Bei Immobiliengeschäften mit Patienten kann der Eindruck erweckt werden, dass Ärztinnen und Ärzte sich in der Unabhängigkeit ihrer ärztlichen Entscheidung beeinflussen lassen.
von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg
Nach § 32 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BO) ist es nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten Geschenke oder andere Vorteile anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.
Immobilienkauf nicht per se berufsrechtswidrig
Nach einer aktuellen Entscheidung des Berufsgerichts für Heilberufe beim VG Berlin (Urteil vom 30.4.2021, AZ: 90 K 6.19 T) liegt eine unerlaubte Zuwendung im Sinne des § 32 Abs. 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin (entspricht der BO) nicht bereits dann vor, wenn ein Arzt von einer Patientin ein Grundstück zu einem angemessenen Kaufpreis erwirbt. Die bloße Gelegenheit zum Abschluss des Grundstückskaufvertrages stelle bei wirtschaftlicher Betrachtung kein Geschenk oder einen anderen Vorteil dar. Zudem bestehe nicht ohne Weiteres ein Zusammenhang mit der ärztlichen Berufsausübung.
Der im Verfahren Beschuldigte war seit über 16 Jahren der Hausarzt der Patientin. Als diese nach einem Krankenhausaufenthalt in eine Seniorenresidenz einzog, bot sie ihm das bis dahin selbst bewohnte Haus zu einem Kaufpreis von 250.000 Euro an. Am Kauf waren der Grundstücksnachbar und der beschuldigte Arzt interessiert. Obwohl der Nachbar einen deutlich höheren Kaufpreis anbot, schloss die Patientin einen notariellen Kaufvertrag mit dem Hausarzt.
Wirtschaftliche Betrachtungsweise
Die Vorschrift des § 32 Abs. 1 BO stellt darauf ab, dass der Arzt einen mehr als geringfügigen Vorteil annimmt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist nach Auffassung des Berufsgerichts kein berufsrechtlich relevanter Vorteil erkennbar, wenn der Arzt einen Gegenstand von einer Patientin erwirbt und letztlich den von der Patientin geforderten Kaufpreis zahlt. Ein wirtschaftlicher Vorteil läge nur dann vor, wenn der Kaufgegenstand einen deutlich höheren Wert hätte und es sich dann im Ergebnis um eine gemischte Schenkung handelte, bei der die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem wirtschaftlichen Wert des Gegenstandes dem Erwerber zugewandt wird. Allein die Tatsache, dass ein anderer Interessent aufgrund eines in seiner Person begründeten besonderen Interesses bereit sei, einen höheren Preis zu zahlen, deute nicht auf einen höheren Marktwert des Objekts hin.
Hinreichender Zusammenhang mit der Berufsausübung
Das Berufsgericht führt weiter aus, selbst wenn man von einem Vorteil ausgehen würde, läge jedenfalls kein hinreichender Zusammenhang mit der Berufsausübung des Arztes vor. Ein solcher Zusammenhang wird in Anlehnung an die Formulierung in § 32 Abs. 1 Satz 1 BO angenommen, wenn durch die Annahme eines Vorteils der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Annahme des Geschenkes die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung tatsächlich beeinflusst. Vielmehr genügt der bloße Eindruck aus der Sicht eines Dritten, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung mit Blick auf die Zuwendung nicht gewahrt wird. Maßgeblich ist somit, dass in der Vorstellung eines objektiven Beobachters Zweifel daran entstehen, ob angesichts des Geschenks oder einer sonstigen Zuwendung die Wahrung der Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung gewährleistet ist (so bereits Ärztegericht des Saarlandes, Urteil vom 10.12.2008, ÄG 11/07).
Vorsicht bei der Annahme von Patientengeschenken
Entscheidend für das Urteil des Berufsgerichts war, dass der beschuldigte Arzt einen angemessenen Kaufpreis gezahlt hatte.
Abgesehen von geringfügigen Zuwendungen, deren Wertgrenze bei etwa 50 Euro liegt, sind Geschenken von Patienten an Ärztinnen und Ärzte weiterhin berufsrechtlich enge Grenzen gesetzt. Die berufsrechtlichen Bestimmungen dienen dazu, die ärztliche Berufsausübung, die durch das besondere Vertrauen der Patienten in die ärztliche Unabhängigkeit geprägt wird, zu sichern und das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft insgesamt zu wahren.
Unwirksame Vereinbarungen
Vertragliche Vereinbarungen, die die behandelnden Ärztinnen und Ärzte unter Ausnutzung des besonderen Vertrauensverhältnisses zu ihren Patienten in den Genuss erheblicher Vermögensvorteile bringen, dürften in der Regel auch sittenwidrig und damit zivilrechtlich unwirksam sein.
Eine unentgeltliche Übertragung eines Hauses oder eine Übertragung unter dem Marktwert stellt mithin einen Verstoß gegen § 29 Abs. 1 Heilberufsgesetz NRW in Verbindung mit den §§ 2 Abs. 2, 32 Abs. 1 BO dar, der nicht nur berufsrechtlich geahndet werden kann, sondern auch zivilrechtlich zur Anfechtbarkeit des Vertrages führen kann.
Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.