Ländern und Kommunen kommt eine wichtige Rolle zu, wenn es darum geht, die Bevölkerung vor Hitzewellen zu schützen. Die Ärzteschaft hat bekräftigt, dass sie mit ihrem Fachwissen bereitsteht, um bei der Planung und Umsetzung von Hitzeaktionsplänen mitzuwirken.
von Marc Strohm
Der Sommer 2018 stellte in Deutschland regionale Hitzerekorde auf. In Frankfurt am Main lagen die Temperaturen nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes im Juli und August 18 Tage hintereinander bei über 30 Grad Celsius, verbreitet herrschte große Trockenheit. Die Folgen der Hitzewelle und Dürre: Felder vertrockneten, das Niedrigwasser des Rheins behinderte die Binnenschifffahrt und Wälder standen in Flammen. Nicht nur die Natur litt unter dem extremen Wetter; auch der Gesundheit vulnerabler Patientinnen und Patienten schadeten die hohen Temperaturen. Rund 8.700 Menschen kamen damals nach Angaben des Robert Koch-Instituts infolge der Hitzewelle ums Leben. Und noch immer sei die Bevölkerung in Deutschland kaum vor langanhaltenden Hitzeperioden geschützt, kritisiert Professor Dr. Thomas Kistemann, stellvertretender Direktor und Leitender Oberarzt des Instituts für Hygiene und Public Health an der Universitätsklinik Bonn, im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. Der Umweltmediziner war ab 2019 an der Leitung des Projekts Hitzeaktionsplans für Menschen im Alter für die Stadt Köln beteiligt. Seit Juni 2022 ist der Plan einsatzbereit.
Köln unterhält ein Hitze-Portal
Köln ist damit eine der ersten Städte in Nordrhein-Westfalen, die über einen eigenen Hitzeaktionsplan verfügen. Dieser orientiert sich Kistemann zufolge an einer Handlungsempfehlung der Weltgesundheitsorganisation. Zu deren Kernelementen zähle unter anderem die Nutzung eines Hitzewarnsystems, die Bereitstellung von Informationsmaterial für Bürgerinnen und Bürger sowie die Kommunikation mit der Bevölkerung bei einem Hitzeakutfall. Für Köln bedeutet das: Sobald der Deutsche Wetterdienst eine Hitzewarnung für die Stadt herausgibt, wird diese über verschiedene Kommunikationskanäle verbreitet, darunter als Lauftext auf den elektronischen Anzeigetafeln in Bussen und Bahnen der Kölner Verkehrsbetriebe. Um die Handlungskompetenz der Bürger bei Hitze zu stärken, informiert die Stadt außerdem im Internet auf einem „Hitze-Portal“ unter anderem über richtige Verhaltensweisen bei hohen Temperaturen. Eine virtuelle Stadtkarte auf der Webseite weist den Bürgern den Weg zum nächstgelegenen Trinkbrunnen. Fragen, wie man sich vor Hitze schützen kann, beantwortet ein ärztlich geleitetes „Hitzetelefon“ des Kölner Gesundheitsamtes. Die Kölner Mundartband „Klabes“ tourte mit einem Lied zum Thema Hitzeschutz durch verschiedene Senioreneinrichtungen. Als weitere Maßnahme zum Schutz vor hohen Temperaturen wurden im Sommer öffentliche Plätze mit Wasser gekühlt. Aktuell richte sich das Informationsangebot der Stadt Köln überwiegend an ältere Personen, doch es sei geplant, künftig auch andere vulnerable Gruppen zu berücksichtigen, erklärt Kistemann. Den Kölner Hitzeaktionsplan sieht der Umweltmediziner und Gesundheitsgeograf als Blaupause für NRW. Aber nicht nur hierzulande, sondern bundesweit tauschten sich Städte und Kommunen zum Hitzeschutz aus, um voneinander zu lernen.
Hitzeschutz als ärztliche Aufgabe
Auch die Ärzteschaft misst dem Thema immer größere Bedeutung bei. Die Bundesärztekammer (BÄK) initiierte am 14. Juni mit der Botschaft „Hitze kann tödlich sein“ einen Hitzeaktionstag, um auf die Defizite beim Gesundheitsschutz aufmerksam zu machen. Zusammen mit den Landesärztekammern, dem Deutschen Pflegerat sowie der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit forderte die BÄK von der Politik, einen klaren gesetzlichen Rahmen für einen verpflichtenden gesundheitlichen Hitzeschutz auf Bundes-, Landes-, und kommunaler Ebene zu schaffen. Der Hitzeschutz müsse außerdem im Bau- und Arbeitsrecht verankert werden. In einem Positionspapier definierte die BÄK die ärztliche Rolle beim Hitzeschutz, denn Ärztinnen und Ärzten komme bei der Prävention und Behandlung hitzeassoziierter Krankheiten eine zentrale Rolle zu. Aus diesem Grund müsse das Thema auch stärker in der ärztlichen Aus-, Fort-, und Weiterbildung berücksichtigt werden. Die BÄK empfiehlt Ärztinnen und Ärzten, das direkte Gespräch mit vulnerablen Patientengruppen zu suchen, um diese über Hitzerisiken und präventive Maßnahmen aufzuklären. Ebenso könnten Poster, Flyer und Broschüren im Wartezimmer ausgelegt werden (siehe Kasten). Daneben wirbt die BÄK für ein stärkeres Engagement der Ärzteschaft in örtlichen Hitzeschutzbündnissen, um in Kooperation mit Gesundheitsämtern, Apotheken, Rettungsdiensten sowie dem Katastrophenschutz lokale Hitzeaktionspläne anzuregen oder in Abstimmung mit den Kommunen umzusetzen.
Hitzewarnung per App oder SMS
In NRW beteiligt sich die Ärztekammer Nordrhein gemeinsam mit anderen Akteuren unter Federführung des Gesundheitsministeriums und des Landeszentrums Gesundheit NRW an der Erstellung von einrichtungsbezogenen Hitzeschutzplänen, beispielsweise für Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser. Auf Bundesebene kündigte Gesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach Ende Juni einen Hitzeschutzplan an. In einem Papier des Bundesgesundheitsministeriums heißt es unter anderem, dass derzeit geprüft werde, wie möglichst viele Menschen vor Hitze gewarnt werden können, etwa durch SMS oder eine App. Bereits in diesem Herbst soll eine Bestandsaufnahme und Analyse bestehender Konzepte durchgeführt werden. Im Frühjahr 2024 soll dann in einem „Preparedness Check“ abgeglichen werden, wie gut Deutschland auf die nächste Hitzewelle vorbereitet ist.
Informationsmaterial für heiße Tage
- Die Patientenberatung der Ärztekammer Nordrhein hat auf der Webseite www.aekno.de/patientenberatung unter dem Reiter „Aktuelles“ • Informationsmaterial für Patientinnen und Patienten zum Thema Hitzeschutz zusammengestellt.
- Das Hitze-Portal der Stadt Köln ist abrufbar unter www.stadt-koeln.de/hitzeportal
- Das ärztlich geleitete Hitzetelefon des Gesundheitsamtes der Stadt Köln ist von Montag bis Freitag von 9 bis 15 Uhr unter der Telefonnummer: erreichbar.