Das ambulante Gesundheitssystem steht vor einer Reihe großer Herausforderungen. Niedergelassene möchten auch künftig gut versorgen, Patientinnen und Patienten bestmöglich behandelt werden. Doch wie kann das gelingen?
von Jana Meyer
Demografische Alterung, Fachkräftemangel und Nachholbedarf bei der Digitalisierung – der Druck auf den ambulanten Sektor steigt. Es bedarf nachhaltiger Lösungen für diese Aufgaben. Aber wie kann die Versorgung fit für die Zukunft gemacht werden? „Indem wir innovative Ideen ausprobieren und schauen, ob sie erstens praxistauglich sind und zweitens auch in der Fläche funktionieren, also ein neuer Baustein der Regelversorgung werden können“, sagt Dr. Johannes Pollmanns, Senior-Referent im Bereich Gesundheitspolitik und strategische Sicherstellung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO). Dafür setzt die KVNO unter anderem auf sogenannte Versorgungsprojekte – und baut auf die Unterstützung der nordrheinischen Niedergelassenen.
Aktuell beteiligt sich die KV Nordrhein an zwölf Projekten, 17 sind abgeschlossen oder im Abschluss befindlich, weitere Vorhaben befinden sich im Antragsverfahren beim Innovationsfonds, der beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) angesiedelt ist. „Ziel aller Projekte ist, die Versorgungsqualität zu steigern sowie Über-, Unter- und Fehlversorgung zu minimieren“, erklärt Pollmanns. Unter eigener Führung eines Projektkonsortiums hat die KV Nordrhein bereits das erfolgreiche Projekt NPPV (neurologisch-psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung) umgesetzt. Zentrale Bestandteile davon sind im Oktober 2022 in einer Richtlinie (KSVPsych-RL) des G-BA aufgegangen. Mithilfe des Programms sollen schwer psychisch Kranke berufsübergreifend, koordiniert und strukturiert versorgt werden. Nicht selten sind aber auch andere Partner Impulsgeber einer Projektidee, bei welcher die KV Nordrhein um Teilnahme gebeten wird.
Nächstes großes KVNO-Projekt in den Startlöchern
Doch ohne die wichtigsten Partner bei der Umsetzung der Versorgungsprojekte geht es nicht: die Praxen. „Je mehr unserer Mitglieder bereit sind, Neues auszuprobieren, desto besser kann es uns gelingen, gemeinsam gute Wege in Richtung zukunftsfähiger ambulanter Strukturen zu finden“, sagt Pollmanns. Er hat bereits viele Versorgungsprojekte begleitet und weiß: „Ohne Investitionen von allen Seiten geht es nicht. Das heißt aber auch, dass die Aufwände unserer Mitglieder angemessen vergütet werden müssen.“ Bald geht die KVNO erneut mit einem großen Projekt an den Start: Physician Assistants (PAs).
Die medizinische Assistenztätigkeit ist seit Langem vor allem in den USA und weiteren angloamerikanischen Ländern etabliert. PAs sind aufgrund ihrer hochschulischen Ausbildung in der Lage, immer dann zu entlasten, wenn es sich nicht um ärztlich zu erbringende Leistungen handelt. Sie können bei der Behandlung mitwirken, komplexe Dokumentations- sowie Managementprozesse begleiten und diese im Auftrag der ärztlichen Leitung auch mitentwickeln. „Wir glauben, dass PAs eine große Chance zur Entlastung unserer Ärztinnen und Ärzte in den Praxen sein können“, sagt Melina Haack, Referentin im Bereich Gesundheitspolitik und strategische Sicherstellung der KVNO sowie Projektleiterin.
Doch wie gelingt der Einsatz von PAs, um Praxen zu entlasten? Welche Rahmenbedingungen braucht es? Diesen Fragen ging die KVNO am 21. Oktober 2024 in der Veranstaltung „Zukunft gestalten: Physician Assistants in der ambulanten Praxis“ nach (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, Bericht in der Dezember-Ausgabe).
PSY-KOMO erfolgreich abgeschlossen
Ein weiteres Projekt mit KVNO-Beteiligung wurde Ende 2023 erfolgreich abgeschlossen: PSY-KOMO. Ziel: die Behandlungsqualität für Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung zu verbessern, indem der Zugang zur Versorgung ihrer körperlichen Begleiterkrankungen erleichtert wird. Diese Erkrankungen sollen somit früher entdeckt und besser behandelt werden. Neben Frankfurt am Main, Göppingen und Greifswald war Neuss Modellregion im Rheinland.
Neben speziellen Schulungen der beteiligten Psychiaterinnen und Psychiater war ein zentrales Element von PSY-KOMO, dass Gesundheitsbegleitende die Patientinnen und Patienten niederschwellig bei ihren Anliegen rund um ihre körperliche Gesundheit unterstützten. Über 1.800 Betroffene haben am Programm teilgenommen, 129 Psychiaterinnen und Psychiater ließen sich zertifizieren und meldeten ihre Patienten für PSY-KOMO an.
Der KVNO-Bereich Gesundheitspolitik und Sicherstellung entwickelt nicht nur neue Projekte und begleitet bestehende. Das Expertenteam ist auch regelmäßig bei Netzwerktreffen wie dem Deutschen Kongress für Versorgungsforschung präsent, um sich mit den anderen KVen und weiteren Fachleuten auszutauschen. Ständig auf der Suche nach neuen Konzepten. An Ideen für eine zukunftsfähige Patientenversorgung mangelt es nicht. Im Gegenteil. Viele Ansätze machen Hoffnung auf gute neue Wege im ambulanten Gesundheitssystem – im Sinne der Patientinnen und Patienten sowie der Niedergelassenen.
Jana Meyer ist Redakteurin bei der KV Nordrhein.