Im Ringen um eine Krankenhausreform haben sich Bund und Länder am 10. Juli auf Eckpunkte geeinigt. Die Gewährleistung von Versorgungssicherheit (Daseinsvorsorge), die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität und die Entbürokratisierung wurden als zentrale Ziele definiert. Über den Sommer soll auf Grundlage der vereinbarten Punkte ein Gesetzentwurf erarbeitet und ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden.
Forderungen der Länder nach einer Finanzspritze des Bundes für die Kliniken noch vor der Reform fanden bei den Gesprächen im Juli leider kein Gehör. Bundesgesundheitsminister Lauterbach sagte auch mit Blick auf die Haushaltslage Bund, eine Finanzspritze werde geprüft, fügte aber direkt hinzu: „Ich kann da keine Hoffnungen machen.“ Bis die Reform wirke, würden leider noch Kliniken in die Insolvenz gehen. Das liege aber daran, dass die Reform nicht schon früher gemacht worden sei.
Sprich, der Bundesgesundheitsminister nimmt ein unkontrolliertes Kliniksterben in Kauf und verschiebt die Verantwortung auf Vorgängerregierungen und die Auswirkungen auf die Länder und Kommunen, die im Zweifel für die Sicherstellung der Krankenhausversorgung geradestehen müssen. Übernahme von Verantwortung für Patientenversorgung und Beschäftigte im Gesundheitswesen sieht anders aus. Denn jede Krankenhausinsolvenz kann einen schwierigen regionalen Adhoc-Umbau der Patientenversorgung nach sich ziehen, da Notfallaufnahmen in vielen Regionen bereits heute schon an ihre Grenzen stoßen und auch die ambulante Versorgung Überlastung beklagt. Auch stehen hinter jeder Insolvenz Beschäftigte, für die sich Lebenspläne ändern, sich Brüche in Aus- und Weiterbildung ergeben und die im schlimmsten Fall der medizinischen Versorgung dadurch langfristig nicht mehr zur Verfügung stehen.
Klar ist heute schon, dass die Krankenhausreform frühestens Anfang 2026, in vielen Bundesländern auch später, ihre Effekte entfalten wird. Denn Umbauprozesse wie Fusionen, Konzentrationen, die Neubauten erfordern, Spezialisierung in den Häusern und auch der Umzug von Beschäftigten lassen sich nicht über Nacht und auch nicht ohne finanzielle Mittel bewerkstelligen. Bis dahin müssen die Kliniken, gerade die, die in die Notfallversorgung eingebunden sind, finanziell stabilisiert werden.
Laut Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW sind im Jahr 2023 (bis Stand 10.8.2023) in NRW bislang sieben Klinikinsolvenzen zu verzeichnen. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 gab es bundesweit lediglich zehn Insolvenzen. Weitere Insolvenzen sind zu befürchten, da den Kliniken bis heute weder für die anhaltende Inflation noch für die beschlossene Tariferhöhung ab 2024 von gut zehn Prozent eine ausreichende Kompensation zur Verfügung steht, so die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V.. Zurecht fordert sie, dass die Bundesregierung dafür sorgen muss, dass die Krankenhäuser ihren Beschäftigten die verdienten Tarifsteigerungen zahlen können müssen, ohne dabei selbst in Liquidationsprobleme zu kommen.
Herr Lauterbach betont gerne, dass wir eine Überversorgung haben. Vielleicht nimmt er die sich andeutenden Insolvenzen daher billigend in Kauf. Er verkennt aber, dass wir gleichzeitig in manchen Bereichen (z.B. Kinderintensivstationen) und ländlichen Regionen auch eine klare Unterversorgung haben, die auch durch ambulante Strukturen nicht aufzufangen ist. Eine ungeordnete Strukturbereinigung im Kliniksektor kann daher regional die Versorgungssicherheit für Patienten gefährden und muss verhindert werden. Die Krankenhausversorgung muss so lange stabil gehalten werden, bis die anstehende Reform, die wir in ihrer Zielsetzung ausdrücklich begrüßen, ihre Wirkung entfaltet.
Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein