Die ärztliche Aufklärungspflicht ist ein zentrales Element des medizinischen Behandlungsrechts und dient dem Schutz des Selbstbestimmungsrechts der Patientinnen und Patienten. Bei unter Betreuung stehenden Patienten stellen sich jedoch spezielle Fragen, insbesondere wie Ärztinnen und Ärzte ihre Aufklärungspflichten erfüllen und welche Rolle die Betreuer dabei spielen.
von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg
Die Aufklärungspflicht von Ärztinnen und Ärzten ergibt sich aus dem Recht der Patienten auf informierte Selbstbestimmung, das durch die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und die allgemeine Handlungsfreiheit geschützt wird (Art. 2 Abs. 1, 2 GG). Der Patient soll in die Lage versetzt werden, eine freie und selbstbestimmte Entscheidung über den vorgeschlagenen medizinischen Eingriff zu treffen. Die Aufklärung muss rechtzeitig, umfassend und verständlich erfolgen, und der Patient muss über die Diagnose, die Behandlungsalternativen, die Risiken und den zu erwartenden Erfolg der Behandlung informiert werden (§ 630e BGB).
Versteht der Patient die Aufklärung?
Auch wenn ein Patient unter Betreuung steht, bleibt er grundsätzlich zunächst einmal geschäftsfähig. Der Arzt muss daher zunächst prüfen, ob der Patient selbst in der Lage ist, die Aufklärung zu verstehen und eine wirksame Einwilligung zu erteilen. Ist der betreute Patient einwilligungsfähig, muss der Arzt ihn persönlich aufklären, da das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht durch die Anordnung einer Betreuung beeinträchtigt wird. Wichtig ist hierbei, dass die Einwilligungsfähigkeit stets individuell geprüft werden muss.
Wann muss der Betreuer einwilligen?
Ist der Patient jedoch nicht einwilligungsfähig, ist der Betreuer für die Einwilligung in medizinische Eingriffe verantwortlich (§ 1901 Abs. 2 BGB). Dabei muss der Betreuer im besten Interesse des Patienten entscheiden und dessen Wünsche, soweit dieser sie äußern kann, berücksichtigen. In einem solchen Fall muss der Arzt den Betreuer umfassend aufklären, bevor der Eingriff durchgeführt werden kann. Der Betreuer muss die medizinischen Informationen, die er vom Arzt erhält, prüfen und abwägen, um im besten Interesse des Patienten entscheiden zu können.
Was tun im Konflikt mit dem Betreuer?
Wenn sich ein Betreuer weigert, ins Pflegeheim zu kommen, um in eine notwendige medizinische Behandlung einzuwilligen, obwohl der Arzt dies für notwendig hält, hat der Arzt mehrere Möglichkeiten: In dringenden Fällen, wenn der Patient akut gefährdet ist und sofortige medizinische Maßnahmen erforderlich sind, darf der Arzt auch ohne die Einwilligung des Betreuers handeln. In solchen Notfällen reicht die mutmaßliche Einwilligung des Patienten aus (§ 630d Abs. 1 BGB). Der Arzt muss jedoch dokumentieren, dass es sich um eine Notsituation handelt und keine Zeit blieb, um auf den Betreuer zu warten.
Sollte die Behandlung nicht dringend sein, kann der Arzt das Betreuungsgericht einschalten (§ 1904 BGB). Das Gericht prüft, ob der Betreuer im besten Interesse des Patienten handelt, und kann einen gerichtlichen Beschluss erlassen, der die Einwilligung ersetzt oder den Betreuer zur Zustimmung verpflichtet. Dies ist häufig der Fall, wenn der Betreuer pflichtwidrig handelt oder nicht erreichbar ist.
Wenn der Betreuer dauerhaft seine Pflichten verletzt oder dem Wohl des Patienten schadet, kann beim Betreuungsgericht ein Wechsel des Betreuers beantragt werden. Ärztinnen und Ärzte können dies anregen, wenn es wiederholt zu Konflikten über notwendige Behandlungen kommt.
Die Aufklärung muss mündlich und in der Regel in einem individuellen Gespräch zwischen Arzt und Betreuer erfolgen (§ 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Wenn der Betreuer sich weigert, persönlich zu erscheinen, aber erreichbar ist, kann der Arzt versuchen, eine telefonische Einwilligung einzuholen. Dies ist rechtlich zulässig, wenn alle wesentlichen Informationen übermittelt und dokumentiert werden. Der Arzt muss sicherstellen, dass der Betreuer die Situation und die Risiken verstanden hat, und dies entsprechend festhalten. Je komplexer der Eingriff und je schwerwiegender die Risiken, desto eher wird eine persönliche Aufklärung geboten sein.
In all diesen Fällen ist es entscheidend, dass Ärztinnen und Ärzte sorgfältig sämtliche Schritte dokumentieren, die unternommen wurden, um die Einwilligung des Betreuers zu erlangen und rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
Fazit
Zusammenfassend ist die Aufklärung eines unter Betreuung stehenden Patienten abhängig von dessen Einwilligungsfähigkeit. Ist der Patient einwilligungsfähig, muss der Arzt ihn selbst aufklären. Ist der Patient einwilligungsunfähig, muss der Betreuer aufgeklärt werden und im besten Interesse des Patienten entscheiden. Eine telefonische Aufklärung kann in Einzelfällen zulässig sein, wenn sichergestellt ist, dass die Kommunikation eindeutig und verständlich erfolgt.
Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.