In einer besonnenen Debatte hat der Deutsche Bundestag am 6. Juni um eine gesetzliche Regelung für die Sterbehilfe gerungen. Am Ende verfehlten jedoch zwei dafür vorgelegte Entwürfe mit unterschiedlichen Bedingungen, Voraussetzungen und Schutzkonzepten jeweils eine Mehrheit. In gleicher Debatte hat der Deutsche Bundestag einen fraktionsübergreifenden Antrag für eine Stärkung der Suizidprävention mit großer Mehrheit angenommen.
Meiner Ansicht nach wird mit der Entscheidung zur Suizidprävention die Möglichkeit erhalten, den ersten Schritt vor dem zweiten zu tun und zunächst die Hilfen zum Weiterleben zu fördern, bevor das Parlament danach gegebenenfalls die Suizidassistenz neu regelt. Denn es wäre schon befremdlich gewesen mitzuerleben, dass es an Geldern zum Aufbau von Beratungsstellen zur Suizidbeihilfe nicht mangelt, während Betroffene in schwersten Lebenskrisen kaum eine Chance auf eine zeitnahe, bedürfnisorientierte Versorgung haben und kaum Beratung finden.
Die Ärzteschaft beteiligt sich gerne an der Vorbereitung eines Gesetzes zur Suizidprävention. So hat die Ärztekammer Nordrhein bereits im Mai 2022 Forderungen zur Suizidprävention aufgestellt. Sie beinhalten den Ausbau und die Sicherung flächendeckender Versorgungsstrukturen, die Einrichtung einer bundesweiten Hotline für Menschen in Lebenskrisen mit Suizidgefährdung sowie die nachhaltige Finanzierung der Suizidprävention, insbesondere für alle Versorgungsbedarfe in suizidalen Krisen für Betroffene, Zugehörige und Hinterbliebene. Die ersten beiden Punkte sind auch im jetzt verabschiedeten fraktionsübergreifenden Antrag zur Stärkung der Suizidprävention enthalten und müssen dann in einem nächsten Schritt auch mit einem Finanzierungskonzept hinterlegt werden.
Denn es darf nicht dazu kommen, dass in Zukunft Unterstützung zum Suizid leichter, weil kostengünstiger zugänglich ist, als Angebote der Suizidprävention, Pflege, sozialer Dienste und Hospiz und Palliativversorgung.
Die Ablehnung der beiden Anträge im Deutschen Bundestag sollte übrigens nicht zu dem Missverständnis führen, dass nun jegliche Unterstützung von Suizidabsichten straffrei zulässig wäre. Grundsätzlich ist der Suizid in Deutschland zwar nicht verboten und ebenso wenig die Beihilfe.
Die Beihilfe ist aber nur dann straffrei möglich, wenn der Suizid freiverantwortlich verübt wird – auch, wenn diese Hilfe geschäftsmäßig, das heißt in Wiederholungsabsicht erfolgt. Kommt die Entscheidung für eine Selbsttötung jedoch nicht freiverantwortlich zustande, ist ein Arzt – ebenso wie ein Nicht-Arzt – zur Lebensrettung verpflichtet. (Siehe hierzu auch die Hinweise der Bundesärztekammer zum ärztlichen Umgang mit Suizidalität und Todeswünschen https://www.aekno.de/presse/suizidpraevention)
Die Ärzteschaft hat sich auf Deutschen Ärztetagen wiederholt mit ihrer Rolle beim assistierten Suizid beschäftigt. Die Einstellungen dazu sind ähnlich breit gefächert wie im Rest der Gesellschaft. Die (Muster)Berufsordnung formuliert jedoch klar, dass es Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte ist, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern und Sterbenden Beistand zu leisten. Das berufsrechtliche Verbot des ärztlich assistierten Suizids aus § 16 der Berufsordnung hob der 124. Deutsche Ärztetag 2021 in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf. Die Abgeordneten stellten jedoch zugleich klar, dass es auch zukünftig keine Verpflichtung von Ärztinnen und Ärzten zur Mitwirkung beim assistierten Suizid geben darf und die Mitwirkung bei der Selbsttötung vom Grundsatz her keine ärztliche Aufgabe ist.
Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein