Wenn Menschen mit Demenz ins Krankenhaus müssen, ist das für diese oft verstörend und für die Mitarbeitenden eine Herausforderung. Eine Kurzbefragung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands NRW hat in den teilnehmenden Kliniken im Projekt „Blickwechsel Demenz.NRW“ die Auswirkungen von Corona-Beschränkungen auf die Demenzsensibilität untersucht.
von Cornelia Plenter und Adelheid von Spee
Nahezu alle Krankenhäuser, die am Projekt „Blickwechsel Demenz“ für mehr Demenzsensibilität in den Kliniken teilnehmen, gaben an, dass sich die Corona-Pandemie auf ihre demenzsensible Ausrichtung auswirkt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die der Paritätische (NRW) zwischen Anfang März und Ende Mai 2020 – zur Intensivzeit der Pandemie – durchgeführt hat. Von den 36 angeschriebenen Krankenhäusern antworteten 14. Nach Angaben dieser Kliniken absorbiert vor allem der verstärkte Infektionsschutz zusätzliche Ressourcen, die dann bei der Betreuung demenzerkrankter Personen fehlen. Notwendige Hygiene- und Isolationsmaßnahmen erschwerten die Versorgung von Menschen mit Demenz. Dazu komme, dass unterstützende soziale Kontakte durch die Angehörigen oder durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer durch die geltenden Besuchsverbote drastisch reduziert wurden. Der zusätzliche Betreuungsbedarf der Patientinnen und Patienten mit Demenz konnte in den meisten Krankenhäusern nur unzureichend durch Einzelbetreuungen kompensiert werden.
Demenzsensibilität ist systemrelevant
Dem Paritätischen zufolge zeigt die Befragung, dass der Bedarf an Demenzsensibilität während der coronabedingten Ausnahmesituation erkennbar gewachsen ist. Um eine medizinisch und pflegerisch gleichwertige Behandlung für Menschen mit Demenz im Krankenhaus zu gewährleisten, seien zusätzliche Betreuungsangebote auch zu Pandemiezeiten „systemrelevant“ und obligatorisch, fordert der Verband.
Bei mehr als der Hälfte der Krankenhäuser blieb die Delirrate bei Patienten mit Demenz nahezu unverändert. Allerdings wurde das Erleben von Deliren unter Corona-Bedingungen intensiver eingeschätzt. Als delirfördernd wurden Infektionsschutz- und Isolationsmaßnahmen wie das Tragen von Mund-Nasen-Masken und der Wegfall von Angehörigenbesuchen eingeschätzt. Der Zusammenhang zwischen eingeschränkten Möglichkeiten zur Delirprophylaxe und der Delirrate wurde deutlich wahrgenommen.
Unterschiedlich gestaltet sich in den Krankenhäusern während der Corona-Pandemie die Tätigkeit der Demenz-Beauftragten. Vielerorts wurde das Bestreben, die Arbeit weiterhin wie bisher zu verrichten, durch verschärfte Infektionsschutzmaßnahmen und Umstrukturierungen erschwert. Teilweise wurden Demenz-Beauftragte auf anderen Stationen mit anderen Aufgaben betraut. In den Krankenhäusern, in denen die Demenzsensibilität als Teil des Qualitätsmanagements fest verankert war, konnten die Demenzbeauftragten auch in der Krise ihrer originären Tätigkeit weiter nachgehen und die fachgerechte Versorgung der Menschen mit Demenz sicherstellen.
Die Befragung belegt neben der Umsetzung sehr rigider Besuchsverbote auch eine Fülle an kreativen und kontakterhaltenden Lösungen. Während das Besuchsverbot in einigen Häusern faktisch zu einem Kontaktverbot wurde, entwickelten andere Kliniken alternative Kontaktformen. Es wurden individuelle Absprachen und hausinterne Regelungen getroffen. Ermöglicht wurden beispielsweise Telefonate oder ein Zuwinken am Fenster.
Oft konnten die Telefonate das Besuchsverbot jedoch nur teilweise kompensieren. So wurde zum Beispiel beschrieben: „Je nach Grad der Demenz war das zunächst geltende Besuchsverbot für die Patienten sehr aufwühlend. Sie sehnten sich nach ihren vertrauten Angehörigen. Telefonate verwirrten eher …“. Der Befragung zufolge versuchen einige Kliniken seit Beginn der Lockerungen „so weit wie möglich Besuche durch einen Angehörigen im Park unter Hygienemaßnahmen zu ermöglichen“.
Kliniken melden Unterstützungsbedarf an
Um Demenzsensibilität auch während der Pandemie umsetzen zu können, sehen die befragten Krankenhäuser Unterstützungsbedarf bei der Angehörigenarbeit, der Kommunikation und Beziehungspflege während der Pandemie sowie bei der Rollenentwicklung der Demenzbeauftragten und deren notwendiger Verankerung in der Organisation der Krankenhäuser. Dazu werden im Rahmen des Projekts „Blickwechsel Demenz.NRW“ gezielte Angebote entwickelt. Für 2021 ist ein neues Workshop-Programm für Kliniken in NRW geplant. Informationen unter: www.blickwechseldemenz.de
Cornelia Plenter ist Projektleiterin und Adelheid von Spee Projektmitarbeiterin bei „Blickwechsel Demenz.NRW“, das vom Landesgesundheitsministerium gefördert wird.