Die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein (GAK) unterstützt seit ihrer Gründung im Jahre 1975 Betroffene bei der außergerichtlichen Klärung eines fraglichen Behandlungsfehlers und entwickelt ihre Expertise hierfür laufend weiter. Über die Einführung der neuen Verfahrensordnung und die Arbeit des vorangegangenen Jahres berichtete der Vorsitzende der Gutachterkommission, Präsident des Oberlandesgerichts a. D. Johannes Riedel, der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein am 13. November 2021 in Düsseldorf.
von Tina Wiesener und Beate Weber
Mit der Verabschiedung der Verfahrensordnung durch die Kammerversammlung im März 2020 und deren Inkrafttreten am 1.12.2020 hat das Angebot der außergerichtlichen Streitschlichtung bei Behandlungsfehlervorwürfen in Nordrhein eine zukunftsweisende Weiterentwicklung erfahren, ohne dass auf bewährte Strukturen verzichtet wurde (dazu: Rheinisches Ärzteblatt 9/2020, S. 26 u. 27).
Neben der erforderlichen Anpassung der zahlreichen Verfahrensschritte und des entsprechenden Schriftgutes beeinflusste auch im Jahr 2021 die weiterhin bestehende pandemische Lage die Arbeit der Gutachterkommission und ihrer Geschäftsstelle. So zeichnete sich, wie in vielen anderen Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, mit einem Eingang von 1.564 Anträgen (Vorjahr 1.723 Anträge, minus 9,2 Prozent) erneut eine spürbare Zurückhaltung der Patientinnen und Patienten bei der Antragstellung ab. Über die Gründe für den Rückgang der Antragszahlen könne nur spekuliert werden, erläuterte der Vorsitzende der GAK, Johannes Riedel, mit Blick auf die den Delegierten vorliegende statistische Übersicht (siehe Kasten Seite 23). Neben pandemiebedingten Ursachen, hier insbesondere rückläufigen Behandlungszahlen in bestimmten Bereichen, kämen unter anderem auch ein verbessertes Beschwerdemanagement auf Behandlungsseite und verschiedene weitere Faktoren in Betracht.
Als eine Folge verminderter Antragszahlen sank auch der Anteil medizinischer Begutachtungen von 1.371 im Jahr 2020 auf 1.135 im vergangenen Jahr. Dabei lag die Quote anerkannter Behandlungsfehler bei den erledigten Begutachtungen mit 27,8 Prozent etwa auf dem Niveau des Vorjahres, hingegen unterhalb des langjährigen Durchschnittswertes von 31,4 Prozent.
Verfahrensdauer unverändert bei zehn Monaten
Trotz der zusätzlichen Anforderungen konnten im Berichtszeitraum erneut deutlich mehr Verfahren abgeschlossen werden als neu eingegangen sind, sodass der Bestand an offenen erstinstanzlichen Verfahren von zuletzt 1.164 auf 1.075 Verfahren gesenkt werden konnte. Die Verfahrensdauer hat sich durch die Umstellung auf die neue Verfahrensordnung nicht geändert und bewegt sich mit im Mittel 10,6 Monaten im Bereich der letzten fünf Berichtszeiträume.
Von der Möglichkeit, nach Erhalt des erstatteten Gutachtens ein abschließendes Gutachten durch ein medizinisches und ein juristisches Kommissionsmitglied zu verlangen, machten die Beteiligten mit 41,3 Prozent (vorheriger Berichtszeitraum 40,9 Prozent) erneut in nahezu unverändertem Umfang Gebrauch. Denn medizinische Sachverständigengutachten ohne vertiefende Erläuterungen der Sach- und Rechtslage führen bei Patientinnen und Patienten beziehungsweise ihrer anwaltlichen Vertretung nicht immer zu einer Akzeptanz der Begutachtungsergebnisse. Die Beteiligten begegnen den ersten Begutachtungsergebnissen oftmals mit komplexen medizinischen und auch juristischen Bedenken, denen die Kommission durch eine in vielen Fällen aufwendige Zweitbegutachtung gerecht wird.
Dabei komme dem intensiven Zusammenwirken der ärztlichen und juristischen Kommissionsmitglieder bei der Erarbeitung der abschließenden Gutachten eine besondere Bedeutung zu, erläuterte Riedel, der diese Besonderheit der Gutachterkommission Nordrhein als einen wesentlichen Garanten für die Stabilität und Kontinuität der Ergebnisse der Arbeit der Kommission wertete.
