Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe lagen die täglichen Neu--Infektionszahlen mit dem Coronavirus wieder auf dem Niveau von -April dieses Jahres, Tendenz steigend. Mit Anstieg der Infektions-zahlen wächst auch die Zahl der Medienberichte und Extrasendungen über die Corona-Lage, die wiederum Sorgen und Ängste in der -Bevölkerung verstärken, mit zum Teil unerwünschten Folgen, die wir schon aus dem Frühjahr kennen.
Wir Ärztinnen und Ärzte müssen daher erstens darauf achten, dass unsere Nicht-Corona-Patienten nicht erneut aus Angst vor Ansteckung unseren Praxen und Kliniken fernbleiben. Wir müssen in der Öffentlichkeit zeigen, dass wir unsere Versorgungsstrukturen und Hygienekonzepte in den letzten Monaten so umgestellt haben, dass alle Patientinnen und Patienten auch bei steigenden Zahlen ohne Sorge vor Ansteckung zu uns kommen können. Das setzt voraus, dass Hygieneanforderungen, Corona- und Arbeitsschutzverordnungen konsequent umgesetzt werden und wirksame Teststrategien für die im Gesundheitswesen Tätigen angewendet werden. Ich hätte wenig Verständnis, wenn wir im Herbst und Winter aufgrund von anlasslosen Tests oder Massentests vor Fußballspielen erleben müssten, dass Laborkapazitäten nicht mehr ausreichen, um Akteure im Gesundheitswesen und deren Patienten ausreichend schützen zu können.
Zweitens muss die Ärzteschaft die Politik immer wieder darauf hinweisen, dass es mit Blick auf die Versorgungskapazitäten entscheidend darauf ankommen wird, wie viele ältere Patienten, chronisch Kranke und behinderte Menschen sich infizieren. Denn die Hauptlast der COVID-19-Erkrankungen auf den Intensivstationen entfällt auf diese Bevölkerungsgruppen. Sie gilt es umfangreich zu schützen und darauf zu achten, dass dieser Schutz möglichst auch ohne erneute Isolation greift. Ich habe Hoffnung, dass die Antigen-Schnelltests dabei helfen können, Bewohner von Gemeinschaftseinrichtungen der Behindertenhilfe, von Alten- und Pflegeheimen, deren Besucher und das Personal zu schützen und ihnen eine erneute Separierung zu ersparen. Denn eine wichtige Erfahrung aus der ersten Welle ist, dass Kontaktbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen zwar gegen die Ausbreitung des Coronavirus helfen, sie aber in Depressionen oder posttraumatischen Belastungen münden können. Hier müssen wir wachsam sein und vor allem unsere alleinstehenden und psychisch vorbelasteten Patienten aktiv auf mögliche Symptome ansprechen.
Um aber allen Patienten mit ihren individuellen Bedürfnissen gerecht werden zu können, müssen wir als Ärzteschaft Richtung Politik deutlich machen, dass die unterschiedlichen Vorgaben im Umgang mit der Pandemie und die Teststrategien für Ärztinnen und Ärzte, die seit Beginn der Coronakrise stetig belastet sind, nachvollziehbar und anwendbar bleiben müssen. Kein Mensch trägt Maßnahmen mit, wenn er den Überblick über sie verloren hat. Klarheit der Kommunikation hat deshalb auch hier hohen Wert.
Rudolf Henke
Präsident der Ärztekammer Nordrhein