Bremen, 27.5.2022. Mit zahlreichen Beschlüssen zu notwendigen Reformen im Gesundheitswesen, zur Bekämpfung der Coronapandemie und deren Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche sowie zur ärztlichen Weiterbildung ist heute (Freitag, 27. Mai) in Bremen der 126. Deutsche Ärztetag zu Ende gegangen.
In einem mit großer Mehrheit gefassten Beschluss hatten die 250 Abgeordneten bereits zu Beginn der Woche den Gesetzgeber aufgefordert, wichtige Reformen im Gesundheitswesen umgehend umzusetzen. So seien die ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen patientengerecht, sektorenverbindend und digital vernetzt auszugestalten, Dabei müsse der Mensch Maßstab politischen Handelns sein, heißt es dazu im Leitantrag des Vorstandes der Bundesärztekammer (BÄK).
In diesem Zusammenhang begrüßte der Deutsche Ärztetag die Ankündigung der Bundesregierung für eine grundlegende Krankenhausreform. Notwendig sei unter anderem eine Änderung des Fallpauschalensystems mit stärkerer Berücksichtigung der Vorhaltekosten und – analog zur Pflege – eine Ausgliederung der ärztlichen Personalkosten aus dem DRG-System.
Um angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels eine hochwertige und flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen, sprachen sich die Abgeordneten für eine bessere Verzahnung von ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen und eine verbesserte interprofessionelle Kooperation aus. Außerdem forderten sie den Gesetzgeber auf, die seit langem diskutierte Reform der Notfallversorgung voranzutreiben. Der Deutsche Ärztetag erneuerte zudem seine Forderungen nach mehr Studienplätzen in der Humanmedizin und einer zeitnahen Umsetzung der Novelle der Approbationsordnung. Auch fünf Jahre nach Verabschiedung des Masterplans Medizinstudium 2020 liege noch immer kein Gesetzentwurf vor, weil sich die Länder nicht auf die Finanzierung einigen können. Das geplante Inkrafttreten der Novelle im Jahr 2025 sei damit in Gefahr.
Mit Blick auf die Digitalisierung des Gesundheitswesens sprach sich der Deutsche Ärztetag dafür aus – ähnlich wie in den Krankenhäusern – auch den Ausbau der digitalen Infrastruktur und die digitale Vernetzung im ambulanten Bereich finanziell zu fördern. Die dafür erforderlichen Mittel sollten Bund und Länder zur Verfügung stellen. Außerdem sollten nur solche digitalen Anwendungen ausgerollt werden, die einen Mehrwert für die Versorgung böten. Die Delegierten sprachen sich vor diesem Hintergrund dafür aus, jetzt zunächst den Notfalldatensatz einzuführen und die sichere Kommunikation im Gesundheitswesen auszubauen.
Neben der Gesundheitspolitik bildeten die Auswirkungen der Coronapandemie auf die psychische und physische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen einen thematischen Schwerpunkt des diesjährigen Ärztetages. Die Delegierten forderten die Politik auf, bei allen künftigen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung deren Wohl zu berücksichtigen. Aus Sicht der Ärztinnen und Ärzte müssen künftig flächendeckende Schließungen von Kitas und Schulen vermieden werden. Diese seien auch Orte des sozialen Lernens und der Begegnung, nicht nur der Wissensvermittlung. Deshalb dürfe es beim Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ der Bundesregierung auch nicht in erster Linie darum gehen, Lernrückstände aufzuholen. Ein Netz von Kinder- und Jugendmedizin und -psychiatrie, Schule, Schulsozialarbeit, Jugendamt und Öffentlichem Gesundheitsdienst müsse insbesondere Kindern aus sozial schwachen Verhältnissen helfen, die Folgen von Homeschooling, Kontaktbeschränkungen und Bewegungsarmut zu kompensieren.
Außerdem sprach sich der Deutsche Ärztetag dafür aus, die Ständige Impfkommission personell und finanziell so zu stärken, dass diese den aktuellen Stand des medizinischen Wissens zeitnah aufarbeiten und die Impfstrategie für Deutschland entsprechend anpassen könne. Auch müssten die Forschung zu Long-COVID bei Kindern und Jugendlichen ausgebaut sowie die langfristigen Folgen der mRNA-Impfungen untersucht werden, heißt es im Leitantrag des BÄK-Vorstandes, der mit großer Mehrheit angenommen wurde.
Ihren jährlichen Sachstandsbericht erstatteten die Vorsitzenden der Ständigen Konferenz „Ärztliche Weiterbildung“ der BÄK, Dr. Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, und Prof. Dr. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein. Danach haben inzwischen 15 von 17 Ärztekammern die Weiterbildungsnovelle von 2018 umgesetzt. Die beiden ausstehenden Kammern folgen voraussichtlich noch in diesem Jahr. In Bremen beschloss der Deutsche Ärztetag jetzt zudem eine flexiblere Regelung zur Anrechenbarkeit von Fehlzeiten auf die Weiterbildung. Außerdem strichen die Delegierten nach kontroverser Debatte die Zusatzbezeichnung Homöopathie aus der (Muster-)Weiterbildungsordnung.
Insgesamt stimmten die 250 Delegierten in den vergangenen vier Tagen über mehr als 260 Anträge ab.
HK