Plenarsitzung weiterhin online
Die Kontaktbeschränkungen zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 haben auch die Zusammenkünfte des Plenums der Gutachterkommission im Jahr 2021 weiterhin beeinflusst. Die bereits ab Sommer 2020 als Live-Online-Veranstaltungen durchgeführten Plenarsitzungen, in denen juristische und medizinische Kommissionsmitglieder besonders komplexe Fragestellungen bei der Begutachtung – vielfach auch mit Blick auf die sich aus einem Behandlungsfall ergebenden Rechtsfragen – zur Diskussion stellen, waren auch im Berichtszeitraum ausschließlich im Online-Format möglich. Trotz der damit verbundenen Einschränkungen, insbesondere im persönlichen Austausch, stießen diese Online-Zusammenkünfte auch im zweiten Jahr der Pandemie weiterhin auf großes Interesse bei den Beteiligten und trugen in erheblichem Maße dazu bei, die Kommunikation und die vielfältigen Kontakte der ehrenamtlichen ärztlichen und juristischen Kommissionsmitglieder untereinander lebendig zu halten (siehe auch: Rheinisches Ärzteblatt 2/2021, S. 26 u. 27).
Leitfaden für das Begutachtungsverfahren
Unter dem Titel „Die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein – Ein Leitfaden für das Begutachtungsverfahren“ hat die GAK eine umfassende Informationsschrift zum Begutachtungsverfahren und den immer wiederkehrenden wichtigsten arzthaftungsrechtlichen Problemfeldern veröffentlicht. Die hiermit verbundenen besonderen Anstrengungen der juristischen Kommissionsmitglieder und der Geschäftsstelle dienten dabei dem gemeinsamen Ziel, einen möglichst einheitlichen Auftritt der Gutachterkommission zu schaffen, betonte Riedel mit Blick auf die nun vorliegende Broschüre (siehe Abbildung).
Die Schrift richtet sich in erster Linie an die Mitglieder der Gutachterkommission, um deren Arbeit zu unterstützen und zur Einheitlichkeit der Begutachtungspraxis beizutragen. Sie soll aber auch den Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten ein transparentes Bild der Arbeit der Kommission vermitteln. Darüber hinaus steht die Broschüre auch anderen interessierten Kreisen als Information über Aufgaben, Zielsetzung und Arbeitsweise der Gutachterkommission zur Verfügung.
Verfahrensordnung erfolgreich etabliert
Die mit der neuen Verfahrensordnung verbundenen Erwartungen an die weitere Entwicklung der Arbeit der Gutachterkommission haben sich trotz erschwerter Rahmenbedingungen erfüllt. Die auch unter den Bedingungen der Pandemie erreichten guten Ergebnisse beruhten nicht zuletzt auf der großen Einsatzbereitschaft der ehrenamtlichen ärztlichen und juristischen Kommissionsmitglieder sowie der Geschäftsstelle der Gutachterkommission, sagte Riedel bei der Kammerversammlung. Er dankte allen Ärztinnen und Ärzten, die sich in der Vergangenheit in die Arbeit der Gutachterkommission eingebracht haben, sowie denen, die in der Kommission als ärztliche oder juristische Kommissionsmitglieder auch zukünftig aktiv mitarbeiten werden. Die Kommission werde auch den künftigen Herausforderungen weiterhin mit dem Anspruch begegnen, den Beteiligten der Begutachtungsverfahren ein zuverlässiger Ansprechpartner für eine kompetente und rasche Klärung von Behandlungsfehlervorwürfen zu sein. Abschließend brachte der Vorsitzende gegenüber der Kammerversammlung den Dank der Gutachterkommission zum Ausdruck: „Wir nehmen wahr, dass unsere Arbeit sehr geschätzt wird, und fühlen uns gut aufgehoben.“
Dr. med. Tina Wiesener ist Leiterin der Geschäftsstelle der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein.
Dr. med. Beate Weber ist die für die Dokumentation und Auswertung zuständige Referentin der Geschäftsstelle der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein.
Der Leitfaden für das Begutachtungsverfahren der Gutachterkommission kann kostenlos bei der Pressestelle der Ärztekammer Nordrhein, Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf, Tel.: 0211 4302-2011, Fax: 0211 4302-2019, E-Mail: pressestelle(at)aekno.de angefordert werden oder im Internet unter https://www. aekno.de/patienten/behandlungsfehler/weitere-informationen heruntergeladen werden.