Gonther lud in ihrem Referat zum Dialog ein, konnte aber mit ihren Vorstellungen keine Stimmung im Plenum des Ärztetages erzeugen. Hingegen war der illustre Vortrag des unabhängigen Vorsitzenden des G-BA Professor Hecken von großer Zustimmung geprägt, ließ aber eine kritische Auseinandersetzung mit strittigen Themen außen vor.

Die Debatte zu Satzungsänderungen und die Diskussion über die Struktur des Ärztetages am Donnerstag zeigte erneut auf, dass hier noch ein weiter Weg zu gehen ist. Eine Fokussierung auf weniger Themen und hierzu dann der Beschluss von aussagekräftigen Positionen wäre meiner Meinung nach eine riesige Chance, die Sichtbarkeit der deutschen Ärzteschaft wieder zu verbessern. Dass es nicht wie bisher weiter gehen kann, zeigte erneut die unglückliche Zeitgestaltung, die dazu führte, dass es am Freitag unzählige Anträge gab, mit teilweise redundanten Inhalten, die – wie schon 2023 – an den Vorstand überwiesen wurden.
 


Ich habe auch in diesem Jahr die Diskussionen der Delegierten über die verschiedenen Themen und Anträge als äußerst interessant empfunden. Da mir der Bereich der ärztlichen Weiterbildung besonders am Herzen liegt, habe ich mich über die Annahme der Anträge, die sich mit der Sicherung der Qualität der ärztlichen Weiterbildung, unter anderem auch im Hinblick auf die zunehmende Ambulantisierung und Spezialisierung in der Medizin befassen, sehr gefreut. Als ebenfalls sehr bereichernd werde ich den Austausch mit jungen Ärztinnen und Ärzten aus den anderen Kammergebieten in Erinnerung behalten.


Die große Meinungsvielfalt ist spannend und die vielen unterschiedlichen Perspektiven, aus denen ein Problem diskutiert wird, ist hochinteressant. Gleichzeitig lähmt das die Entscheidungsfindung bei hunderten von Anträgen. Eine effizientere Organisation des Deutschen Ärztetags ist überfällig.