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Mein Engagement

„Man sollte über innerärztliche Unterschiede hinwegsehen“

26.10.2020 Seite 55
RAE Ausgabe 11/2020

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 11/2020

Seite 55

Uwe Brock ist seit 15 Jahren Vorsitzender der Kreisstelle Mülheim. © Stephan Giagla
Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Uwe Brock, Vorsitzender der Kreisstelle Mülhheim, in unserer Reihe „Mein Engagement“.

RÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Brock: Die Ärztekammer ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts das Selbstverwaltungsorgan aller in Nordrhein tätigen Ärztinnen und Ärzte. Sie kümmert sich um Berufsrecht, Fort- und Weiterbildung, Qualitätssicherung und vieles mehr.

RÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Brock: Kreisstellenvorsitzende sollten sich in die Lage eines jeden Kreisstellenmitgliedes versetzen können und so viel wie möglich über die anderen medizinischen Berufsgruppen wissen. Zudem sollte man moderieren, koordinieren und kommunizieren können und das Ganze mit positiver Ausstrahlung und Optimismus verbinden. Man muss innerärztliche Positionen und Ideen besprechen und richtig einordnen können. Es ist auch von Vorteil, wenn man sich in seine Kolleginnen und Kollegen hineinversetzen kann: in die Assistenzärzte, die Niedergelassenen aber eben auch in die Krankenschwestern und Pfleger der Region. Um gewählt zu werden, muss man versuchen, alle mitzunehmen. Man sollte auch sensibel genug sein, zu überschauen, in welchen Bereichen jeweils Herausforderungen auf Ärztinnen und Ärzte zukommen. Man sollte über innerärztliche Unterschiede hinwegsehen.

„Die Weiterbildungszeit sollte durch das Weiterentwickeln ärztlicher Fähigkeiten geprägt sein.“

RÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender in Mülheim bewirken?
Brock: Vor einem Jahr haben wir in Mülheim mit einer spezialisierten ambulanten Paliiativversorgung (SAPV) begonnen. Hierbei sieht man, wie effektiv es ist, wenn viele Gesundheitsberufe zusammenarbeiten. Durch pflegerische, verwaltungstechnische und ärztliche Strukturen wird die Gesamtleistung für Patientinnen und Patienten wunderbar optimiert. Besonders in Corona-Zeiten waren diese Verknüpfungen von Vorteil. Ich selbst wurde in den Krisenstab der Stadt berufen, habe alle Entscheidungen hautnah miterlebt. Im Prinzip hat man die Abläufe und den Umgang mit Epidemien oder Pandemien im Studium gelernt. Die Theorie ist also nicht ganz so neu gewesen. Man musste einen guten Mittelweg finden: keine Panik verbreiten, aber die Lage auch ernst nehmen.
Ich möchte auch in Zukunft in Mülheim weiterhin für Kammerarbeit begeistern. Ich möchte die Arbeit hier vor Ort noch mehr mit der in der Hauptstelle in Düsseldorf integrieren, damit man gemeinsam mehr Verständnis für die anderen Bereiche der Kammer erwecken kann.

RÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Brock: Schaut euch ganz genau an, was ihr bei eurem neuen Arbeitgeber lernt. Die Weiterbildungszeit sollte durch das Weiterentwickeln ärztlicher Fähigkeiten geprägt sein. Leider kommt es bei diesem Faktor enorm auf die Klinik an, bei der man tätig ist. Ökonomische Zwänge führen oftmals dazu, dass die Weiterbildungszeit nicht von Weiterbildung bestimmt ist. Junge Kolleginnen und Kollegen sollten aber genau das einfordern. Es geht nicht nur darum, Patienten wegzuarbeiten, sondern dass man etwas beigebracht bekommt. 

RÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Brock: Das geht, denke ich, indem man die Vorteile für einen selbst und für die Kammer schildert. Man sollte eventuell auch die Angst vor den möglichen Hürden nehmen, die nicht so hoch sind, wie manch einer glaubt. Allerdings ist der persönliche Einsatz auch sehr individuell. Junge Ärztinnen und Ärzte sollten ihre Möglichkeiten, auf ihre gemeinsame berufliche Zukunft einwirken zu können, selber in die Hand nehmen. Denn die Lust am Gestalten wirkt stärker als die Angst vor der Zukunft – frei nach Jürgen Klopp, Trainer des FC Liverpool.

Das Interview führte Vassiliki Latrovali.
 

Uwe Brock wurde 1962 in Mülheim geboren. Sein Medizinstudium führte ihn von Bonn nach Düsseldorf und später nach Essen. 1998 ließ sich der Facharzt für Innere Medizin in seiner Heimatstadt mit eigener Praxis nieder. Brock ist seit 15 Jahren Vorsitzender der Kreisstelle Mülheim. Er ist zudem seit 2009 in der Kammerversammlung und war von 2009 bis 2016 im Vorstand der Ärztekammer Nordrhein tätig.