Die Bezeichnung einer Arztpraxis mit zwei Ärzten als „Zentrum“ für ästhetische und plastische Chirurgie ist nicht irreführend oder unlauter, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main (Urteil vom 11.5.2023, AZ: 6 U 4/23). Jedenfalls im medizinischen Bereich weise der Begriff „Zentrum“ auf keine besondere Größe hin.
von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg
Der Name einer Praxis stellt zwar keine Werbung nach dem klassischen Verständnis dar. Er ist aber ein zentraler Punkt der Außendarstellung und vermittelt Patientinnen und Patienten ein Bild der Praxis. Aus diesem Grund darf der Name – ebenso wie jede andere Werbung – den Patientenkreis nicht in die Irre führen, sondern muss wahre Verhältnisse widerspiegeln.
Der Begriff des „Zentrums“ in verschiedenen Spielarten, wie zum Beispiel „Augenzentrum“, „Laser-Venen-Zentrum“ oder „Radiologie-Zentrum“, ist dabei ein Klassiker, der ebenso wie der Begriff der „Klinik“ immer wieder Anlass für Streitigkeiten gibt.
Vorwurf der unlauteren Werbung
In dem Urteil des OLG Frankfurt ging es um eine Gemeinschaftspraxis, die als „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“ bezeichnet wurde. Sie wurde von zwei Gesellschaftern, Fachärzten für plastische und ästhetische Chirurgie, betrieben. Der Antragsteller, ebenfalls ein niedergelassener plastischer Chirurg, hielt diese Bezeichnung für unlauter gemäß § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (UWG). Seiner Ansicht nach setzt der Begriff „Zentrum“ eine bestimmte Mindestzahl von Ärzten sowie eine bestimmte Größe der Praxis voraus.
Das Oberlandesgericht hat, anders als die Vorinstanz, die Werbung mit der Bezeichnung „Zentrum“ nicht für irreführend gehalten. Maßgeblich sei, wie Ärztinnen und Ärzte sowie potenzielle Patienten die beanstandete Werbung verstehen. Grundsätzlich erwarte die Zielgruppe zwar in anderen Bereichen bei dem Begriff „Zentrum“ eine personelle und sachliche Struktur eines Unternehmens, die über die vergleichbarer Durchschnittsunternehmen hinausgehe. Jedenfalls im medizinischen Bereich weise der Begriff „Zentrum“ aber nicht (mehr) auf eine besondere Größe hin.
MVZ setzt keine Mindestgröße voraus
Nach den aktuellen gesetzlichen Vorgaben erfordert ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) keine bestimmte Größe (§ 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Auch das Erfordernis einer fachübergreifenden Kooperation ist seit der Reform des SGB V 2015 weggefallen.
Praxen mit zwei tätigen Ärzten hätten demnach, so das Gericht, die Möglichkeit, unter der Bezeichnung „Medizinisches Versorgungszentrum“ auf dem Markt aufzutreten. Die Öffentlichkeit sei mit der Häufigkeit des Auftretens von MVZ auf dem Markt an diese Begrifflichkeit gewöhnt. Das häufige Auftreten von Versorgungszentren wirke dem Verständnis entgegen, dass von einer überdurchschnittlichen Größe der Praxis auszugehen sei. Mithin würden die Adressaten der Werbung mit einem medizinischen Zentrum heutzutage keine überdurchschnittliche Praxisgröße mehr verbinden. Eine Ungleichbehandlung einer Ärzte GbR mit einem MVZ sei zudem verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.
Geänderte Rechtsprechung
Die Entscheidung bestätigt den Trend der Rechtsprechung der letzten Jahre. Ebenso hatten zum Beispiel bereits das Hamburgische Berufsgericht für die Heilberufe (Urteil vom 3.9.2014, Az. 47 H 3/12) und das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteil vom 19.9.2014, Az. 7 K 8148/13) geurteilt.
Das Landesberufsgericht für Ärzte in Stuttgart hat im Urteil vom 20.7.2022 (LBGÄ Nr. 1/2022) sogar entschieden, dass selbst bei einer Einzelperson, die sich als Zentrum bezeichnet, keine Gefahr der Irreführung besteht, sofern die Praxis aufgrund ihrer fachlichen Expertise und Spezialisierung eine herausragende Rolle in einem bestimmten medizinischen Bereich spielt. Gegenstand der dortigen Entscheidung war ein vermeintlicher Verstoß gegen § 27 Abs. 3 der Berufsordnung aufgrund irreführender Werbung durch Nutzung des Zentrumsbegriffs. Das LBGÄ gab der beklagten Ärztin recht und befand die Benennung der Einzelpraxis als „Wirbelsäulenzentrum“ für rechtmäßig.
Besonderes Leistungsspektrum
Das LBGÄ führte dazu allerdings noch aus, ein Zentrum werde auch als eine Einrichtung verstanden, die aufgrund ihrer besonderen Spezialisierung eine besondere Bedeutung aufweist. Qualitative Merkmale waren bei der Entscheidung des OLG Frankfurt nicht streitgegenständlich. Allerdings dürfte auch hier der Gedanke eine Rolle gespielt haben, dass ein medizinisches Versorgungszentrum, welches keine besonderen Qualitätsmerkmale oder kein besonderes Leistungsspektrum nachweisen kann, nicht Zentrum genannt werden kann.
Fazit
Die Ankündigung einer Praxis als „Zentrum für …“ kann auch für kleinere Praxen zulässig sein. Die Tatsache, dass sich hier eine einheitliche Rechtsprechung verfestigt, ist zu begrüßen. Offen bleibt aber weiterhin, ob die als Zentrum bezeichnete Praxis von ihrem Leistungsspektrum beziehungsweise ihrer Spezialisierung her erheblich vom Angebot einer vergleichbaren Arztpraxis abweichen muss.
Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.