Ein auffallend unauffälliges Thema behandelte das Rheinische Ärzteblatt (RÄ) in seiner Ausgabe vom 8. November 1972 auf seinen Aufmacherseiten. Es ging um die Einführung einer Krankenversicherung für Landwirte. Kein Wort war zu lesen über den Wahlkampfendspurt zur vorgezogenen Bundestagswahl. Sie fand am 19. November 1972 statt. Über 90 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten sich. Das Ergebnis beendete das Patt im Bundestag, das die Regierung von Willy Brandt seit April des Jahres lähmte. SPD und FDP konnten Stimmen hinzugewinnen und bildeten erneut eine Koalitionsregierung mit einer deutlichen Mehrheit im Bonner Bundestag. Im Dezember wurde Willy Brandt erneut zum Bundeskanzler gewählt.
Auch der Autor des Leitartikels der Ausgabe vom 23. November 1972 des RÄ musste auf eine Kommentierung des Wahlergebnisses verzichten, da der Redaktionsschluss vor dem Wahltag lag. Der Autor hoffte jedoch, dass nach dem ideologisch aufgeheizten Wahlkampf in Bonn wieder mehr „nach Fakten gefragt“ werde und Realitäten zur Kenntnis genommen würden. Er verwies darauf, dass die im Bundestag vertretenen Parteien oftmals in Sachfragen übereinstimmten, was in der Öffentlichkeit leicht übersehen werde. Mit Blick auf die Gesundheitspolitik steckte er die roten Linien für politische Veränderungen aus Sicht der Ärzteschaft ab: Die „Essentials“ seien freie Arztwahl, Vertragsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte sowie „die Selbstverwaltung der Ärzte in den freigewählten Organen ihrer Körperschaften und Verbände“. Wer diese Punkte abschaffen wolle, „muß mit dem energischen Widerstand eben dieser Ärzte und ihrer Organisationen rechnen.“
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