Vor zehn Jahren legten Münchener Ärzte den Grundstein für die Ausstellung „Fegt alle hinweg…“. Mit ausgewählten Biographien erinnern sie seitdem an die systematische Entrechtung und Verfolgung jüdischer Ärztinnen und Ärzte im Nationalsozialismus. Vom 13. November bis 8. Dezember 2019 war die Ausstellung auf Initiative des Bonner Ärzte-Vereins e.V. und der Kreisstelle Bonn der Ärztekammer Nordrhein im StadtMuseum Bonn zu Gast.
von Ulrike Schaeben
Die Porträts der Ausstellung stehen exemplarisch für insgesamt 8.000 jüdische Ärztinnen und Ärzte, denen die Nationalsozialisten 1938 die Approbation zwangsweise entzogen hatten. Ihre systematische Verdrängung, Ausgrenzung und Entrechtung, die mit Entlassungen und dem Entzug der Kassenzulassung begann und im totalen Berufsverbot gipfelte, wurde durch die damaligen ärztlichen Standesorganisationen maßgeblich vorangetrieben. Das einem Aufruf von 1933 des NS-Ärztebundes zugeschriebene Zitat „Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen“ weist auf die Kompromisslosigkeit hin, mit der die jüdischen Ärztinnen und Ärzte durch Ausgrenzung und Entrechtung in den beruflichen und wirtschaftlichen Ruin getrieben wurden. Das Leid der systematischen Verfolgung und die Ermordung in den Vernichtungslagern folgten.
Die Gastausstellung wurde am 10. November unter Schirmherrschaft des Bonner Oberbürgermeisters Ashok-Alexander Sridharan und in Anwesenheit der Kuratoren, dem Ehepaar Dr. Hansjörg und Ursula Ebell, vor 50 geladenen Ehrengästen feierlich eröffnet. Maßgebliche Wegbereiter waren der 1. Vorsitzende des Vorstandes des Bonner Ärzte-Vereins, PD Dr. Johannes Kruppenbacher, der Vorsitzende der Kreisstelle Bonn der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Thomas Scheck, und Vorstandsmitglied Dr. Stephan Kern. Sie verbanden mit ihrem Engagement das Ziel, als Bonner Ärztinnen und Ärzte Verantwortung für ihre Heimatstadt und ihren beruflichen Wirkort zu übernehmen, die Erinnerung an jüdische Kolleginnen und Kollegen aufrechtzuerhalten und ihr Schicksal nicht zu vergessen. Doch gelte es, nicht nur einen Ort der Erinnerung an eines der düstersten Kapitel der Stadtgeschichte zu schaffen, sondern gegen jede Form von Antisemitismus und Fremdenhass vorzugehen, wie die Eröffnungsredner unisono deutlich machten.
Die Medizinische Fakultät in der NS-Zeit
Ergänzend waren Dokumente über eine jüdische Ärztin und fünf jüdische Ärzte aus Bonn zu sehen, deren berufliche Existenz durch das nationalsozialistische Regime zerstört wurde. Für die Begleitausstellung zeichneten Astrid Mehmel, Leiterin „Gedenkstätte und NS-Dokumentationszentrum Bonn e.V.“, Dr. Horst-Pierre Bothien vom StadtMuseum Bonn und Dr. Thomas Becker, Leiter des Bonner Universitätsarchivs, verantwortlich.
Flankiert wurde die Ausstellung von einem Begleitprogramm, das nicht nur an die Bonner Ärzteschaft, sondern auch an die Öffentlichkeit gerichtet war. Der Vortrag von Astrid Mehmel schilderte das von der systematischen Verdrängungs- und Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten geprägte jüdische Leben in Bonn in den Jahren 1933 bis 1944 besonders anschaulich durch Zitate aus autobiographischen Aufzeichnungen des Bonner Arztes Arthur Samuel, dem 1939 mit seiner Familie die Flucht über die Niederlande in die USA gelang.
Der Vortrag des Medizinhistorikers PD Dr. Ralf Forsbach beleuchtete die Rolle der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn und ihrer Mitglieder in der NS-Zeit. Die Entrechtung jüdischer Ärztinnen und Ärzte habe sich unter anderem in der Verweigerung und Entziehung des Doktorgrades manifestiert. Forsbach richtete den Blick zudem auf die entsetzlichen sogenannten NS-Medizinverbrechen, die es auch in Bonn gegeben habe.
Den Abschluss des Begleitprogramms bildete ein Kulturabend in der Synagoge Bonn unter der Leitung der Vorsitzenden Dr. Margret Traub. Die Veranstaltung stand im Zeichen eines regen Austausches und vermittelte nicht nur einen lebendigen Eindruck von jüdischem Leben in Bonn heute, sondern bekräftigte auch die Solidarität der Bonner Besucher mit der jüdischen Gemeinde, die ein unverzichtbarer Teil der Bonner Stadtgesellschaft ist.
Dr. phil. Ulrike Schaeben ist Referentin für die Koordination der Kreis- und Bezirksstellen der Ärztekammer Nordrhein.
Die Ausstellung „Fegt alle hinweg…“ soll bis zum Ärztetag 2023 um insgesamt acht Porträts jüdischer Ärztinnen und Ärzte aus Nordrhein erweitert werden. Mitglieder der Ärztekammer Nordrhein sind willkommen, sich mit Vorschlägen von Biographien an dem Projekt zu beteiligen. Kontakt: Dr. phil. Ulrike Schaeben, Referentin der Ärztekammer, E-Mail ulrike.schaeben(at)aekno.de