Düsseldorf, 10.3.2022. „Eine Triage-Entscheidung ist und bleibt eine tragische Entscheidung“, stellte Professor Dr. Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), fest. Bei der Online-Veranstaltung der Ärztekammer Nordrhein zum Triage-Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 16. Dezember 2021 betonte er, dass im Verlauf der Coronapandemie Ärztinnen und Ärzte durchaus Behandlungen priorisieren und zum Beispiel Operationen verlegen mussten. Eine echte Triage, bei der die vorhandenen Ressourcen nicht mehr für die Versorgung aller ausreichten, habe es seines Wissens nach auf den Intensivstationen deutscher Krankenhäuser bislang aber nicht gegeben. Im Falle einer pandemiebedingten Ressourcenknappheit, die eine Triage-Entscheidung erfordere, sei die klinische Erfolgsaussicht im Sinne einer Überlebenswahrscheinlichkeit der aktuellen Erkrankung aber ein begründetes Auswahlkriterium.
Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber aufgefordert, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, um im Falle einer pandemiebedingten Triage sicherzustellen, dass Menschen nicht aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt werden. Menschen mit Behinderung würden bei einer Priorisierung nach Erfolgswahrscheinlichkeit immer eine zumindest mittelbare Diskriminierung erfahren, sagte Nancy Poser, Richterin am Amtsgericht Trier und Beschwerdeführerin im Verfahren, bei der Online-Veranstaltung der Ärztekammer Nordrhein.
Die Frage, ob eine ärztliche Entscheidung in einer Triage-Situation rechtmäßig sei, betreffe das Zentrum des ärztlichen Selbstverständnisses, sagt Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Eine Triage- Situation sei immer eine absolute Ausnahmesituation, in der stets einzelfallbezogene Entscheidungen getroffen werden müssten. Dabei dürfe es keine Zuordnung zu bestimmten Gruppen aufgrund des Alters oder von Behinderung geben. „Der Wert eines Lebens kann nicht gegen den eines anderen abgewogen werden“, stellte Henke klar. Die Letztverantwortung für Triage-Entscheidungen trügen immer Ärztinnen und Ärzte.
Das Rheinische Ärzteblatt berichtet in seiner April-Ausgabe ausführlich über die Online-Veranstaltung.
jf