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Anforderungen für die Durchführung von schönheitschirurgischen Wunschbehandlungen für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte


Beschluss des Vorstandes vom 05.08.2020

  • I. Geltungsbereich

    Alle Ärztinnen und Ärzte, die in Nordrhein ohne medizinische Indikation auf Wunsch von Patientinnen und Patienten schönheitschirurgische Wunschbehandlungen und -eingriffe durchführen, haben die nachfolgenden Vorgaben zu beachten. Dazu gehört insbesondere die Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte. Diese dient dem Ziel, die Qualität der ärztlichen Tätigkeit im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung sicherzustel-len, das Ansehen des Arztberufs zu wahren, berufswürdiges Verhalten zu fördern und berufsunwürdiges sowie ein patientengefährdendes Verhalten zu verhindern.

    Die nachfolgenden Rahmenbedingungen gelten für die Berufsausübung in jedweder Einrichtung (ambulant und stationär, konzessioniert oder konzessionsfrei, freiberuflich oder gewerblich) unabhängig davon, wer diese betreibt. Soweit für die stationäre Einrichtung weitergehende gesetzliche Vorgaben bestehen, gehen diese vor. Das ärztliche Berufsrecht ist von jeder Ärztin und jedem Arzt zu beachten. Auch gewerbliche Beschäftigungsträger haben dafür Sorge zu tragen, dass insbesondere die der Patientensicherheit dienenden Vorgaben beachtet werden. Das Berufsrecht gilt auch, wenn die Ärztin oder der Arzt bei oder für einen gewerblichen Beschäftigungsträger arbeitet, für den die Vorschriften nicht unmittelbar gelten.

  • II. Schönheitschirurgische Wunschbehandlungen

    Im Bereich der sogenannten Schönheitschirurgie werden auf Wunsch medizinisch nicht notwendige Behandlungen, insbesondere schönheitschirurgische Eingriffe / Operationen erbracht.

    Die schönheitschirurgische Operation ist eine medizinisch nicht indizierte operativ-chirurgische Maßnahme zur Herbeiführung einer subjektiv wahrgenommenen Verbesserung des optischen Aussehens einschließlich der Behandlung altersbedingter äußerlicher Veränderungen des Körpers.

     
  • III. Schönheitsmedizinische Wunschbehandlungen

    Die nichtoperative schönheitsmedizinische Behandlung ist die Behandlung mit anderen als operativ-chirurgischen Methoden, insbesondere mit Arzneimitteln und minimal-invasiven Methoden zur Herbeiführung einer subjektiv wahrgenommenen Verbesserung des optischen Aussehens des menschlichen Körpers oder der ästhetischen Veränderung des körperlichen Aussehens einschließlich der Behandlung altersbedingter äußerlicher Veränderungen des Körpers ohne medizinische Indikation.

  • IV. Qualifikation nach Weiterbildungsordnung

    Es gilt hierzu die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein in ihrer aktuellen Fassung.

    Die plastisch und ästhetisch operativen Eingriffe werden grundsätzlich durch Fachärztinnen und Fachärzte fachbezogen erbracht. Dabei sind die Gebiete und deren Grenzen nach Weiterbildungsrecht zu beachten.

    Operativ tätig werden soll nur die Fachärztin oder der Facharzt, in deren / dessen Gebiet operative Eingriffe fallen.

  • V. Rechtliche Grundlagen zur Durchführung einer schönheitschirurgischen Wunschbehandlung/-operation

    1. Berufsrecht für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (Berufsordnung)

    Ärztinnen und Ärzte haben bei der Durchführung plastischer und ästhetischer-operativer Eingriffe die spezifischen berufsrechtlichen Pflichten zu beachten (§ 2 BO).

    Jede Ärztin und jeder Arzt ist sowohl gesetzlich als auch vertraglich zur gewissenhaften und sorgfältigen Berufsausübung verpflichtet (§ 29 Abs. 1 HeilBerG NRW, § 2 Abs. 2 BO), insbesondere gelten:

    • Erfüllung notwendiger fachlicher Qualifikation
    • Beachtung des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse
    • Ärztliche Sorgfalt sowie Handeln zum Wohl der Patientin und des Patienten
    • Nicht das Interesse Dritter über das Wohl der Patientinnen und Patienten zu stellen.
    • Garantenstellung (besonderes Vertrauensverhältnis zur Patientin bzw. Patienten)
    • Gewissenhafte Berufsausübung nach den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit
    • Medizinisch und ethisch vertretbare Maßnahmen und Eingriffe

    Der ärztliche Berufsauftrag verbietet es, diagnostische oder therapeutische Methoden unter missbräuchlicher Ausnutzung des Vertrauens, der Unwissenheit, der Leichtgläubigkeit oder der Hilflosigkeit von Patientinnen oder Patienten anzuwenden (§ 11 Abs. 2 BO).

