Der 42. Deutschen Krankenhaustag ging mit der derzeitigen Gesundheitspolitik hart ins Gericht und forderte einen Krankenhausgipfel auf höchster Ebene.
von Jürgen Brenn
„Die politisch Verantwortlichen, egal ob im Bund oder in den Ländern, ignorieren den von ihnen initiierten kalten Strukturwandel der Krankenhauslandschaft. Abteilungs- und Standortschließungen sind mittlerweile praktisch an der Tagesordnung“, sagte Dr. Gerald Gaß. Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) machte auf dem diesjährigen 42. Deutschen Krankenhaustag, der traditionell im Rahmen der Medica in Düsseldorf stattfindet, seinem Ärger über die derzeitige Situation der Kliniken in Deutschland Luft. Er beklagte den hohen Arbeitsaufwand, der durch die „Kontrollwut der Krankenkassen und die Überregulierung von der Politik“ entstehe. Gaß bezifferte den Aufwand auf über eine Million Arbeitsstunden pro Tag, der in den Kliniken durch die Bürokratie für die Patientenversorgung verloren gehe. „Damit muss Schluss sein.“
Der DKG-Präsident beklagte auch die mangelnde Kommunikation mit den Kliniken. Derzeit redeten Politik und Kostenträger viel über Krankenhäuser, „und das zumeist schlecht und diffamierend“ anstatt mit den Kliniken zu sprechen. „Wir fordern den Bundesgesundheitsminister Spahn und die Verantwortlichen in den Ländern auf, mit uns gemeinsam im Rahmen eines Krankenhausgipfels den Dialog über die Zukunft der Krankenhausversorgung in Deutschland zu führen“, so Gaß.
Entwicklung gemeinsam gestalten
Deutschland erlebe derzeit einen „kalten Strukturwandel“ in der Krankenhauslandschaft, bei dem schwache Häuser aus dem Markt gedrängt würden, so Gaß. Der DKG-Präsident würde einen „geordneten Strukturwandel“ begrüßen, bei dessen Gestaltung die Kliniken mit am Tisch sitzen.
„Durch ausufernde Rechnungsprüfungen und die sofortige Verrechnung der strittigen Beträge werden die Kliniken in erhebliche Liquiditätsprobleme gebracht“, sagte der Präsident des Verbandes der leitenden Krankenhausärzte und Kongresspräsident des Deutschen Krankenhaustages, Privatdozent Dr. Michael A. Weber. Das Anfang 2020 in Kraft tretende MDK-Reformgesetz, das eine Prüfquote bei Rechnungen vorsieht und die sofortige Verrechnung beenden soll, sei grundsätzlich zu begrüßen, so Weber. „Kein Verständnis haben wir dafür, dass es im letzten Moment zu einem Einknicken des Gesetzgebers gegenüber der Kassenlobby“ gekommen sei und die Änderungen am Gesetz den ursprünglichen Ansatz konterkarieren würden. Die geplante Prüfquote wurde von zehn auf 12,5 Prozent aller Rechnungen angehoben. Die generellen Strafzahlungen von 300 Euro, ab dem ersten Euro, der in einer Rechnung gekürzt werden kann, sowie verlängerte Prüfintervalle würden bewirken, dass Rechnungskürzungen als Prinzip der Krankenkassen bleiben, kritisierte Weber.
Die Strukturdebatte sollte nach Webers Auffassung unter dem Motto stehen: „Krankenhausversorgung gemeinsam besser gestalten.“ Statt den Weg der Strukturbereinigung durch Überregulierungen weiter zu beschreiten, müsse ein konstruktiver Ansatz gefunden werden. Dazu zählte Weber beispielsweise eine Neuausrichtung der Krankenhausplanung mit einer differenzierten Leistungs- und Strukturplanung. Allerdings müssten die Reformvorhaben ausreichend finanziert werden. Mit Blick auf die unzureichenden Investitionsmittel der Länder, sagte Weber: „Eine Krankenhausstrukturreform, wie jetzt in Nordrhein-Westfalen angedacht, hat einen enormen Finanzierungsbedarf für die nötigen Investitionen.“
Der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands, Dr. Josef Düllings, erinnerte daran, dass sich NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann gegen eine Strukturreform über Krankenhausschließungen ausgesprochen habe. „Aber genau das erleben wir derzeit“, stellte Düllings fest. Die Kliniken würden Aufgaben am Patienten mitübernehmen, die andere Versorger im System nicht leisten. Vor allem die ambulante Notfallversorgung in den Krankenhäusern sei seit Jahren von steigenden Fallzahlen geprägt, die nicht gegenfinanziert würden. Die Unterfinanzierung bezifferte Düllings auf eine Milliarde Euro pro Jahr.
Die Vizepräsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe, Dr. phil. Sabine Berninger, kritisierte die Personaluntergrenzen in der Pflege. „Sie haben keine valide pflegewissenschaftliche Grundlage als Basis, sondern orientieren sich willkürlich an den personell am schlechtesten ausgestatteten Kliniken“, so Berninger. Der Richtwert einer Mindestbesetzung an Pflegefachpersonen müsse eine jeweils am Pflegebedarf ausgerichtete Bemessung sein. Sie plädierte dafür, dass die Selbstverwaltung ein wissenschaftlich fundiertes Pflegepersonalbemessungsinstrument entwickeln müsse, wie dies in der Konzertierten Aktion Pflege vereinbart wurde. Nur so könnten Pflegebudget und Untergrenzen auf einer profunden Basis umgesetzt werden. Derzeit werde gemeinsam mit dem Deutschen Pflegerat, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Gewerkschaft ver.di an einer Zwischenlösung gearbeitet.