Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Dirk Wagemann, Vorsitzender der Kreisstelle Remscheid, in unserer Reihe „Mein Engagement“.
RÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Wagemann: Ich würde sagen, dass man sich die Ärztekammer als eine Art Parlament vorstellen muss, als Vertretung der Ärztinnen und Ärzte im jeweiligen Kammergebiet. Mitglieder werden aus unterschiedlichen Verbänden gewählt und raufen sich zusammen, um Fragen und Probleme, die die Ärzteschaft betreffen, zu erörtern und Beschlüsse zu fassen. Wichtige Themen der Kammerarbeit sind etwa die Selbstverwaltung oder die Weiterbildung.
RÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Wagemann: Als Vorsitzender sollte man in erster Linie den Respekt seiner Kolleginnen und Kollegen gewonnen haben. Natürlich sind die sogenannten Soft Skills in unserer Arbeit sehr wichtig: zuhören, vermitteln und unterstützen. Es ist immer von Vorteil, wenn man eine harmonische Zusammenarbeit anstrebt und versucht, Dinge, so gut es eben geht, unbürokratisch zu lösen. Glücklicherweise klappt das bei uns in Remscheid wunderbar und die Kreisstellenarbeit macht sehr viel Spaß.
"Unser Beruf genießt eine hohe soziale Anerkennung. Das sollte man zu schätzen wissen.“
RÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender in Remscheid bewirken?
Wagemann: Es geht mir in erster Linie darum, die Dinge, die hier vorangetrieben wurden, zu erhalten. Wir haben hier in Remscheid viele Kolleginnen und Kollegen, die tolle Aktionen ins Leben gerufen haben und sich enorm engagieren. Da ist zum Beispiel Bettina Stiehl-Reifenrath, die die Praxis ohne Grenzen etabliert hat. Dort werden Menschen ohne Krankenversicherung medizinisch versorgt. Dieses Engagement wird auch in Corona-Zeiten weiter fortgeführt.
Wir wurden vergangenes Jahr alle ins kalte Wasser geworfen, aber der Krisenstab in unserer Stadt leistet unter den erschwerten Umständen gute Arbeit. Die Pandemie hat die Missstände in den Krankenhäusern natürlich verschärft. Dabei fehlte es nicht unbedingt an Betten oder Geräten, sondern eher an Personal. Ich selbst unterrichte die Pflegekräfte bei uns am Sana Klinikum – aktuell natürlich digital – aber es sind einfach zu wenige. Viele Aspekte des Pflegeberufs müssten neu justiert werden. Wertschätzung ist natürlich wunderbar, aber man muss die Menschen auch angemessen entlohnen. Pflegen auf der Intensivstation macht keiner lange mit. Selbst die ganz Zähen halten die Arbeit dort höchstens zehn Jahre aus, und das unter normalen Bedingungen.
Die Impfung gegen COVID-19 ist ein großer Schritt in Richtung Normalität. Meine Frau ist Krankenschwester, wir beide haben uns impfen lassen und erhalten in einigen Tagen die zweite Dosis. Ich kann verstehen, wenn manche Menschen, darunter auch Pflegekräfte, die Impfung kritisch hinterfragen. Sich aber ohne wissenschaftliche Substanz dagegen zu stellen, halte ich für absolut unsinnig.
RÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Wagemann: Unser Beruf genießt eine hohe soziale Anerkennung. Das sollte man zu schätzen wissen. Für mich ist der Arztberuf immer noch der schönste der Welt (lacht). Man sollte auch stets offen für Neues sein. Der Beruf erfordert manchmal viel Mut. Es steckt eben weit mehr dahinter als Diagnose und Therapie. Unsere Patienten benötigen zur Heilung auch Trost, Vertrauen und Zuwendung.
RÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Wagemann: Man muss den jungen Ärztinnen und Ärzten zeigen, dass es sich lohnt und dass das ehrenamtliche Engagement mit Beruf und Familie vereinbar ist. Die nächste Ärztegeneration wird sehr weiblich sein. Das zeigt ein Blick in die Hochschulen. Ich kenne viele Kolleginnen, die enorm engagiert sind, die viel auf die Beine stellen und Beruf und Familie unter einen Hut bekommen. Aber es ist nicht für alle umsetzbar, da braucht es noch neue Konzepte.
Das Interview führte Vassiliki Latrovali
Dirk Wagemann wurde 1958 in Dortmund geboren. Der Facharzt für Anästhesiologie studierte in Köln. Seine Weiterbildung absolvierte er in Remscheid. Wagemann engagiert sich seit 2015 im Vorstand der Kreisstelle Remscheid. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.