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Gesundheits- und Sozialpolitik

Wieder ein „erstes Mal“

25.10.2022 Seite 20
RAE Ausgabe 11/2022

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 11/2022

Seite 20

Beim ersten Sommerempfang seit Beginn der Coronapandemie luden Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein Mitte September zum gesundheitspolitischen Austausch nach Düsseldorf ein. 

von Jocelyne Naujoks

„Das erste Mal seit Beginn der Coronapandemie“ könnte der meist genutzte Ausspruch des Jahres 2022 werden. Das erste Mal wieder ins Kino, in den Urlaub, auf eine Geburtstagsparty – oder eben zum Sommerempfang der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein. Rund 120 Gäste waren nach drei Jahren Coronapause der Einladung ins Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf gefolgt. „Die Coronapandemie, die Flutkatastrophe und der Ukrainekrieg – wer hätte 2019 gedacht, was uns in den kommenden Jahren alles ereilen würde“, blickte Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, zurück. „Pandemien und Naturkatastrophen wirken über den Moment des Ereignisses hinaus und haben noch über Jahre massive Ängste und hohen Behandlungsbedarf zur Folge“, sagte er. Der Angriffskrieg auf die Ukraine habe das Sicherheitsgefühl weiter erschüttert. Nicht vergessen dürfe man zudem den Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Gesundheit. Die Ärztekammer Nordrhein selbst habe sich als Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu sein.  

Zimmer wies zudem auf eines der drängendsten Probleme der kommenden Jahre hin: den Personalmangel und die damit einhergehende Überlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern und Praxen. Der Fachkräftemangel sei nicht die Konsequenz schlechter Motivation, sondern schlechter Arbeitsbedingungen. „Ein Viertel der jungen Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern möchten lieber heute als morgen wieder aufhören“, so Zimmer. Erfreulich sei, dass die Zahl der Auszubildenden zur Medizinischen Fachangestellten in Nordrhein-Westfalen auf einem Höchststand sei.

Kritik übte Zimmer an den Sparplänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, um das Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung von rund 17 Milliarden Euro auszugleichen. Die geplante Abschaffung der Neupatientenregelung, die eine extrabudgetäre Vergütung der Leistungen für diese Patientengruppe vorsieht, sei nicht nachvollziehbar, sagte er in Richtung des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministers Karl-Josef Laumann, der unter den Gästen war. 
 

Ähnlich wie Zimmer bezeichnete der Gesundheitsminister die Personalfrage als die größte Herausforderung im Gesundheitswesen. Es brauche mehr Medizinstudienplätze, um den Personalmangel im ärztlichen Bereich zu beheben, sagte er in seiner Ansprache. Mit der Einrichtung der medizinischen Fakultät OWL in Bielefeld und der Verdopplung der Zahl der Medizinstudienplätze an der Universität Witten-Herdecke seien bereits 380 zusätzliche Studienplätze entstanden. Diese Zahl solle weiter steigen, so Laumann. Der Fachkräftemangel betreffe auch die nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe, insbesondere die Situation in der Pflege sei dramatisch. Doch es habe sich bereits einiges getan. In keinem Ausbildungsberuf in NRW sei die Vergütung so hoch wie dort, so Laumann. In diesem Jahr habe die Zahl der Pflege-Auszubildenden im ersten Ausbildungsjahr mit 17.000 einen Höchststand erreicht.  

Wie sich die Gesundheitspolitik in den kommenden Jahren gestalte, sei zurzeit – auch finanziell – nicht in jedem Punkt absehbar, räumte der Minister ein (siehe auch Seiten 12 ff.). Neben den Corona- und Fluthilfen belasteten nun auch die Inflation sowie die Preisexplosion bei den Energiekosten infolge des Ukrainekriegs den Haushalt. Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung sehe abermals eine Belastung von drei Milliarden Euro für den NRW-Haushalt vor. Ohne Einsparungen an anderer Stelle sei die Situation nicht zu stemmen, zeigte sich Laumann überzeugt. Allein die Zusatzbeiträge für die gesetzlich Krankenversicherten zu erhöhen, löse das Problem nicht. So seien auch Kosteneinsparungen im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz notwendig, weil „an allen Ecken und Enden das Geld fehlt“, so Laumann. 

Optimistisch zeigte sich der Minister mit Blick auf die bevorstehenden Corona-Boosterimpfungen. Es stehe genügend Impfstoff zur Verfügung. Er hoffe, dass gegen Weihnachten erste Gespräche darüber stattfinden könnten, die Corona-Impfungen in das Regelsystem zu übernehmen, genauso wie das bei den Grippeimpfungen seit Jahrzehnten der Fall sei.