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Gesundheits- und Sozialpolitik

Stationäre und ambulante Versorgung smart vernetzt durch eliPfad

14.07.2023 Seite 17
RAE Ausgabe 8/2023

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 8/2023

Seite 17

  • „Wir möchten die Versorgung der Patientinnen und Patienten als Teamleistung gestalten.“ Dr. Christian Flügel-Bleienheuft © Ulike Fackert, Spiegelbild Fotografie
  • „Ungeplante Rehospitalisierungen sind oft ein Ausdruck von Versorgungsbrüchen und einem lückenhaften Informationsaustausch.“ Dr. Ralf Becker © Julia Schön, PVS Westfalen-Nord
Angesichts der steigenden Anzahl multimorbider Patientinnen und Patienten mit komplexem Versorgungsbedarf sind innovative Modelle zur sektorenübergreifenden Versorgung erforderlich. Das Projekt „eliPfad“ möchte die ungeplante Wiederaufnahme nach einem Krankenhausaufenthalt – den „Drehtüreffekt“ – bei älteren, multimorbiden und chronisch Kranken verringern. Im September 2023 startet die randomisierte kontrollierte Studie unter der Konsortialführung der Uniklinik Köln an sechs Standorten. Der ambulante Fachbereich wird durch zwei Gesundheitsnetzwerke vertreten, das Gesundheitsnetz Köln Süd (GKS) und Medis Münster. Im Interview berichten Dr. Christian Flügel-Bleienheuft (GKS) und Dr. Ralf Becker (Medis Münster) über die innovativen Komponenten in eliPfad und den Mehrwert für Niedergelassene.

RÄ: eliPfad soll als neue Versorgungsform eingesetzt werden. Was ist das Innovative an diesem Projekt?
Dr. Christian Flügel-Bleienheuft: In eliPfad werden innovative Instrumente implementiert, die zum Teil schon als Einzelmaßnahmen eingesetzt wurden, aber noch nicht als zusammenhängendes Gesamtpaket. Als zentrale Instanz zur KoRhÄ: ordinierung der Versorgungsbedarfe und als „Kümmerer“ für die Patientinnen und Patienten sind speziell geschulte FallRhÄ: manager zuständig. Dem InformationsRhÄ: austausch zwischen den Leistungserbringern dient eine einrichtungsgeführte elektronische Patientenakte, die ePA. Zudem erhalten die Patientinnen und Patienten noch auf Station zur Unterstützung ein RhÄ: seniorengerechtes Tablet, den Smarten RhÄ: Assistenten. Dieser enthält unter anderem physiotherapeutische Übungsvideos und dient als Schnittstelle für die Vitaldaten, die von mehreren medizinischen Wearables wie Schrittzähler oder Pulsmesser an das Tablet übertragen werden.
Dr. Ralf Becker: Im Gegensatz zur Regelversorgung werden wir als NiedergeRhÄ: lassene bereits während des stationären Aufenthalts unserer Patienten kontaktiert. Bei interdisziplinären Fallkonferenzen, den eliBoards, erstellen wir gemeinsam im Team einen Behandlungsplan für unsere Patientinnen und Patienten, während diese noch im Krankenhaus sind. Auch bei der Nachbetreuung können solche eliBoards bei Bedarf wieder einberufen werden. Dadurch wollen wir eine bessere Versorgung während des gesamten Prozesses sicherstellen und uns im Team mit den Ärztinnen und Ärzten auf Station um die Patientinnen und Patienten kümmern.

RÄ: Bislang hört sich das nach einem Mehraufwand für die Beteiligten an. Was haben niedergelassene Ärztinnen und Ärzte von der Teilnahme an eliPfad?
Becker: Für die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte sind die Nutzung der ePA und die Teilnahme an den eliBoards zwar mit einem gewissen Aufwand verbunden, der allerdings auch finanziell entschädigt wird. Gleichzeitig werden wir als Niedergelassene durch die Fallmanager bei der Versorgung der eliPfad-Patientinnen und -Patienten unterstützt. Das bedeutet, dass die Fallmanager unsere Patientinnen und Patienten zu Hause aufsuchen, ihre Vitaldaten und das Symptomtagebuch in regelmäßigen Abständen kontrollieren und uns bei Auffälligkeiten kontaktieren. Falls sich Werte verschlechtern, können wir dementsprechend rechtzeitig reagieren. So gesehen agieren die Fallmanager nahe an den Patientinnen und Patienten und können die Praxen durch die engmaschige Betreuung entlasten.
Flügel-Bleienheuft: Wir möchten die Versorgung der Patientinnen und Patienten als Teamleistung gestalten und die isolierten Strukturen des Gesundheitssystems überwinden. In eliPfad haben wir die RhÄ: Möglichkeit, uns in die Erstellung des Behandlungsplans einzubringen und Informationen zwischen den Sektoren auf kurzem Weg auszutauschen. Dazu bietet neben den eliBoards die elektronische Fallakte die Möglichkeit, schnell und unkompliziert auf wichtige Dokumente des stationären Sektors wie Entlassberichte und Medikationspläne zuzugreifen.

