Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Dr. Dr. med. dent. Lars Benjamin Fritz, MBA, Vorsitzender der Kreisstelle Viersen, in unserer Reihe „Mein Engagement“.
RÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Fritz: Die Ärztekammer ist das Bindeglied zwischen Staatsapparat und Ärzteschaft. Auf der einen Seite repräsentiert sie die Ärztinnen und Ärzte, auf der anderen Seite hat sie aufsichtsrechtliche Funktion. Sich selbst zu verwalten, ist ein Privileg für die Ärzteschaft und ein Spagat für die Kammern, dessen müssen wir uns bewusst sein. Als Ärztinnen und Ärzte sind wir „Staatsdiener“, so wie Beamte oder Angestellte im Öffentlichen Dienst, nur ‚freier‘. Wir sind nicht nur systemrelevant, die Pandemie hat diesen Bewusstseinswandel eingeläutet, erstmals geht weltweit Gesundheit vor Wirtschaftlichkeit. Diese Veränderung müssen wir fortführen, ausbauen und nutzen. Da appelliere ich nochmal an alle Kammerpräsidenten und die Ärzteschaft, sich mit diesem Thema intensiver auseinanderzusetzen.
RÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Fritz: Es ist von Vorteil, wenn man gut zuhören kann und in seiner Arbeit eine gute Balance zwischen den wahren Interessen der einzelnen Kolleginnen und Kollegen findet. Man schafft ansonsten kein Wir-Gefühl. Wir brauchen für unsere Arbeit viele Meinungen,
viele Blickwinkel. Auch die gute Kommunikation mit den hauptamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spielt eine große Rolle. Ich finde, es ist sehr wichtig zuzuhören, um zu verstehen, dass wir auch vor Ort besser als Kammermitglieder zusammenarbeiten können, um unsere berufspolitischen Forderungen und Wünsche kanalisieren und umsetzen zu können.
„In der Pandemie geht erstmals weltweit Gesundheit vor Wirtschaftlichkeit.“
RÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender in Viersen bewirken?
Fritz: Der oben erwähnte Paradigmenwechsel „Staatsdiener“ liegt mir sehr am Herzen, und das nicht nur für meine Region. Wir müssen uns als Ärzteschaft neu definieren, wir gehören zusammen, wir sind eins. Wir dürfen uns nicht zerfleischen. Die Energie, die wir dafür aufbringen, können wir viel effizienter einsetzen, wenn wir uns vertrauen. Der Begriff Staatsdiener bedeutet, wir gehören dazu, werden gefragt, gehört und man profitiert von unserer Expertise. Ja, wir sind Freiberufler, vielleicht sind wir auch ein bisschen Künstler (lacht), aber man sieht doch aktuell, wie bedeutend unsere Berufsgruppe für den Staatsapparat ist. Gemeinsam mit der Kreisstelle Viersen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und ihrem Vorsitzenden, der seit dem ersten Tag der Pandemie im Dauereinsatz ist, haben wir auch eine wunderbare Zusammenarbeit. Hut ab für diese Leistung!
RÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Fritz: Vergesst nie, wer ihr seid und bleibt auf dem Boden. Pflegt und schätzt euer Können, eure Glaubwürdigkeit und eure Leidenschaft für den Arztberuf. Die meisten Patienten spüren das sofort. Macht mit und engagiert euch aktiv in der Ärzteschaft. Wer sich beschwert, ‚beschwert‘ eben sich und nicht die anderen. Das bedeutet nicht, dass man Dinge, die einem zustehen, nicht einfordern sollte. Doch auch hier gilt es, seine Energie auf die positiven Aspekte zu fokussieren. Dann bleiben die Mundwinkel auch oben (lacht). Auch ich lerne stetig dazu. Bleibt immer Schüler, als Ärzte, aber auch als Menschen.
RÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Fritz: Wenn es wieder möglich ist, würde ich gerne mit Kolleginnen und Kollegen, die sich engagieren möchten, in einem netten Lokal etwas trinken gehen und einfach mal zuhören. Sich zu engagieren, heißt auch, sich aktiv in die Ärzteschaft einzubringen und zu integrieren. Erst dann kann man schauen, wie man die Situation in der eigenen Region verbessern kann.
Das Interview führte Vassiliki Latrovali.
Dr. Dr. med. dent. Lars Benjamin Fritz, MBA, ist 1971 in Neuss geboren, hat in Köln und Paris studiert, in Düsseldorf und Boston seinen Facharzt gemacht und ist seit 2010 in Willich niedergelassen. Er war von 2009 bis 2014 Vorstandsmitglied der Ärztekammer Nordrhein, ist Mitglied der Weiterbildungskommission und der Ethikkommission sowie seit 2015 Vorsitzender der Kreisstelle Viersen.