Die Bundesregierung will den Konsum von Cannabis legalisieren. Doch das Vorhaben ist problematisch. Nicht zuletzt aus medizinischer Sicht spricht vieles gegen eine Freigabe der Droge zu Genusszwecken. Gemeinsam positionierten sich Ärzte- und Psychotherapeutenschaft in Nordrhein gegen eine Legalisierung und erteilten den Plänen aus Berlin eine klare Absage.
von Christopher Schneider und Thomas Petersdorff
Fahrlässig, unverantwortlich und eine enorme Belastung für die ambulante Versorgung – das Votum von Ärzte- und Psychotherapeutenschaft in Nordrhein ist einstimmig. „Wir schaffen uns mit der Legalisierung definitiv mehr Probleme, als man damit lösen könnte“, betonte Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), auf einer Pressekonferenz im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft. Neben dem KVNO-Vorstand nahmen an dieser auch Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, und Gerd Höhner, Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW, teil.
Insbesondere beim Jugendschutz setze die Regierung mit ihren Plänen zur Freigabe von Cannabis falsche Signale. „Ich bin in höchstem Maße skeptisch und fürchte, dass die Politik im Falle einer Legalisierung schwerwiegende Gefahren für die Gesundheit von Jugendlichen bewusst in Kauf nimmt“, kritisierte Bergmann. Nach Ansicht des KVNO-Chefs werden das hohe Suchtpotenzial von Cannabis und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die ambulante Versorgung in der politischen Diskussion massiv unterschätzt. „Als Neurologe und Psychiater weiß ich um die Gefahr der Abhängigkeit von der Droge – dies wird sich auch auf die ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung auswirken“, erklärte Bergmann. Sollte Cannabis flächendeckend legalisiert werden, rechne er mit einem deutlichen Anstieg bei der Behandlung von Suchterkrankungen und depressiven Störungen, was die ohnehin schon knappen Ressourcen in der ambulanten Versorgung noch weiter strapazieren werde.
Aufklärung statt weiterer Suchtmittel
Für den Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, würde eine Legalisierung von Cannabis die bereits seit Jahren in der Gesellschaft durchgeführten Anstrengungen für eine allgemeine Konsumreduzierung von Suchtmitteln erheblich konterkarieren. „Statt die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit neuer Suchtmittel zu ermöglichen, sollten wir eher dafür sorgen, dass Konsumierende, deren Suchtmittelkonsum zu Problemen führt, möglichst früh effektive Hilfen zur Reduzierung der mit dem Konsum verbundenen Risiken und Schäden erhalten“, so Henke. Er plädierte für eine Ausweitung gezielter und evaluierter Präventionsstrategien – beginnend in den Schulen bis hinein in die Arbeitswelt, Freizeit und weitere Lebenswelten – mit dem Ziel, dass insgesamt weniger Menschen Suchtmittel konsumieren.
Richtlinien der Psychotherapie nicht anwendbar
Dass durch eine Cannabislegalisierung vor allem die Nachfrage nach psychotherapeutischen Leistungen zunehmen könnte, befürchtet auch Gerd Höhner. Schon heute arbeiteten psychotherapeutische Praxen am Limit und könnten den Therapiebedarf teils nur unzureichend decken. Ferner wies Höhner darauf hin, dass „die geltenden Vorgaben zur Durchführung der Psychotherapie im Falle einer Cannabislegalisierung gar nicht umsetzbar seien.“ In der Praxis dürfe eine ambulante Psychotherapie nur dann erfolgen, wenn nach maximal zehn Behandlungsstunden eine vollständige Suchtmittelfreiheit beim Patienten oder der Patientin erreicht werde. „Dieses Kriterium würde aber durch einen frei zugänglichen, legalen Konsum ad absurdum geführt“, so der Präsident der Psychotherapeutenkammer.
Äußerungen der NRW-Landesregierung begrüßt
Gemeinsam setzen Kammervertreter und der KVNO-Vorstand auf die legalisierungskritischen Äußerungen einiger Bundesländer, darunter auch das Land NRW. Dessen Gesundheitsminister, Karl-Josef Laumann, hatte sich zuletzt mehrfach gegen die Abgabe von Cannabis in Modellregionen ausgesprochen. „Er kann sich sicher sein, dass ihn die hiesige Ärzte- und Psychotherapeutenschaft nach Kräften dabei unterstützt, eine umfassende Legalisierung zu verhindern“, so KVNO-Vize Dr. Carsten König. „Andernfalls drohen wir einer Entwicklung Tür und Tor zu öffnen, deren negative Folgen für die gesamte Gesellschaft vermutlich immens wären“.
Christopher Schneider ist stellvertretender Pressesprecher der KV Nordrhein.
Thomas Petersdorff ist Pressereferent bei der KV Nordrhein.