RÄ: Was war Ihre Motivation als hausRhÄ: ärztliche Internisten dieses Projekt mitzugestalten? 
Flügel-Bleienheuft: Als Internist muss ich regelmäßig Patientinnen und Patienten akut stationär einweisen, wenn ich sie nicht mehr ambulant betreuen kann. Sobald diese Patientinnen und Patienten allerdings im Krankenhaus sind, wird der InformaRhÄ: tionsaustausch zwischen uns Niedergelassenen und den Stationsärzten schwierig. Wir verfügen als langjährige Hausärzte über ein großes Hintergrundwissen zu unseren Patienten, konnten dies in der RhÄ: Vergangenheit aber oft nur schwer an die KlinikRhÄ: ärztinnen und -ärzte weitergeben. Dadurch gingen wichtige Informationen verloren. Brüche in der Versorgung entstehen daher leider gerade bei dieser komplexen Patientengruppe häufig. Deswegen sind wir als Niedergelassene auf die ÄrztinRhÄ: nen und Ärzte der Uniklinik Köln zugegangen und haben ihnen unsere ersten Ideen für dieses Projekt geschildert.
Becker: Für beide Seiten, sowohl für die niedergelassenen als auch für die stationären Ärztinnen und Ärzte, ist ein kontinuierlicher Informationsaustausch essenziell. Das Gesundheitssystem wird bekanntermaßen durch den demografischen Wandel, den Fachkräftemangel und immer komplexere Versorgungsbedarfe in zunehmendem Maß belastet. Wir müssen es deshalb schaffen, effizienter zusammenzuarbeiten. Ungeplante Rehospitalisierungen sind oft ein Ausdruck von Versorgungsbrüchen und einem lückenhaften Informationsaustausch. Unter diesen systemgenerierten Problemen leidet die Qualität der Versorgung. Das geht für die Patientinnen und Patienten nachweislich mit einer höheren Mortalität einher. Wir wollen daher die Versorgung bei jenen, die ein erhöhtes Risiko für eine Rehospitalisierung haben, stärker als Teamleistung gestalten: interdisziplinär und sektorenübergreifend.

RÄ: Sie haben bereits beschrieben, wo ein erhöhter Versorgungsbedarf besteht – können Sie die Zielgruppe in eliPfad noch genauer beschreiben? 
Flügel-Bleienheuft: Wir fokussieren uns in eliPfad auf die Gruppe der älteren, chronisch Kranken, die aufgrund häufiger Exazerbationen immer wieder im Krankenhaus landen. Neben kardiologischen Erkrankungen wie KHK und Herzinsuffizienz gehören dazu auch COPD, Diabetes mellitus und Niereninsuffizienz. Die Patientinnen und Patienten, von denen wir wissen, dass für sie ein erhöhtes Risiko für ungeplante Rehospitalisierungen besteht, werden noch während ihres Klinikaufenthaltes in die Studie eingeschlossen.

RÄ: Haben interessierte Niedergelassene noch die Möglichkeit, an eliPfad teilzunehmen?
Flügel-Bleienheuft: Aktuell befinden wir uns noch in Vorbereitung auf die Interventionsphase, der Startschuss fällt dann im September. Dafür möchten wir unbedingt noch mehr Kolleginnen und Kollegen gewinnen. Besonders diejenigen, die in der Versorgung unserer Zielgruppe der multimorbiden, chronisch Kranken hausärztlich tätig sind, sind für das Projekt essenziell. Interessierte können direkt auf die Studienstandorte zugehen, dort wird es vor Start des Projektes Veranstaltungen für Niedergelassene geben. Falls Patientinnen und Patienten der niedergelassenen Ärzte im Rahmen ihres stationären Aufenthaltes in die Interventionsgruppe der Studie eingeschlossen werden, werden die behandelnden Haus- oder Fachärztinnen und -ärzte aber in jedem Fall vonseiten der Klinik kontaktiert. So können Niedergelassene noch im Laufe des Projekts an eliPfad teilnehmen. 

Das Interview führte Nora Wisniowski von der figus GmbH, Privates Forschungsinstitut für Gesundheits- und Systemgestaltung.
 

eliPfad steht für „Personalisierter, interdisziplinärer Patientenpfad zur sektorenübergreifenden Versorgung multimorbider Patientinnen und Patienten“. 
Das Projekt wird mit 12,7 Millionen Euro über vier Jahre vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert. Ziel von eliPfad ist es, dass ältere multimorbide Menschen seltener akut rehospitalisiert werden. Dafür werden sie smart versorgt und sektorenübergreifend vernetzt behandelt. 

eliPfad wird an den folgenden Standorten eingerichtet:

  • Universitätsklinikum Köln
  • Universitätsklinik RWTH Aachen
  • Klinikum Dortmund
  • St. Franziskus-Stiftung Münster 
  • Herz-Jesu-Krankenhaus Hiltrup
  • Marien-Hospital Herne


Weitere Informationen zum Projekt und zur Teilnahme als niedergelassener Arzt oder Ärztin erhalten Sie auf der Homepage unter elipfad.de/ oder 
per E-Mail an info(at)elipfad.de