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Praxis - Folge 130 aus der Reihe "Arzt und Recht"

Erbfall in der Arztpraxis

19.07.2022 Seite 26
RAE Ausgabe 8/2022

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 8/2022

Seite 26

Verstirbt eine niedergelassene Ärztin oder ein niedergelassener Arzt, ist dies für Angehörige, Mitarbeiter und Kollegen nicht nur mit großem Leid, sondern auch mit vielen Fragen von existenzieller Bedeutung verbunden. 

von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg

Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber sollten sich mit der Frage der Praxisnachfolge im plötzlichen Todesfall beschäftigen. Dabei geht es sowohl um die Versorgung der Erben als auch um das Schicksal der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Erbfall

Mit dem Erbfall geht die Erbschaft „als Ganzes“ auf die Erbinnen und Erben über (§ 1922 BGB). Dies gilt auch für die Praxisnachfolge. Daher sollten Ärztinnen und Ärzte über ein Testament nachdenken. In aller Regel können die Erben die Praxis nicht selbst fortführen, da es bereits an einer Approbation fehlt. Steht der Praxisbetrieb still, führt das schnell zum Wertverlust.
Fehlt es an einer Generalvollmacht, benötigen die Erben zudem zunächst einen Erbschein, um tätig werden zu können. Es ist daher ratsam, Erben oder einer sonstigen Vertrauensperson eine Generalvollmacht über den Tod hinaus zu erteilen. Mit einer Generalvollmacht können Erben alle wichtigen Entscheidungen in die Wege leiten und sind sofort handlungsfähig.

Berufsrechtliche und vertragsarztrechtliche Vorgaben räumen Karenzzeit ein

Berufsrechtlich gilt § 20 Abs. 2 (Muster-)Berufsordnung Ärzte, wonach die Erben den Betrieb der Arztpraxis bis zur Dauer von sechs Monaten nach dem Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Tod eingetreten ist, in Vertretung durch eine andere Ärztin oder einen anderen Arzt fortsetzen können.

Vertragsarztrechtlich (§ 95 Abs. 7 SGB V) endet die Zulassung eines Vertragsarztes mit dem Tod. Allerdings erlaubt § 4 Abs. 3 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä), dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) den Erben die Weiterführung der Praxis durch einen Vertreter bis zum Ablauf des auf das Quartal des Todes folgenden Quartals gestatten darf. Daneben können die Erben beim Zulassungsausschuss beantragen, den Vertragsarztsitz zur Nachbesetzung ausschreiben zu lassen (§ 103 SGB V).

Gesellschaftsrechtliche Regelungen

Häufig sind Gemeinschaftspraxen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert. Eine solche wird durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst (§ 727 Abs. 1 BGB). Diese Regelungen sind aber nicht zwingend. Die Gesellschafter können durch vertragliche Regelungen bestimmen, dass die Gesellschaft nach dem Tod eines Gesellschafters weitergeführt wird.

Fortführungsklausel 

Stirbt einer der Gesellschafter, haben die anderen Gesellschafter bei einer solchen Regelung das Recht, die Gemeinschaftspraxis ohne die Erben fortzuführen und die Erben abzufinden. 

Einfache oder qualifizierte Nachfolgeklausel

Im Rahmen einer Nachfolgeklausel wird vereinbart, dass die Erben dem Verstorbenen als Gesellschafter nachfolgen (einfache Nachfolgeklausel). Diese Klausel ist jedoch nicht sinnvoll, da kaum anzunehmen ist, dass alle Erben fachgleiche Ärztinnen und Ärzte sind. Deshalb kommt nur eine qualifizierte Nachfolgeklausel in Betracht, wonach ein Erbe nur nachfolgen kann, wenn er die berufsrechtlichen Qualifikationen erfüllt. Anderenfalls wird die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern unter Abfindung des Erben fortgesetzt.

Eintrittsklausel

Die Eintrittsklausel sieht vor, dass der Gesellschaftsanteil erst dann auf einen Erben übergeht, wenn dieser die Aufnahme in die Gesellschaft verlangt und die entsprechenden Voraussetzungen mitbringt. Eintrittsrechte können (müssen aber nicht) von der Zustimmung der übrigen Gesellschafter abhängig gemacht werden. 
 
Abfindungen für die weichenden Erben

Naturgemäß streiten sich die Geister, wie eine angemessene Abfindung zu berechnen ist. Es empfiehlt sich daher, im Gesellschaftsvertrag Regelungen für die Berechnung der Abfindung der Erbinnen und Erben aufzunehmen.

Für die Bewertung von Arztpraxen ist im Allgemeinen die Ertragswertmethode gebräuchlich. Hinweise der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Bewertung von Arztpraxen finden sich in Deutsches Ärzteblatt 51-52/2008 und unter www.aekno.de/daeb/bewertung-arztpraxen

Diesen Hinweisen kommt allerdings keine rechtliche Verbindlichkeit zu. Sie sollen nur Anhaltspunkte vermitteln. Abweichende Vereinbarungen sind zulässig.

Häufig wird auch auf pauschalierende Betrachtungsweisen zurückgegriffen, wie zum Beispiel die Wertbestimmung nach einem bestimmten Teil vom Jahresumsatz.

Zum Teil sieht der Gesellschaftsvertrag auch vor, dass die Erben das Recht haben, den Anteil an der Praxis zu verkaufen. Der Kaufpreis stellt dann die „Abfindung“ für das Ausscheiden des Verstorbenen aus der Gemeinschaftspraxis dar. Den verbleibenden Gesellschaftern kann ein Vorkaufsrecht eingeräumt werden, sodass diese den Vertragsarztsitz an dem bisherigen Standort sichern können, aber die Erben die Chance haben, den maximalen Wert des Praxisanteiles am Markt zu realisieren.

Fazit

Durch eine testamentarische Regelung und eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung erleichtern Erblasser ihren Angehörigen die Abwicklung des Nachlasses. Außerdem stellen sie sicher, dass die von ihnen aufgebaute Praxis in ihrem Sinn verwertet wird. Auch wenn sich viele nur ungern mit dem eigenen Tod befassen, ist für die Hinterbliebenen eine geregelte Nachfolge von erheblicher Bedeutung. 

Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.