Der grassierende Mangel an wichtigen Arzneimitteln beschäftigte auch die Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein in ihrer Sitzung am 29. November. Die Delegierten forderten den Gesetzgeber in einer Resolution auf, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um Lieferengpässe vollständig zu erfassen und geeignete Maßnahmen zu deren Vermeidung einzuführen.
von Heiko Schmitz
Gründe für den akuten Mangel an wichtigen Arzneien im Rheinland, darunter Antidepressiva und Neuroleptika, aber auch an Massentherapeutika wie etwa Sartanen, gibt es einige. Das Problem beginnt aber schon damit, festzustellen, was genau wo zu welchem Zeitpunkt fehlt – um einen besseren Überblick zu erhalten, hat die KV Nordrhein zuletzt ihre Mitglieder dazu befragt. Jetzt ist der Gesetzgeber gefordert, der ja im vergangenen Jahr wenig Zurückhaltung bewies, wenn es um Gesetze und Vorgaben ging. Auf viele Themen ging Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein, in der VV explizit ein – vor allem auf die Auswirkungen des Termin- und Servicegesetzes. Die darin geforderte Erweiterung der Termin-Servicestellen (TSS) bedeutet: Ab Januar wird auch die TSS unter der Hotline 11 6 11 7 rund um die Uhr erreichbar sein. „Unsere Arztrufzentrale ist vorbereitet, es werden allein etwa 30 neue Mitarbeiter eingestellt. Insgesamt rechnen wir im kommenden Jahr mit Mehrkosten von rund 1,5 Millionen Euro“, sagte Bergmann.
Nordrhein Vorbild für Bundesebene
Wie aus regionalen Innovationen und Initiativen Blaupausen für die Bundesebene werden können, zeigt das in Nordrhein entstandene Projekt zur „Neurologisch-psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung“ (NPPV): „Im Psychotherapeutenausbildungs-Gesetz wurde die im NPPV-Projekt angelegte Versorgungsstruktur fast wortwörtlich übernommen. Wir sind damit an einer wichtigen Stelle zum Schrittmacher der Politik und zum Vorbild einer strukturierten Versorgung geworden“, sagte Bergmann. Positiv fällt auch die erste Jahresbilanz des Strukturfonds in Nordrhein aus: Seit Ende 2018 wurden schon rund 70 Förderanträge mit einem Finanzvolumen von über vier Millionen Euro von der KV Nordrhein unterstützt. Als neuestes Instrument fördert die KV seit Oktober dabei auch Famulaturen in hausärztlichen und fachärztlichen Praxen in ländlichen Gebieten mit 400 Euro pro Monat. Die Delegierten stimmten einem Antrag des Vorstands zu, die Obergrenze für die Mittel des Strukturfonds für 2020 auf 0,2 Prozent der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu erhöhen.
Weiteres Thema im Vorstandsbericht waren die Auswirkungen der neuen Bedarfsplanung auf Nordrhein. Durch die Änderungen der Bedarfsplanungsrichtlinie werden im kommenden Jahr, vorbehaltlich der entsprechenden Beschlüsse des Landesauschusses und der anschließenden Prüfung durch das NRW-Gesundheitsministerium, im hausärztlichen Bereich 142 und im fachärztlichen Bereich rund 210 neue Sitze entstehen. Bergmann: „Bei aller Freude über zusätzliche Sitze halten wir fest: Zusätzliche Ärzte müssen auch zusätzlich finanziert werden.“ Einstimmig fassten die Delegierten einen Beschluss, in dem sie eine entsprechende Refinanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen fordern. Das gilt auch für den Aus- und Umbau der Notfallversorgung im ambulanten Bereitschaftsdienst, etwa in Form von Portalpraxen und Ersteinschätzungsverfahren. Ein Antrag auf Finanzierung neuer Strukturen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung wurde einstimmig angenommen.
Dr. Carsten König, stellvertretender Vorsitzender der KV Nordrhein, berichtete unter anderem über den aktuellen Sachstand bei der Anbindung der Praxen an die Telematik-Infrastruktur (TI). Im dritten Quartal 2019 waren rund 10.100 von etwa 12.700 Betriebsstätten an die TI angeschlossen, was einer Quote von knapp 81 Prozent entspricht. „Wir erwarten, dass bis Ende des Jahres 90 Prozent der Praxen angeschlossen sein werden“, sagte König.
Mit Blick auf die Diskussionen über die Datensicherheit stellte KV-Vize König klar, dass mögliche Probleme der sicheren TI-Installation und des TI-Betriebs nicht bei den Ärzten abgeladen werden dürften. „Wir sind Ärzte, keine IT-Techniker. Der Gesetzgeber hat die TI gewollt, gegen einseitige Schuldzuweisungen an die Niedergelassenen für angebliche Sicherheitsmängel in den Praxen verwehren wir uns kategorisch.“ Klar sei aber auch: IT-Sicherheit sei ein Thema, das nicht mit der Telematik-Infrastruktur vermischt werden dürfe. Angenommen wurde ein Antrag, in dem der Vorstand den Praxen empfiehlt, ihre TI-Anschlüsse überprüfen zu lassen.
Ende unverhältnismäßiger Prüfanträge der Kassen gefordert
Einen Appell in Richtung der Krankenkassen richtete die VV auf Antrag des KVNO-Vorstands auch in einem Beschluss zu Prüfungen im Bereich Arzneimittel und Sprechstundenbedarf. Einstimmig forderte die VV die Krankenkassen in Nordrhein auf, keine Minimalregresse mehr anzustrengen, die in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den dadurch ausgelösten Verwaltungskosten stehen und die die Arbeit der niedergelassenen Ärzteschaft massiv beeinträchtigen. „Die Krankenkassen in Nordrhein werden ebenso aufgefordert, zu dieser Thematik auch unverzüglich wieder in Verhandlungen zur Prüfvereinbarung einzutreten, damit die Antragsgrenze angepasst werden kann“, heißt es im Beschluss.
Wie immer am Jahresende waren die Präsentation und die Debatte um die Bilanz des Geschäftsjahres 2018 und den Haushalt für 2020 Tagesordnungspunkte der VV. Die Delegierten genehmigten ohne Gegenstimmen beide Zahlenwerke und entlasteten so auch den Vorstand. Der Verwaltungskostensatz der KVNO bleibt 2020 unverändert – die Mitglieder zahlen bei IT-unterstützter Abrechnung weiterhin 2,8 Prozent ihres Arztumsatzes.
Dr. Heiko Schmitz leitet den Bereich Presse und Medien der KV Nordrhein.