Düsseldorf, 17.6.2022. Apotheken dürfen nach einem Schiedsspruch zwischen dem Deutschen Apothekerverband und dem GKV-Spitzenverband demnächst fünf neue Dienstleistungen erbringen und diese dann mit den Krankenkassen direkt abrechnen. Neben einer erweiterten Medikationsberatung dürfen Apothekerinnen und Apotheker zukünftig unter anderem Beratungen von Tumorpatientinnen und -patienten vornehmen, die eine orale Therapie erhalten. Beraten werden dürfen auch Menschen mit einem ärztlich diagnostizierten Bluthochdruck, die Blutdrucksenker einnehmen, oder Organtransplantierte, die Immunsuppressiva verordnet bekommen.
„Mir erschließen sich die neuen Dienstleistungen und deren Vergütungsstruktur im Gesamtgefüge der Patientenversorgung nicht. Was ist der Zusatznutzen für den Patienten, wenn ein Apotheker jetzt im Rahmen seiner pharmazeutischen Beratung gegebenenfalls in einen komplexen Behandlungsplan eingreift, ohne diesen in Gänze zu kennen und beurteilen zu können? Wir werden erleben, dass das zu mehr Unsicherheit bei den Patientinnen und Patienten führt, zu mehr Beratungsaufwand in den Praxen und im schlechtesten Fall zu Therapieabbrüchen“, kritisiert Henke. Außerdem könne er sich kaum vorstellen, dass chronisch kranke Patientinnen und Patienten in offenen Apothekenräumen ihre Krankheitsgeschichten ausbreiten, wenn sie nicht einmal auf die Wahrung des Patientengeheimnisses vertrauen könnten.
„Wir erleben, übrigens genau wie bei den Grippeimpfungen in Apotheken, dass teure Doppelstrukturen auf Kosten der Solidargemeinschaft eingeführt werden und das ohne Not. Denn alle fünf neuen Beratungsleistungen werden, wie auch die Grippeimpfungen, im Rahmen der Grundversorgung von den niedergelassenen Praxen wie selbstverständlich übernommen. Mit dem Aufbau dieser teuren Parallelstruktur laufen wir zudem Gefahr, dass die gute und sich ergänzende Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Ärzten und Apotheken vor Ort leidet“, befürchtet der Kammerpräsident.
Doch nicht nur die Einführung der Leistungen werfe Fragen auf, sondern auch die Höhe der Vergütung. Für die „erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ (Medikationsanalyse) solle es laut Schiedsamt 90 Euro netto geben. Für gleiche Beratungsleistungen erhielten Ärztinnen und Ärzte im Rahmen der Quartalspauschale nicht einmal ansatzweise so viel, wie nun für Apotheker pro Beratungsgespräch gezahlt werden solle. Rudolf Henke: „Wir können den Schiedsspruch daher nur als Aufforderung zu mehr Vergütungsgerechtigkeit bei anstehenden Honorarverhandlungen werten.“