Die knapp 70.000 Ärztinnen und Ärzte im Rheinland wählen im Frühsommer ihr neues Ärzteparlament und die Vorstände der Kreisstellen. Wer selbst kandidieren will, kann sich einer Liste anschließen oder als Einzelkandidatin oder -kandidat antreten. Noch bis zum 5. April, 18:00 Uhr können Wahlvorschläge bei den Wahlleitern der Wahlkreise eingereicht werden.
von Heike Korzilius und Christa Schalk
„Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung sind gerade im ärztlichen Bereich eine wertvolle gesellschaftliche Ressource, die wir brauchen, wenn wir ein leistungsfähiges Gesundheitswesen und damit eine humane Gesellschaft organisieren wollen.“ Das sagte Bundesverfassungsrichter a.D. Peter Müller beim 127. Deutschen Ärztetag im vergangenen Jahr in Essen und erntete dafür großen Beifall der ärztlichen Abgeordneten. Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung bedeuten nach Auffassung des Juristen nicht nur, dass Ärztinnen und Ärzte in ihren Entscheidungen über Diagnostik und Therapie unabhängig sind, sondern auch, dass sie die Rahmenbedingungen ihres Berufs in großen Teilen im Auftrag des Gesetzgebers selbst gestalten und bei gesundheitspolitischen Reformen ihre Positionen einbringen können.
Die (Landes-)Ärztekammern und die Bundesärztekammer sorgen dafür, dass die Stimme der Ärztinnen und Ärzte in der Politik auf Landes- und Bundesebene gehört wird. In der Ärztekammer Nordrhein bestimmen die 121 gewählten Mitglieder der Kammerversammlung jeweils für fünf Jahre den berufs- und gesundheitspolitischen Kurs. Sie wählen aus ihrer Mitte den Vorstand, der sich aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten sowie 16 Beisitzern zusammensetzt. In diesem Jahr wird zwischen dem 24. Mai und dem 28. Juni 2024 das „Ärzteparlament“ per Brief neu gewählt.
Wie bei jeder Wahl zählt jede Stimme. Einfacher als bei vielen anderen Wahlen ist es aber für Mitglieder der Ärztekammer Nordrhein, selbst zu kandidieren und damit die Richtung in der ärztlichen Selbstverwaltung für die nächsten fünf Jahre mitzubestimmen (siehe Kasten). Denn es geht unter anderem um zentrale Weichenstellungen für die ärztliche Berufsausübung. So steht beispielsweise auf Bundesebene in den nächsten Jahren eine grundlegende Reform der fachärztlichen Weiterbildung an, die nicht nur eine zentrale Bedeutung für die Versorgungsqualität der Patientinnen und Patienten hat, sondern auch für die Karriereentscheidungen und Arbeitsbedingungen des ärztlichen Nachwuchses. Als gewählte Abgeordnete zum Deutschen Ärztetag können nordrheinische Ärztinnen und Ärzte hier ihre Positionen einbringen. Die 121 Mitglieder der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein sind dann wiederum dafür verantwortlich, diese Beschlüsse umzusetzen und gegebenenfalls an regionale Erfordernisse anzupassen. Nach dem Heilberufsgesetz NRW sind sie zudem dafür verantwortlich, die Fortbildung der Kammermitglieder auch durch eigene Veranstaltungen zu fördern, damit diese über ihr gesamtes Berufsleben hinweg auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft praktizieren können.
Ansprechpartner für die Politik
Ebenfalls im Auftrag des Gesetzgebers gestaltet die Kammerversammlung die Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte im Rheinland und wacht über die Einhaltung der Regeln: Welche Formen der ärztlichen Kooperation sind erlaubt? Wie dürfen Ärzte für ihr medizinisches Angebot werben? Welche Kooperationen mit Dritten dürfen sie eingehen, ohne ihre ärztliche Unabhängigkeit zu gefährden? Auf diese und viele weitere Fragen hat die Ärzteschaft selbst Antworten in der Berufsordnung formuliert.
