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Meinung

Sommerwelle, Fachkräftebedarf und wichtige Signale

19.07.2022 Seite 3
RAE Ausgabe 8/2022

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 8/2022

Seite 3

Rudolf Henke © Jochen Rolfes
Sommer, Sonne, Urlaub, weniger Covid-19-Infektionen, Verschnaufpause. Noch vor wenigen Monaten war das eine verbreitete Hoffnung für die im Gesundheitswesen Tätigen in diesem Sommer. Doch die Corona-Sommerwelle bringt es anders. Ein weiteres Mal erleben wir Personalausfall in ohnehin schon ausgedünnten Klinik- und Praxisbelegschaften. Wieder einmal zeigt sich, wie wenig resilient ein Gesundheitssystem ist, wenn beim Personal gespart wird und entlastende Reformen nicht angefasst werden.

Es ist daher sehr begrüßenswert, dass in dem am 27. Juni von den Spitzen von CDU und Grünen unterschriebenen Koalitionsvertrag für NRW schon in der Präambel beschrieben wird, dass die Modernisierung des Gesundheitswesens und der hohe Fachkräftebedarf angesichts des demografischen Wandels die größten Herausforderungen für eine zukunftsweisende Gesundheitspolitik darstellen. Dazu passend sendet der Koalitionsvertrag an mehreren Stellen richtige Signale: So soll die Zahl der Studienplätze für Medizin in NRW um 20 Prozent erhöht werden. Genau das ist eine langjährige Forderung unserer Kammerversammlung und des Deutschen Ärztetags.  Denn wir sehen schon lange, dass Ärztinnen und Ärzte in allen Sektoren fehlen. 76 Prozent der Krankenhäuser können laut dem Deutschen Krankenhausinstitut kaum Personal für vakante Stellen finden.

Zusätzlich zur Erhöhung der Zahl der Studienplätze haben die Parteien in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass sie die Landarztquote ausbauen werden. Zurzeit sind in NRW 7,8 Prozent der Studienplätze für Bewerberinnen und Bewerber reserviert, die sich verpflichten, nach dem Studium zehn Jahre als Hausarzt oder Hausärztin in einer unterversorgten Region zu arbeiten. Um die künftige hausärztliche Versorgung sicherzustellen, soll auch das Hausarztaktionsprogramm fortgesetzt werden.

Auch die anstehende Umsetzung des Krankenhausrahmenplans NRW könnte am Ende dazu führen, dass in konsolidierten Strukturen medizinisches und pflegerisches Personal im Sinne der Patientenversorgung nachhaltiger arbeiten kann. Nach dem schon im April 2022 vorgelegten Krankenhausrahmenplan sollen in NRW künftig statt Betten verstärkt Leistungen geplant werden. Auf diese Weise sollen Überkapazitäten insbesondere in den Ballungsgebieten abgebaut werden. Dafür sollen laut Koalitionsvertrag „Erhebliche Summen“ frei gemacht werden, „damit in allen Krankenhäusern die notwendigen Investitionen für Personal und Ausstattung erfolgen können.“

Eine substanzielle Erhöhung der Investitionsförderung ist aus unserer Sicht auch nötig, da unsere Kliniken schon seit Jahren an einer erheblichen Förder­lücke leiden. Laut Investitionsbarometer NRW fehlen den nordrhein-westfä­lischen Krankenhäusern jedes Jahr mehr als 1,2 Milliarden Euro an Investitionsmitteln für den Erhalt und die Modernisierung ihrer Gebäude und Anlagen.

Ohne ausreichende Investitionsförderung erliegen die Krankenhausträger aber allzu oft der Versuchung, am Personal zu sparen. Doch qualifizierte Daseinsvorsorge ist eben nur dann möglich, wenn die Fachabteilungen mit einer ausreichenden Zahl an qualifizierten Pflegerinnen und Pflegern sowie Ärztinnen und Ärzten ausgestattet sind. Vielleicht wird es helfen, wenn die angestoßene Diskussion der Personalbemessungen, die wir dringend nicht nur für den pflegerischen, sondern auch für den ärztlichen Bereich brauchen, zu wirksamen Veränderungen führt.

Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein