Die Zahl der jugendlichen Raucher in Deutschland ist wieder gestiegen. Die Daten der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA) zeigen für das Jahr 2022 mit 15,9 Prozent eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt greifen demnach mehr als 400.000 Minderjährige zur Zigarette – obwohl sie laut Jugendschutzgesetz gar keine Tabakprodukte kaufen dürften.
von Vassiliki Temme
Seit Beginn der DEBRA-Studie im Jahr 2016 lag die Tabakraucherquote unter Jugendlichen noch nie so hoch. Die alle zwei Monate durchgeführte Befragung ist mit gut 2.000 Studienteilnehmern eine der umfangreichsten Untersuchungen zum Thema Rauchen in Deutschland. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen insbesondere die Coronapandemie für den starken Anstieg der Zahl jugendlicher Raucher verantwortlich. Gefühle der Isolation infolge der Lockdowns oder auch Krisen innerhalb der Familie hätten viele Jugendliche mithilfe von Tabakkonsum kompensiert. Dazu kamen Ungewissheit und Angst durch den Ukrainekrieg, die, so die Forscher, Suchterkrankungen getriggert oder gefördert haben. Allerdings habe auch die Rückkehr in die Normalität nach der Pandemie mit mehr Sozialkontakten und Geselligkeit den Suchtmittelkonsum befördert. Ein Interview mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Süddeutschen Zeitung von Februar zeigt, dass viele die Zigarette in Gesellschaft bevorzugen. „Man sieht am steigenden Tabakkonsum unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr deutlich, dass die Pandemie ihre Spuren hinterlassen hat. Jetzt gilt es, diesen Trend abzufangen und Aufklärung zum Beispiel in Schulen und über soziale Medien zu verstärken“, fordert Dr. Oliver Funken, Vorsitzender des Ausschusses Prävention und Gesundheitsförderung der Ärztekammer Nordrhein, im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt.
Laut DEBRA-Studie sind neben den klassischen Zigaretten auch E-Zigaretten enorm beliebt bei den 14- bis 17-Jährigen, hier zeigt sich ein Anstieg von 0,5 auf 2,5 Prozent. Experten warnen bereits seit einigen Jahren, dass die fruchtigen Aromen der elektronischen Zigaretten den Einstieg in die Nikotinabhängigkeit erleichtern. Anfang dieses Jahres hat der Bundesrat den Bundestag aufgefordert sich für ein EU-weites Verbot von Einweg-E-Zigaretten einzusetzen. Damit soll neben dem Aspekt der Gesundheits- und Krebsprävention auch weiterer Plastikmüll vermieden werden sowie der falschen Entsorgung und dem Verbrauch von wertvollen Rohstoffen wie Aluminium und Lithiumionen entgegengewirkt werden.
Für das Herz-Kreislaufsystem sind E-Zigaretten genauso gefährlich wie klassische Zigaretten. Der langfristige Konsum der elektronischen Variante kann die Funktion der Blutgefäße erheblich beeinträchtigen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Diese Ergebnisse stammen aus zwei aktuellen Studien der University of California in San Francisco, die vom National Heart, Lung and Blood Institute (NHLBI), einem Teil des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, unterstützt wurden. „Die E-Zigarette stellt eher Einstieg als Abgewöhnung dar, es handelt sich eben nicht um eine harmlose Alternative. Als E-Zigaretten auf den Markt kamen, hatten wir keine Datenlage zu den Risiken. Jetzt sind wir viele Schritte weiter, aber diese Informationen müssen auch bei den jungen Raucherinnen und Rauchern ankommen. Die Politik hat hier Handlungsbedarf“, betont Funken.
Gift für die Umwelt
Doch das Rauchen stellt nicht nur eine Gefahr für die individuelle Gesundheit von Raucherinnen und Rauchern dar. Der Anbau von Tabak schädigt auch in erheblichem Maße die Umwelt. Für die Tabakproduktion werden jährlich 600 Millionen Bäume und 200.000 Hektar Land gerodet sowie 22 Milliarden Tonnen Wasser verbraucht. Außerdem werden rund 84 Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. Dies geht aus dem Bericht „Tobacco: Poisoning Our Planet“ der Weltgesundheitsorganisation hervor. Hinzu komme, dass Tabakpflanzen wichtiges Ackerland in Ländern des globalen Südens besetzten, das damit für den Nahrungsmittelanbau wegfalle. Bis zu einem Viertel aller Tabakbauern erkrankten außerdem an der sogenannten „Grüner-Tabak-Krankheit“, einer Vergiftung durch das über die Haut aufgenommene Nikotin. Landwirte, die den ganzen Tag mit Tabakblättern umgingen, nähmen täglich das Nikotin-Äquivalent von 50 Zigaretten auf. Besonders besorgniserregend sei in diesem Zusammenhang, dass Kinderarbeit im Tabakanbau vor allem in Asien, Afrika und Südamerika sehr verbreitet ist. „Dieser Aspekt der Klimaschädlichkeit und der Ausbeutung von Menschen und Land ist für Ärztinnen und Ärzte eine Chance, vor allem junge Raucherinnen und Raucher zu erreichen und ihnen einen weiteren Grund zum Aufhören zu geben“, erläutert Funken. Die junge Generation springe auf Apelle wie: „Das ist schlecht für eure Gesundheit“ nicht an; das habe man in der Pandemie gesehen. „Wenn man jung ist, glaubt man, nichts kann einem etwas anhaben, und man hört nicht gerne auf Bevormundungen. Ich finde der Klimaaspekt gibt uns zusätzliche Argumente, um Jugendliche zum Nichtrauchen zu motivieren“, so Funken.