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Gesundheits- und Sozialpolitik

Lokale Zusammenarbeit in Problemvierteln

25.05.2022 Seite 20
RAE Ausgabe 6/2022

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 6/2022

Seite 20

Kooperationen zwischen Kommunen und Akteuren des Gesundheitswesens auf lokaler Ebene können helfen, die gesundheitliche Versorgung der Menschen in strukturschwachen Regionen zu verbessern.

von Jürgen Brenn

Ob Gesundheitskiosk, Stadtentwicklung, niedrigschwellige Bewegungsangebote oder Kooperationen zwischen Versorgungsanbietern; es gibt viele Herangehensweisen, um die gesundheitliche Lage der Menschen zu verbessern, die in strukturschwachen Regionen sowohl in der Stadt als auch auf dem Land leben. Dabei müsse ein Kerngedanke stets die Kooperation zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren im Gesundheitswesen und der Kommune sowie den lokalen Einrichtungen sein, sagte Matthias Mohrmann auf dem Gesundheitskongress des Westens, der kürzlich in Köln stattfand.

Gesundheitskioske können Ärzte entlasten

Das Mitglied des Vorstands der AOK Rheinland/Hamburg stellte unter anderem das Konzept des Gesundheitskiosks vor. Der Gesundheitskiosk ist ein niedrigschwelliges, kostenloses Angebot vor Ort und wird insbesondere in sogenannten Problemvierteln größerer Städte angeboten. Auch Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach setzt verstärkt auf Gesundheitskioske in sozialen Brennpunkten. Die AOK Rheinland/Hamburg erprobte die Idee des Gesundheitskiosk erstmals 2017 im Hamburger Stadtteil Billstedt. Es sei ein Projekt des sektorenübergreifenden Versorgungsmanagements in Wohnvierteln, in denen viele sozioökonomisch benachteiligte Menschen leben. Darunter seien beispielsweise niedrige Einkommensverhältnisse, eine hohe Altersstruktur oder auch ein hoher Anteil ausländischer Menschen zu verstehen. Die Beratung zu sämtlichen Themen des Gesundheits- und des Sozialwesens werde mehrsprachig angeboten. Die Vernetzung und Koordination von medizinischen Angeboten, Gesundheitsberufen und dem Gemeinwesen seien wichtige Aspekte bei der Arbeit der Gesundheitskioske, die mit ihrer Beratung auch Ärztinnen und Ärzte entlasten, so Mohrmann. 

Gesundheitskioske können viele Angebote miteinander verbinden und sollten auch soziale Determinanten haben, sagte Professor Dr. habil. Heike Köckler vom Department of Community Health an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. Aus diesem Grund sei die Arbeiterwohlfahrt ein Partner beim geplanten Gesundheitskiosk in Bochum Wattenscheid. Köckler nannte weitere Aspekte, die zur ungleichen Verteilung von Gesundheit in Städten führen können. Soziale Ungleichheit entstehe auch über die Wohnverhältnisse und die Gestaltung des öffentlichen Raums. Deshalb sei Stadtplanung ein wichtiger Faktor, der Auswirkungen auf die Gesundheit habe. Dazu gehöre zum Beispiel mit Blick auf den Klimawandel die Frage, ob Straßen mit schattenspendenden Bäumen bepflanzt sind, ob Kinder sicher und eigenständig den Weg zur Schule bewältigen können und sich damit täglich bewegen, oder ob Häuser und Geschäfte behinderten- oder altengerechte Zugangsmöglichkeiten bieten. Ein Projekt in Wattenscheid sei der „Bewegungsmanager“ mit Bewegungsangeboten vor Ort, einem Sportgeräteverleih und der Möglichkeit zur Aus- und Weiterbildung. Das Angebot werde von verschiedenen Einrichtungen wie dem Stadtsportbund, der Hochschule für Gesundheit, der Stadt Bochum und der Techniker Krankenkasse gemeinsam getragen, sagte Köckler.

Kooperationen ganz unterschiedlicher Player auf lokaler Ebene seien die Zukunft, zeigte sich der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, Dr. Frank Bergmann, auf dem Kölner Kongress überzeugt. Die Probleme in benachteiligten Regionen könnten nur gemeinsam gelöst werden. So hänge beispielsweise die Attraktivität eines Standortes für die Niederlassung eines Arztes auch mit der bestehenden Infrastruktur zusammen wie etwa Schulen, Kitas oder Einkaufsmöglichkeiten. Bergmann stellte das Projekt „Landpartie“ der KV Nordrhein vor. Dabei bringt die KV niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte mit Kollegen zusammen, die in einer strukturschwachen Region leben und arbeiten, um sich ein besseres Bild von der Region machen zu können. Mit dabei seien auf lokaler Ebene die Kommune oder auch Vertreter der Wirtschaftsförderung. „In Kleve und Oberberg konnten wir so einige Niederlassungen realisieren“, berichtete der KV-Vorsitzende.

Kooperationen sind der Schlüssel

Auch in Köln werde Kooperation großgeschrieben, sagte Dr. Johannes Nießen. Der Leiter des Kölner Gesundheitsamtes betonte, dass vor allem die Coronpandemie viele Akteure auf lokaler Ebene zusammengebracht habe. Die relativ hohe Impfquote in Köln hätte nicht erreicht werden können, wenn nicht eine enge Kooperation mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte vor Ort und der KV Nordrhein bestanden hätte, so Nießen. Auch habe die Stadt Köln frühzeitig begonnen, die Impfungen zu den Leuten zu bringen. In Köln-Chorweiler seien so in drei Tagen über 5.000 Impfungen verabreicht worden. Das Konzept, medizinische Leistungen dort hinzubringen, wo die Patienten sind, gebe es in Köln schon lange. So biete der Mobile medizinische Dienst seit über 25 Jahren ein niedrigschwelliges und kostenloses Behandlungsangebot für Obdachlose in der Stadt an. Dies sei ein Kooperationsprojekt der Stadt mit der KV Nordrhein und folge neben dem Leitgedanken der lokalen Zusammenarbeit der Prämisse, die Angebote am jeweiligen Bedarf auszurichten und so zu gestalten, dass der größtmögliche Nutzen für die Menschen entsteht.