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Meinung

Vielversprechende Ansätze

18.02.2022 Seite 3
RAE Ausgabe 3/2022

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 3/2022

Seite 3

Rudolf Henke © Jochen Rolfes
Eine Gruppe von 15 Abgeordneten aus fünf Fraktionen des Deutschen Bundestages hat einen Gesetzentwurf zum Verbot der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbstötung und einen Antrag zur Suizidprävention vorgelegt.

Fast genau zwei Jahre ist es her, seit das Bundesverfassungsgericht das strafrechtliche Verbot der geschäftsmäßigen Förderung des assistierten Suizids in seiner damaligen Form für verfassungswidrig erklärte. Das Urteil war aus meiner Sicht enttäuschend. Soll denn der Staat dem Treiben fragwürdiger Sterbehilfevereine, die organisierte Ermutigung zum Suizid betreiben, tatenlos zusehen müssen? Aus unserer ärztlichen Sicht haben Menschen mit existenziellen Leiden Anspruch auf eine Kultur der Zuwendung und des Gesprächs und auf bestmögliche Medizin, auch und gerade in scheinbar aussichtslosen Situationen.

Die Begründung des Verfassungsgerichtsurteils stellte einen Paukenschlag dar. Das „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ schließe die Freiheit ein, „sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen“, schrieben die Karlsruher Richter. Und mehr noch: Während es vor dem Urteil in den Debatten über den assistierten Suizid zumeist um schwerstkranke und sterbende Menschen gegangen war, hieß es nun aus Karlsruhe, das „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ bestehe „in jeder Phase der menschlichen Existenz“.

Trotz alledem folgt aus dem Urteil keineswegs, dass die Verfassung eine Regulierung der Suizidhilfe rundweg untersagt. Vielmehr verfolgt der Gesetzgeber „auch insoweit ein legitimes Anliegen, als er verhindern will, dass sich der assistierte Suizid in der Gesellschaft als normale Form der Lebensbeendigung durchsetzt. Er darf einer Entwicklung entgegensteuern, welche die Entstehung sozialer Pressionen befördert, sich unter bestimmten Bedingungen, etwa aus Nützlichkeitserwägungen, das Leben zu nehmen“, stellte das Verfassungsgericht fest.

Daran knüpfen ein Gesetzentwurf zur Suizidassistenz und ein Antrag zur Suizidprävention an, den 15 Abgeordnete aus fünf Fraktionen des Deutschen Bundestages Ende Januar vorgelegt haben. Nach dem Willen der Parlamentarier soll die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich wieder unter Strafe stehen. Eine Ausnahmeregelung soll es geben in den Grenzen eines konkreten Schutzkonzeptes, das die freiverantwortliche Entscheidung für die Selbsttötung gewährleisten soll. 

Diese Freiverantwortlichkeit soll nach einer in der Regel zweimaligen Untersuchung durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten und einer umfassenden ergebnisoffenen Beratung in einem auf die Situation der Betroffenen angepassten interdisziplinären Ansatz festgestellt werden können. Ausnahmsweise könnte die freiverantwortliche Entscheidung auch nach einem einzigen Untersuchungstermin attestiert werden, zum Beispiel bei schwerstkranken Menschen mit einer begrenzten Lebenserwartung. Flankierend sieht der Gesetzentwurf ein strafbewehrtes Verbot für bestimmte Formen der Werbung für Hilfe zur Selbsttötung vor.

Das sind vielversprechende Ansätze, und die Abgeordnetengruppe hat diese – ganz im Sinne unserer ärztlichen Forderungen – mit der Aufforderung an die Bundesregierung kombiniert, einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Suizidprävention vorzulegen.

Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein