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Entschließungen der Kammerversammlung am 12. März 2022 im Wortlaut


Kammerversammlung fordert die Einhaltung der Genfer Konvention

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein verurteilt den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der viele Menschenleben kostet und schweres körperliches und seelisches Leid verursacht.

Tief besorgt nehmen die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte wahr, dass laut Weltgesundheitsorganisation bislang bereits 18 Kliniken, weitere Gesundheitseinrichtungen und Krankenwagen im Einsatz Ziele von Angriffen der russischen Armee geworden sein sollen.

Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen stehen laut Genfer Konvention unter besonderem Schutz. Die Kammerversammlung verurteilt jeden Verstoß gegen die Genfer Konvention auf das Schärfste und fordert die Kriegsführenden dringend zu deren Einhaltung auf.

Ebenfalls fordert die Kammerversammlung alle Konfliktparteien auf, Zivilisten das sichere Verlassen der Kampfgebiete zu einem sicheren Ort eigener Wahl zu ermöglichen und humanitären Helfern den Zugang zu den Gebieten zu ermöglichen.

Aufgrund des anhaltenden Krieges ist damit zu rechnen, dass Kriegsverletzte und kriegsunabhängig schwer erkrankte Personen in der Ukraine nicht mehr adäquat versorgt werden können. Das deutsche Gesundheitswesen ist in der Lage, einen Teil dieses Versorgungsbedarfes abzudecken. Die nordrheinische Ärzteschaft unterstützt die Aufnahme schwerstkranker Patientinnen und Patienten aus der Ukraine.

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein begrüßt die Ankündigung des Bundesgesundheitsministers, dass Geflüchtete aus der Ukraine einen Anspruch auf alle von der Gesetzlichen Krankenversicherung angebotenen Leistungen erhalten sollen.

Um einen möglichst unbürokratischen und einfachen Zugang zur ambulanten und stationären Versorgung zu ermöglichen, fordert die Kammerversammlung, dass Geflüchtete in allen Bundesländern eine elektronische Gesundheitskarte erhalten. Das erspart den Menschen vor jeder ärztlichen Behandlung den Gang zum Sozialamt und den Sozialämtern viel unnötige Bürokratie.

Ukrainischen Flüchtlingen ein Impfangebot machen

Deutschland nimmt derzeit viele ukrainische Flüchtlinge aufgrund der verheerenden Kriegssituation in ihrem Heimatland auf.

Die Kammerversammlung begrüßt die zwischenzeitlich vom MAGS vorgenommene Regelung, ergänzend zu den bereits durchgeführten Corona-Tests den Flüchtlingen auch direkt ein Impfangebot zu machen.

Demozugänge zu Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) im Kontext der Ausbildung und Prüfung von Medizinischen Fachangestellten (MFA)

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert das Bundesministerium für Gesundheit auf, dass die gematik GmbH Berufsschulen und Landesärztekammern kostenfrei Demozugänge zur Telematikinfrastruktur (TI) und Testversionen der Praxissoftware zur Verfügung stellt. Dadurch können TI-Anwendungen im Rahmen der Ausbildung und Prüfung von Medizinischen Fachangestellten (MFA) genutzt werden. Die Anwendung der Software und die damit verbundenen datenschutzrechtlichen Anforderungen können auf dieser Basis praxisnah unterrichtet werden.

Forderung nach einem unbegrenzten Testzugang für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) für Ärztinnen und Ärzte

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert, dass als Teil der Zulassungsvoraussetzungen Ärztinnen und Ärzten zeitlich unbefristete Testzugänge zu den im offiziellen DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte gelisteten Anwendungen zur Verfügung gestellt werden.

Anderenfalls können Ärztinnen und Ärzte nicht beurteilen, welchen Nutzen Patientinnen und Patienten durch die Anwendung einer DiGA konkret haben.

Jährlicher Bericht des Kammervorstands zum Entwicklungsstand Klimaneutralität 2030

Die Kammerversammlung Nordrhein beauftragt den Vorstand der Ärztekammer Nordrhein mit der Erstellung eines jährlichen Berichts zum Entwicklungsstand der geplanten Klimaneutralität 2030.

Klimaschädliche Gasinhalatoren

Vor dem Hintergrund der Beschlüsse dieser Kammerversammlung und auch des letzten Deutschen Ärztetages fordert die Kammerversammlung die Kollegenschaft auf, zukünftig da wo möglich alle Verordnungen zu Inhalationsmedikationen von gasgetriebenen Dosieraerosolen auf Pulverinhalatoren umzustellen.

Schutz der Patientinnen und Patienten vor gewerblichen, der Aufsicht entzogenen Strukturen im Gesundheitswesen

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert die politischen Verantwortungsträger in Nordrhein-Westfalen auf, ihren Einfluss auf die Gesetzgebung des Bundes geltend zu machen, um die immer häufiger in gewerblichen Strukturen außerhalb jeder staatlichen und beruflichen Aufsicht erbrachten heilkundlichen Leistungen zu unterbinden und damit dem Verbraucherschutz in diesem Bereich Geltung zu verschaffen.

Die Kammerversammlung ist äußerst beunruhigt, dass auch in Nordrhein-Westfalen vermehrt diese Art der Erbringung heilkundlicher Leistungen, außerhalb der weithin bekannten und ausdrücklich zugelassenen Formen der medizinischen Versorgung (Praxis, MVZ, Krankenhaus, Private Krankenanstalt), stattfindet.

Die Ausübung heilberuflicher Leistungen in beaufsichtigten Strukturen stellt den Erhalt der Qualität sicher. Immer mehr heilkundliche Leistungen werden jedoch in gewerblichen Strukturen jenseits der aufgezählten, etablierten Strukturen erbracht. Fehlende gesetzliche Bestimmungen machen es möglich, dass solche Wirtschaftsunternehmen genehmigungsfrei und ohne eine geregelte staatliche oder berufliche Aufsicht tätig werden. Dies beruht auf einer Regelungslücke in der Gewerbeordnung, die dringend einer Überarbeitung hinsichtlich der ärztlichen und anderen Heilberufe bedarf. Unangemessene und systematische Gefährdungen begründende Formen der Betätigung müssen zum Schutz von Patientinnen und Patienten unterbleiben.

Vor dem Hintergrund der weiteren Zunahme dieser gewerblichen Strukturen -
auch unter Ausnutzung der gegenwärtigen durch die Corona-Pandemie ausgelösten Veränderungen - besteht akuter Handlungsbedarf.

Versorgungsstruktur bedarf qualifizierten Personals

Die Kammerversammlung beschließt, dass die Arbeitszeit entsprechend dem Versorgungsauftrag unter Berücksichtigung aller ärztlichen Aufgaben einschließlich der Dokumentation und Administration in die Strukturqualität einzufließen hat. Dies gilt im stationären Bereich für die Personalbemessungszahlen und im ambulanten Bereich für die notwendigen Arzt- und Personalkosten.

Supervision und Balintgruppen

Die Arbeit mit und für die Patientinnen und Patienten führt uns an unsere körperliche und seelische Belastungsgrenze. Die Pandemie verstärkt dies zusätzlich. Die Förderung der geistigen und körperlichen Gesundheit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist eine wichtige Aufgabe der Arbeitgeber im Gesundheitssystem.

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert deshalb die Arbeitgeber dazu auf, ausreichend Angebote wie Supervisionen oder Balintgruppen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Versorgung von Patientinnen und Patienten im Rahmen der regulären Arbeitszeit zu schaffen.

Patientenwohl vor profitorientierte Interessen stellen

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein lehnt die fortschreitende profitorientierte Kommerzialisierung des Gesundheitswesens ab. Die Qualität ärztlicher Leistung muss sich am Patienten orientieren und darf nicht Profitinteressen untergeordnet sein. Die Sicherung dieser Qualität im Gesundheitswesen ist Aufgabe der Landesärztekammern. Die Ärzteschaft wird diese Aufgabe weiter wahrnehmen und ausbauen. Die hierzu notwendigen finanziellen Ressourcen werden von den Kostenträgern vollumfänglich eingefordert.