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Mail aus Bonn

17.09.2024 Seite 10
RAE Ausgabe 10/2024

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 10/2024

Seite 10

Lüko Fischer © privat

Ein weißer Kittel weht über die Station; ein Dutzend weitere wehen hinterher. Der erste Kittel nuschelt in seinen schnellen, sicheren Krankenhaus-Schritt hinein, das Dutzend versteht ihn nicht. „Also, wenn es keine Fragen mehr gibt, teilt Ihr Euch bitte auf und probiert Euch an einer Anamnese bei dieser und diesem Patienten. Ich bin gespannt, was Ihr so herausfindet.“ Es gibt noch viele Fragen in unseren Köpfen, während wir dem Kittel hinterherschauen, wie dieser Richtung Arztzimmer fliegt. Und wir hätten uns noch sehr viel mehr Fragen stellen sollen, bevor wir mit unserer ersten echten Anamnese starteten.

Fünf Medizinstudentinnen und -studenten im ersten klinischen Semester beugen sich mit einem stark aufgesetzten Lächeln über die Bettränder, um zu verbergen, dass sie nur eine vage Ahnung haben, welche Fragen sie stellen sollen. Die Erste von uns fragt nach dem Namen. Guter Start! Die Patientin fragt uns nach unseren Namen und unserer Funktion. Sie wirkt jetzt schon professioneller als wir. Die zweite Studentin fragt nach Schmerzen: hat die Patientin. Der Dritte fragt nach ihrem letzten Urlaub: falsche Fährte, aber ein nettes Lächeln gewonnen. Die Vierte fragt nach Medikamenten: Wir kennen kein einziges von den 15, die die Patientin aufzählt. Die Fünfte fragt, wie lange die Pleuradrainage schon liege. Ihre Antwort gibt auch keinen weiteren Hinweis auf ihre Erkrankung und warum sie hier auf Station liegt.
Das wäre doch eine noch bessere erste Frage gewesen: „Warum liegen sie hier auf dieser Station?“ Wir sammeln all unsere ungeordneten Informationen und beschließen, dass die Patientin wegen der Lunge auf dieser Station liegt. In der Nachbesprechung schauen uns die müden Augen des Kittelträgers ungläubig an, als wir keine Antwort darauf finden, was denn genau mit der Lunge sei. Vor der Anamnese wäre wohl die wichtigste Frage gewesen, auf welcher Station wir eigentlich sind. Das Schild „UKB – Station Liebermeister – Onkologie“ brennt sich schmerzhaft ins Gedächtnis ein, genauso wie diese erste gescheiterte Anamnese.

Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin. Schreibt mir unter medizinstudium(at)aekno.de