Auch wenn es um gesundheitspolitische Weichenstellungen oder medizin-ethische Themen geht, ist die Ärzteschaft in Form ihrer gewählten Vertreter wichtige Ansprechpartnerin. So kann sie zum Beispiel im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren bei Anhörungen im Landtag oder in schriftlichen Stellungnahmen ihre Expertise beisteuern. In seine grundlegende Reform der Krankenhausplanung hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann die beiden Ärztekammern des Landes zusammen mit der Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen von Anfang an einbezogen. Die Ärztekammern haben dafür gesorgt, dass die Anforderungen an die ärztliche Weiterbildung im Reformprozess angemessen berücksichtigt werden.
Kreisstellen stehen für Basisnähe
Darüber hinaus hat sich die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Forderungen öffentlichkeitswirksam an die Politik gewendet: So haben sich die ärztlichen Vertreterinnen und Vertreter dafür stark gemacht, dass im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung im Gesundheitswesen die Patientenrechte gewahrt bleiben. Sie haben angesichts des Klimawandels für einen besseren Hitzeschutz in Krankenhäusern und Altenheimen geworben, vor einer fortschreitenden Kommerzialisierung der Gesundheitsversorgung gewarnt, weil immer mehr Privatinvestoren Medizinische Versorgungszentren aufkaufen, und sich für eine verbesserte und auskömmlich finanzierte Suizidprävention ausgesprochen. Kammerversammlung, Vorstand und Präsidium werden zudem nicht müde, gegenüber der Politik Dauerbaustellen im Gesundheitswesen anzusprechen: überbordende Bürokratie, eine seit Jahren stockende GOÄ-Reform oder auch den zunehmenden Fachkräftemangel.
Neu gewählt werden in diesem Frühsommer auch die Vorstände der 27 Kreisstellen der Ärztekammer Nordrhein. Sie sind das Bindeglied zwischen den Ärztinnen und Ärzten vor Ort und der Hauptstelle der Kammer in Düsseldorf. Die Vorstände stehen für Basisnähe. Sie sind die direkten Ansprechpartner vor Ort für Mitglieder und Patienten. Sie organisieren unter anderem zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein den Notfalldienst in den sprechstundenfreien Zeiten, betreuen die angehenden Medizinischen Fachangestellten und deren Ausbilder und kooperieren mit den örtlichen Gesundheitsämtern und Selbsthilfegruppen. Außerdem organisieren sie Fortbildungsveranstaltungen, die medizinische und medizin-ethische Inhalte ebenso thematisieren wie die Selbstfürsorge.
Dipl.-Biol. Christa Schalk, MPH ist stellvertretende Geschäftsführerin der Ärztekammer Nordrhein.
Selbst kandidieren
Alle Mitglieder der Ärztekammer Nordrhein können zu den Kammerwahlen antreten. Voraussetzung ist, dass sie bei der Wahl zur Kammerversammlung spätestens seit dem 15. März 2024 und bei der Wahl zu den Kreisstellenvorständen seit dem 28. März 2024 Mitglieder der Kammer sind. Ärztinnen und Ärzte können nur in dem Wahlkreis antreten, in dem sie arbeiten oder, falls sie nicht ärztlich tätig sind, an ihrem Wohnort. Bei der Wahl zur Kammerversammlung ist der Wahlkreis entweder der Regierungsbezirk Köln oder Düsseldorf, bei der Wahl zum Kreisstellenvorstand sind es die kreisfreien Städte oder der Landkreis. Die Kandidatur muss schriftlich mit den Originalunterlagen beim Wahlleiter eingereicht werden. Bei der Wahl zur Kammerversammlung muss sie von mindestens 40 und bei den Kreisstellenvorständen je nach deren Größe von 14, 18 oder 22 wahlberechtigten Mitgliedern unterstützt werden (https://www.aekno.de/aerztekammer/wahlen2024). Das Heilberufsgesetz NRW sieht vor, dass die Kammerversammlung, deren Ausschüsse sowie die Kreisstellenvorstände möglichst paritätisch besetzt sind. Gemessen an ihrem Anteil an der nordrheinischen Ärzteschaft müssten sämtliche Gremien und Organe der Ärztekammer etwa zur Hälfte mit Ärztinnen besetzt sein.
Fragen rund um die Wahl beantwortet das Wahl-Team der Kammer: E-Mail: kammerwahlen(at)aekno.de, Telefon: 0211 4302-2110 oder -2140.