    Behandlungen, mithin auch schönheitschirurgische Wunscheingriffe, unterliegen der gesetzlichen Verpflichtung zur Behandlung nach allgemein anerkanntem fachlichem Standard. Dieser richtet sich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung. Berufs- und haftungsrechtlich wird der Standard verlassen, wenn zu der von der Ärztin oder dem Arzt vorgeschlagene Methode eine risikoärmere gleichwertige neuere und oder weniger belastende Methode existiert.

    Die ärztliche Aufklärungspflicht gehört zu den ärztlichen Grundpflichten. Eine hinreichende ärztliche Aufklärung ist Bedingung für eine wirksame Zustimmung zu einer Behandlung. Allgemein gilt, dass der Umfang der Aufklärung und das Maß der Genauigkeit, mit dem aufgeklärt wird, umso intensiver sein muss, je weniger dringlich der Eingriff ist. Ärztinnen und Ärzte müssen ganz besonders sorgfältig über das Für und Wider des Eingriffes sowie über Chancen und Risiken und über mögliche Folgen, aufklären. Insbesondere hat die Ärztin/der Arzt vor der Durchführung einer plastischen und ästhetischen Operation ihre Patientinnen und Patienten klar und verständlich über:

    • die Methode des Eingriffs,
    • Wesen, Tragweite und Bedeutung des Eingriffs,
    • im Rahmen des Eingriffs angewendete Arzneimittel und deren Nebenwirkungen sowie Medizinprodukte einschließlich Implantate und deren Funktionsfähigkeit und Lebensdauer,
    • das in Aussicht gestellte Ergebnis des Eingriffs und mögliche Abweichungen,
    • sämtliche bekannte Gefahren des Eingriffs und
    • sämtliche im Zusammenhang mit dem Eingriff stehende Kosten einschließlich zu erwartender Folgekosten bis zum Abschluss der geplanten Behandlung.

    umfassend mündlich und schriftlich in einer für medizinische Laien verständlichen Sprache aufzuklären. Die Aufklärung, wie das gesamte Verfahren, sind umfassend zu dokumentieren (§ 10 BO).

    Im Rahmen der Aufklärung sind außerdem zu dokumentieren:

    • Grund des Behandlungswunsches
    • Eine „Für und Wider“-Darstellung unter Bezug auf das personenbezogene Risiko

    Die Überlegungsfrist zwischen Aufklärung und Eingriff soll 14 Tage betragen.

    Für die plastisch und ästhetisch operative Einrichtung und den in ihr zur eigenverantwortlichen Berufsausübung tätigen Ärztinnen und Ärzte muss eine eigenständige und ausreichende Berufshaftpflichtversicherung bestehen.

    2. Heilmittelwerbegesetz

    Darüber hinaus sind die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetz (HWG) zu beachten. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG findet dieses Gesetz auf die Werbung für plastisch und ästhetisch operative Eingriffe Anwendung, soweit sich die Werbeaussage auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit bezieht.

    Auch darf für operative plastisch-chirurgische Eingriffe nicht mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch eine vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder das Aussehen vor und nach dem Eingriff geworben werden (§ 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG).

    3. Bürgerlich-rechtliche Vorschriften (BGB)

    Neben die berufsrechtlichen Pflichten treten die Vorschriften des §§ 630 a ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dabei ist insbesondere die Regelung des § 630 h BGB zu beachten, der die Beweislast bei Haftung für Aufklärungsfehler regelt. War ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt, wird vermutet, dass die mangelnde Befähigung für den Eintritt der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war (Beweislastumkehr, § 630 h Abs. 4 BGB).

    Plastische und ästhetische Eingriffe, die nicht medizinisch indiziert sind, insbesondere schönheitschirurgische Wunschbehandlungen, sollen nur bei Patientinnen und Patienten ab einem Alter von 18 Jahren durchgeführt werden.

