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Wiederaufbau nach der Flut

21.11.2023 Seite 26
RAE Ausgabe 12/2023

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 12/2023

Seite 26

  • Der Röntgenraum des Krankenhauses einen Tag nach der Flutwelle. © Marien-Hospital
  • Alles neu – Vom Kaffeelöffel bis zu den kompliziertesten medizinischen Geräten: das Marien-Hospital in Erftstadt-Liblar zwei Jahre nach der Flutkatastrophe. © Marien-Hospital
  • Volle Verwüstung: die Eingangshalle des Marien-Hospitals nach der Flut. © Marien-Hospital
  • Modern und hell: Der neue Eingangsbereich des Krankenhauses. © Marien-Hospital
In der Nacht zum 15. Juli 2021 fielen in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz 100 bis 150 Liter Regen pro Quadratmeter. Der Großteil der Wassermassen prasselte in einem kurzen Zeitfenster von zehn bis 18 Stunden herab, aus kleinen Bächen wurden reißende Flüsse. Infolge des Hochwassers sterben mehr als 180 Menschen. In Erftstadt-Liblar zerstörten die Fluten des ansonsten harmlosen Flüsschens Erft das Marien-Hospital. Jetzt, zwei Jahre später, ist das Krankenhaus wieder betriebsbereit.

von Vassiliki Temme

Das Ausmaß der Katastrophe war immens: Zerstörte Bahnstrecken, Straßen, Brücken und Mobilfunkmasten – vielerorts waren Gas-, Strom- und Wasserversorgung teilweise wochenlang lahmgelegt. Allein in Nordrhein waren 145 Arztpraxen und im ganzen Land NRW 68 Krankenhäuser unterschiedlich schwer vom Hochwasser im Sommer 2021 betroffen.

So auch das Marien-Hospital in Erftstadt-Liblar – verwüstet durch eine meterhohe Flutwelle, die nur Schlamm und Trümmer zurückließ (siehe auch RÄ 10, 2021). „Nach der Flut musste und konnte erst einmal nur aufgeräumt und entsorgt werden. Hunderte Container Abfall sind dabei zusammengekommen“, erklärt Dr. jur. Franz-Georg Rips, Vorstand der Stiftung Marien-Hospital Erftstadt-Frauenthal, im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt und ergänzt: „Das haben in den ersten drei, vier Monaten alles unsere Ärztinnen, Ärzte, Schwestern und Pfleger übernommen. Danach begann der Wiederaufbau.“ Für die Versorgung der Patientinnen und Patienten in der Region sei das Krankenhaus der Grundversorgung mit Schwerpunkten in der Inneren Medizin und der Chirurgie bitter nötig, erklärt Rips. In den vergangenen zwei Jahren hätten benachbarte Krankenhäuser die Behandlung der Patienten übernommen. „Das hat allerdings zu einer nicht unerheblichen Überbeanspruchung dieser Kliniken geführt“, sagt Rips. „Es ist im allgemeinen Interesse und im Sinne der Daseinsvorsorge, dass wir unseren Versorgungsauftrag wieder erfüllen.“ Die Wiedereröffnung des „nun modernsten Krankenhauses in Deutschland“ – wie der Stiftungsvorstand es formuliert – fand am 1. November im kleinen Kreis, aber in Anwesenheit von Landesbauministerin Ina Scharrenbach statt. Rips sagt, man habe sich bewusst für eine bescheidene Feier entschieden, im Kreis der Menschen, die am Aufbau beteiligt waren. „Wenn das Krankenhaus komplett fertiggestellt ist, werden wir gemeinsam mit allen Mitarbeitenden eine größere Feier veranstalten.“ Rips ist noch immer berührt vom Zusammenhalt der Belegschaft und aller Betroffenen der Flutkatastrophe in der Region. „Es war eine absolute Ausnahmesituation und wir haben viel Menschlichkeit und Beistand erfahren“, betont der Jurist.

Starker Zusammenhalt 

Doch nicht nur die Beseitigung der baulichen Zerstörung war eine Herausforderung für den Träger des Marien-Hospitals. Es ging auch darum, Wege zu finden, wie man die Mitarbeitenden über die lange Zeit des Wiederaufbaus an sich binden kann. Zum größten Teil sei es dem Krankenhaus und der Stiftung gelungen, Übergangstätigkeiten an anderen Kliniken für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Man habe in jedem Fall verhindern wollen, dass das qualifizierte Personal dauerhaft den Arbeitgeber wechselt, so Rips. „Wir mussten Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte und andere Gesundheitsfachkräfte halten, sonst hätten wir jetzt eine neue Klinik, aber keine Beschäftigten. Das haben wir erfolgreich mit Kurzarbeitsgeld und einer Aufstockungen der Gehälter vonseiten des Trägers geschafft.“ Dadurch sei es gelungen, alle Mitarbeitenden während der gesamten Zeit des Wiederaufbaus sozial abzusichern. Hilfe habe das Krankenhaus von Anfang an auch durch zahlreiche Spenden aus benachbarten Orten und aus ganz Deutschland erfahren. „Das hat uns Kraft geschenkt, um immer weiter zu machen“, blickt Rips zurück auf eine herausfordernde Zeit.
 
Am Tag der Flut sei alles im Einsatz gewesen: Feuerwehr, Hilfskräfte aus der Umgebung, Hubschrauber. „Es ist gelungen, dass Haus innerhalb von wenigen Stunden zu evakuieren und für die Patientinnen und Patienten neue Unterkünfte zu finden, ohne dass es Todesfälle zu beklagen gab“, sagt Rips.

80 Millionen Euro für den Wiederaufbau

Die Kosten für den Wiederaufbau des Marien-Hospitals belaufen sich laut Rips auf knapp 80 Millionen Euro. Der Neubau ist in weiten Teilen fertiggestellt. Ende dieses Jahres rechnet der Stiftungsvorstand mit dem Abschluss der Bauarbeiten – aktuell müssen noch eine Liegestation, die Intensivstation mit 14 Betten und eigener Zufahrt, so dass die Patientinnen und Patienten nicht mehr durch das halbe Krankenhaus transportiert werden müssen, sowie die Küche fertiggestellt werden. „Zurzeit werden die Patientinnen und Patienten von einem Catering-Service versorgt, das klappt sehr gut“, sagt Rips. Eine Besonderheit des Krankenhauses in Erftstadt-Liblar machte es der Zerstörungswut der Wassermassen leicht: „Alle Abteilungen waren vor der Flut ebenerdig untergebracht, was immer als komfortabel empfunden wurde, uns aber letztlich zum Verhängnis wurde. Wir haben deshalb die gesamte Haustechnik jetzt so hoch gelegt, dass sie einer Flutwelle von drei Metern standhalten kann“, sagt Rips. Alle wichtigen Kabel verliefen an den Decken. Es sei eine neue Energiezentrale gebaut worden, die gegen Wasser geschützt ist. Alle Eingänge und Fenster seien mit einem sogenannten „Aqua-Power-Schutz“ versehen und es sei eine Rigole für Regenwasser angelegt worden, die Regenwasser aufnehmen kann, um es anschließend zu versickern. „Wir wissen aber auch, dass wir uns nicht allein aus eigener Kraft vor dem nächsten Hochwasser schützen können. Wir sind auf die überregionale Planung und Unterstützung von Land und Kommune angewiesen und da sehen wir leider noch viel Luft nach oben“, meint Rips.