Mit großen, schielenden Augen und aufgeblähten Wangen gucke ich in ein kleines Gesicht mit noch größeren Augen und aufgeblähteren Backen. Seit zehn Sekunden stehe ich im Zentrum der Aufmerksamkeit des Säuglings während meines Praktikums in einer Kinderarztpraxis. Ich forme meinen Mund zu einem „O“ und zwinkere einmal mit dem linken und einmal mit dem rechten Auge. Anscheinend ist das spannend genug, um mich weiter mit den Augen zu durchbohren. Nur gehen mir langsam die Ideen aus. Ich kann ja schlecht im Sprechzimmer anfangen, irgendwelche Laute zu blöken oder einen komischen Tanz aufzuführen. Oder? Die leuchtenden Kinderaugen treffen mein inneres Kind, und ich zeige, wie gut ich mit den Ohren wackeln und gleichzeitig meine Schultern fliegen lassen kann. Das Kind schluckt, die Eltern schmunzeln und der Arzt bricht endlich die Stille, indem er sein Stethoskop zückt. Langsam und geübt nähert er sich der Brust des Kleinen. Die Folge ist ein markerschütternder Schrei, so etwas Schreckliches wie das kalte Stethoskop hat der Säugling noch nie gefühlt und diesen fremden Mann noch nie gesehen. Doch dieser fremde Mann hat schon so viele angsterfüllte und schreiende Kinder untersucht, dass er mit den drei übrig gebliebenen Haarzellen im Innenohr den Schrei gar nicht wahrnimmt und noch einen Versuch wagt. Diesmal legt er das Stethoskop auf seine eigene Brust, klopft ein paarmal und erhält die Aufmerksamkeit des Kleinen. Noch langsamer als beim ersten Mal nähert er sich dem Kind und legt das Stethoskop in die kleine Hand und umhüllt mit sanfter Stimme den ganzen Raum. Ohne Geschrei, aber unter genauester Begutachtung darf der Arzt nun die kleine Lunge abhören. Das Kind vertraut der fremden Hand bei den ganzen weiteren Untersuchungen bis zu dem Zeitpunkt, als der Arzt die Impfnadel wieder aus dem Oberschenkel zieht. Die Schmerzen nicht verstehend bricht für das Baby die kleine Welt zusammen. Die Arme der Eltern fügen einiges wieder zusammen, nur nicht das Vertrauen zum Kinderarzt.
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