Düsseldorf, 29.04.2016. „Für alle Fälle gerüstet – Sterben gehört zum Leben“ lautete der Titel des Medizinethischen Forums 2016 der "Arbeitsgemeinschaft Sozialpädagogik und Gesellschaftsbildung (ASG) - Bildungsforum" und der Ärztekammer Nordrhein am vergangenen Dienstag (26. April). Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen aktuelle Entwicklungen und Initiativen in der palliativen Versorgung der Menschen im Rheinland.
Dr. Georg Bollig, Palliativmediziner am Helios-Klinikum Schleswig, stellte das Konzept der „Letzte Hilfe-Kurse“ vor: analog zu „Erste Hilfe-Kursen“, wie sie im Zuge des Führerscheinerwerbs durchlaufen werden, können Teilnehmer von „Letzte Hilfe-Kursen“ im Umfang von vier Unterrichtsstunden tiefere Einblicke in die Begleitung Schwerkranker und Sterbender am Lebensende gewinnen. Es gehe darum zu zeigen, dass auch das Sterben und der Tod ein Teil des Lebens seien. „Es geht um gelebte Mitmenschlichkeit, um Beistand“, sagte Bollig vor circa 150 Teilnehmern im Haus der Ärzteschaft. ( www.letztehilfe.info)
Noch zu oft werde in einer eigentlich palliativen Situation auf kurative Therapien gesetzt, sagte Dr. Yves Heuser, Arzt und seit dem Jahr 2013 ehrenamtlicher Patientenfürsprecher der Palliativstation im Marien-Hospital Düsseldorf. Das Wissen um die Palliativmedizin sei noch immer wie ein „dünner Firnis, der schnell reißt“. Palliativmedizin verlange eine „extrem sorgfältige Abwägung der Krankengeschichte, und das im Team“. Als Patientenfürsprecher gelte es auch, den Schlagabtausch nicht zu scheuen und das Interesse des Patienten in den Mittelpunkt zu rücken, damit „die Tage, die bleiben, mehr Leben haben, und nicht das Leben lediglich mehr Tage“.
In der Palliation tätig zu sein, das bedeute neben vielen Extra-Stunden zudem, „viele Niederlagen einzustecken“, sagte Heuser. Gleichwohl könnten Patientenfürsprecher viel dazu beitragen, dass das Verständnis von Patient und Behandelnden füreinander, trotz eines häufig von Kommunikationsbrüchen und Zeitdruck geprägten Klinikalltags, wachse. Werde Palliativmedizin frühzeitig eingesetzt, zum Beispiel in Ergänzung zu einer Chemotherapie, zeige die Erfahrung, dass die Patienten deutlich länger lebten. „Wir reden dann nicht über ein paar Tage, sondern über Wochen.“
Eine skeptische Zwischenbilanz zog Professor Dr. Jürgen in der Schmitten über das Instrument der klassischen Patientenverfügung (PV), das bislang überhaupt nicht in das Gesundheitssystem integriert sei. Nur in der Hälfte der in Frage kommenden Situationen liege eine PV überhaupt vor, vorhandene Verfügungen ließen sich sehr oft nicht auf den konkreten Fall anwenden, es gebe häufig große Schwierigkeiten, den mutmaßlichen Willen des Patienten zu deuten. „Wir schleppen seit Jahrzehnten ein Instrument mit uns herum, das nicht wirklich hilft“, sagte er.
In der Schmitten, der neben seiner Professur an der Universität Düsseldorf auch als Allgemeinmediziner und Palliativarzt niedergelassen ist, stellte das Programm „beizeiten begleiten“ vor, das sich an Bewohnerinnen und Bewohner von Senioreneinrichtungen richtet. Geschulte Gesprächsbegleiter und fortgebildete Hausärzte sprechen mit Senioren über ihre Wünsche, was im „Ernstfall“ zu geschehen hat oder unterbleiben soll. Die Gesprächsinhalte werden auf eigens entwickelten "Patienten-/Vertreterverfügungen" sowie auf einem Notfallbogen dokumentiert.
( www.beizeitenbegleiten.de)
Dr. Nada Ralic, Qualitätsmanagementbeauftragte der Diakonie Düsseldorf, übte Kritik an den aus ihrer Sicht zu rigiden Vorgaben des Gesetzgebers an die Dokumentation in Pflegeheimen. Der durch die Bürokratie auf den Pflegekräften lastende Druck führe dazu, Heimbewohner in einer palliativen Situation im Zweifel doch lieber ins Krankenhaus bringen zu lassen. Ralic bezeichnete das inzwischen etablierte palliative Versorgungsangebot als gut, allerdings müsse dieses in der Bevölkerung noch bekannter werden.
ble