     
  • VI. Organisatorische Voraussetzungen

    Unbeschadet der Verpflichtung des für den plastisch und ästhetisch operativen Eingriff verpflichteten Arztes, ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Art und Schwere des beabsichtigten Eingriffs sowie des Gesundheitszustandes des Patienten die Durchführung des Eingriffs nach den Regeln der ärztlichen Kunst mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erlauben. Die organisatorischen, hygienischen und apparativen Voraussetzungen in Abhängigkeit von Art, Anzahl, Spektrum und dem jeweiligen Ort der Erbringung des Eingriffs müssen mindestens jedoch die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

    1. Allgemeine Voraussetzungen

    Die nachfolgenden allgemeinen Regeln zur Organisation der Behandlungen und operativen Eingriffe sind zu erfüllen:

    • Ständige Erreichbarkeit der Einrichtung und des Operateurs beziehungsweise der behandelnden Ärztin/des behandelnden Arztes für die Patientin oder den Patienten bis zum nächsten ärztlichen Nachschautermin.
    • Dokumentation der ausführlichen und umfassenden Information der Patientin/des Patienten über den operativen Eingriff und die gegebenenfalls notwendige Anästhesie (alternative Möglichkeiten der Nachbehandlung).
    • Geregelter Informations- und Dokumentenfluss zwischen den beteiligten Ärztinnen und Ärzten.
    • Im Rahmen der schönheitschirurgischen Eingriffe findet eine sogenannte „Erweiterte Dokumentationspflicht“ statt. Diese umfasst insbesondere das Anfertigen von Fotos.
    • Sind die vorbehandelnde Ärztin / der vorbehandelnde Arzt und die nachbehandelnde Ärztin / der nachbehandelnde Arzt nicht identisch, muss eine Kooperation für die Nachbehandlung gewährleistet sein.
    • Während und nach Durchführung eines plastisch und ästhetisch chirurgischen Eingriffs muss eine ausreichende Kontrolle und Überwachung der Patientin/des Patienten durch das hierzu qualifizierte Personal gewährleistet sein (DGAI/BDA „Überwachung nach Anästhesieverfahren“ 13.03.2009/25.03.2009).
    • Die Einrichtung, in der die plastisch und ästhetisch chirurgischen Eingriffe durchgeführt werden, muss über einen Organisations- und Notfallplan für Zwischenfälle verfügen. Das Personal muss an regelmäßigen Fortbildungen im Notfall-Management teilnehmen. Entsprechend dem Leistungsspektrum ist die Durchführung geeigneter Reanimationsmaßnahmen zu gewährleisten. Darüber hinaus muss die Einrichtung die Notfallversorgung sicherstellen.
    • Eingriffe mit Vollnarkose sowie Eingriffe mit hohem Allgemeinrisiko unter Lokal- und Leitungsanästhesie und in tiefer Analgosedierung, sind durch eine Fachärztin / einen Facharzt für Anästhesie sicher zu stellen (DGAI / BDA „Analgosedierung für diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei Erwachsenen“ 11.03.2010, sowie BDA / DGAI / BDC „Qualitätssicherung ambulante Anästhesie“ 24.09.2004/15.10.2004).

    2. Hygienische Vorrausetzungen

    Die Einrichtung muss folgende hygienischen Voraussetzungen erfüllen:

    • Infektionsschutzgesetz insbesondere § 23 IfSG: Nosokomiale Infektionen; Resistenzen; Rechtsverordnung durch die Länder.
    • Prävention postoperativer Wundinfektionen. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch-Institut. Bundesgesundheitsblatt 2018: 61: 448-473
    • Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren. Stand: 31. Oktober 2017. Bundesgesundheitsblatt 2017: 60: 1274-1297
    • Anforderung an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Bundesgesundheitsblatt 2012: 55: 1244-1310
    • Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut (RKI). Bundesgesundheitsblatt 2004: 47: 51-6
    • Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI). Bundesgesundheitsblatt 2016: 59: 1189-1220
    • Biostoffverordnung TRBA 250
    • Einteilung der operativen Eingriffe gemäß § 115b Abs.1 SGB V. Anlage zu Ziffer 5.1: Anforderungen der Hygiene beim ambulanten Operieren in Krankenhaus und Praxis.

    3. Räumliche und apparativ-technische Voraussetzungen

    Die Voraussetzungen an die Einrichtung bezüglich der räumlichen und apparativ-technischen Ausstattung sind:

    • Räumliche Gestaltung Abschnitt 4.3 und 4.4 in: Prävention postoperativer Wundinfektionen. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch-Institut. Bundesgesundheitsblatt 2018: 61: 448-473
    • Einteilung der operativen Eingriffe gemäß § 115b Abs.1 SGB V. Anlage zu Ziffer 4.3.3: Anforderungen der Hygiene beim ambulanten Operieren an die funktionell-bauliche Gestaltung von Operationsabteilungen, von Einheiten für kleine operative Eingriffe sowie von Untersuchungs- und Behandlungsräumen für operative Fachgebiete.
    • DIN 1946-4 (2015) Raumlufttechnik: Raumlufttechnische Anlagen in Gebäuden und Räumen des Gesundheitswesens

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