Reformvorhaben auf Bundesebene, eine neue Planungssystematik in NRW und eine zunehmende Ambulantisierung – der stationäre Sektor ist im Wandel. Das wirkt sich auch auf das Belegarztwesen aus, bei dem sich schon seit Längerem ein Trend abzeichnet: In den letzten Jahren hat sich die Zahl der belegärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzte fast halbiert, viele schieden nicht freiwillig aus. Das ergab eine Umfrage der KV Nordrhein.
von Hildegard Arntz
Die Entwicklungen im stationären Bereich führen bei immer mehr belegärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzten zu Bedenken. Um die aktuellen Veränderungen aus der Perspektive der Betroffenen abbilden zu können, hat die KV Nordrhein eine Umfrage unter den Belegärztinnen und -ärzten sowie den Belegkliniken durchgeführt. Die Teilnahmequote verdeutlicht die Relevanz des Themas: Mehr als 75 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte sowie 90 Prozent der Belegkrankenhäuser nahmen an der Umfrage teil.
Ein Punkt, in dem sich belegärztlich Tätige, Kliniken und KVen einig sind: Das Belegarztwesen ist ein Paradebeispiel für intersektorale sowie fachübergreifende Zusammenarbeit – und für die Sicherstellung der regionalen Versorgung von großer Bedeutung. Dennoch wurde dieser Bereich in jüngster Vergangenheit schon deutlich beschnitten. Die Umfrage-Ergebnisse zeigen, dass etwa 50 Prozent der bisherigen Belegärztinnen und -ärzte dieser Tätigkeit mittlerweile nicht mehr nachgehen, obwohl sie es gerne würden. Denn es waren größtenteils die Krankenhäuser, die innerhalb der vergangenen zwei bis drei Jahre die Belegarztverträge kündigten.
Die Gründe dafür sind seitens der Kliniken unterschiedlich. Einige schließen ihre Belegabteilungen vollständig, wovon gewisse Fachrichtungen stärker betroffen sind als andere, wie beispielsweise die Abteilungen der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (siehe Abbildung 1). In den Krankenhäusern, in denen über die Zukunft der Belegabteilungen noch nicht final beschlossen wurde, wird häufig auf die Entscheidung der Planungsbehörden im Rahmen der neuen nordrhein-westfälischen Krankenhausplanung gewartet.
Belegärztliche OPs nahezu alternativlos
Ist es eine Alternative, die Leistungen statt belegärztlich ambulant zu erbringen? Das gestaltet sich äußerst schwierig, denn belegärztliche Operationen können nicht einfach durch ambulante OPs ersetzt werden. Insbesondere bei Kindern, hochbetagten, multimorbiden und in ihrer Mobilität eingeschränkten Patientinnen und Patienten ist es notwendig, dass nach dem Eingriff eine stationäre Betreuung erfolgt. Diese Zielgruppen sind bei Wegfall einer Belegabteilung darauf angewiesen, in Hauptabteilungen der Krankenhäuser stationär aufgenommen zu werden. Das ist unter Umständen mit langen Fahrtzeiten verbunden und die Behandlung erfolgt durch „fremde“ Ärztinnen und Ärzte der Kliniken. Niedergelassene Fachärztinnen und -ärzte hingegen können die Operation in einem Belegkrankenhaus zeit- und wohnortnah durchführen.
Für Patientinnen und Patienten, bei denen eine ambulante Operation möglich ist, werden die Kapazitäten aufgrund der aktuellen Entwicklungen jedoch ebenfalls eingeschränkt. Bei Betrachtung der Orte, an denen ambulante Operationen durchgeführt werden, fällt auf, dass nahezu die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte einen Krankenhaus-OP zur Durchführung ambulanter Eingriffe nutzen (siehe Abbildung 2). Ambulante Operationszentren (AOP-Zentren) stehen oftmals nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung, vor allem in ländlichen Regionen. Um solch eine Behandlung in der eigenen Praxis durchführen zu können, sind die Anforderungen an die Räumlichkeiten hingegen oftmals so hoch, dass diese nicht erfüllbar respektive unter Umständen nicht wirtschaftlich zu realisieren sind.
Die belegärztlich Tätigen, die bisher Krankenhaus-OPs zum ambulanten Operieren nutzten, berichten aber gleichzeitig davon, dass durch die Beendigung des Belegarztverhältnisses auch der Zugang zu den Krankenhaus-OP-Sälen nicht mehr vorhanden ist. Kliniken vergeben die Zeiten bevorzugt für lukrative Eingriffe oder nutzen die Kapazitäten im Rahmen ihrer Ermächtigung selbst. Hinzu kommt der Wegfall von Krankenhausstandorten, die – wie durch die Krankenhausreform zu erwarten ist – in naher Zukunft zunehmen werden. Damit drohen auch diese Kapazitäten zu entfallen.
KVNO-VV: Belegarztwesen erhalten
Einer der wesentlichen Punkte, die sich aus der KVNO-Umfrage ableiten lassen: Es ist entscheidend, dass die Leistungserbringung der niedergelassenen Fachärztinnen und -ärzte bei der Krankenhausreform mitgedacht wird. Die Reform des stationären Sektors kann nicht zielführend sein, wenn die ambulante Versorgung nicht gleichermaßen in die Planungen einbezogen wird. Rückendeckung kommt dabei auch aus der Vertreterversammlung der KV Nordrhein: Die Delegierten sprachen sich jüngst ausdrücklich dafür aus, die belegärztliche Leistungserbringung zu erhalten.
Die konkrete Zukunft des Belegwesens hängt indes von vielerlei Faktoren ab. Daher gilt es nun, die Interessen der Belegärztinnen und -ärzte mit Nachdruck zu vertreten und für eine angemessene Vergütung der ambulanten Operationen einzustehen. „Wir stehen in engem Kontakt mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Wir begleiten die Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen kritisch. Der nächste Schritt: ein Austausch mit dem Bundesverband der Belegärztinnen, -ärzte und Belegkrankenhäuser,“ sagt Jonas Bördner, Leiter des Bereichs Gesundheitspolitik und Strategische Sicherstellung bei der KV Nordrhein, dessen Mitarbeitende die Umfrage durchgeführt und das Thema inhaltlich verantwortet haben. Die erhobenen Daten dienen dabei als wichtige Grundlage für die konstruktiven Auseinandersetzungen mit allen Beteiligten.
Hildegard Arntz ist Projektmanagerin für ambulante Versorgungsprojekte bei der KV Nordrhein.
Krankenhausplanung NRW
Die Krankenhausplanung in NRW wird sich künftig nicht mehr allein an der Bettenzahl orientieren. Zur Ermittlung des stationären Bedarfs wird die jährliche Fallzahl je medizinscher Leistung herangezogen. Zudem erfolgt die Krankenhausplanung über differenzierte Leistungsbereiche und Leistungsgruppen. Das soll eine sachgerechte und transparente Strukturierung der Versorgung ermöglichen. Die flächendeckende Versorgung steht im Vordergrund und soll durch Digitalisierung und die Vernetzung von Krankenhäusern erreicht werden. Insbesondere im ländlichen Raum soll dadurch die Versorgungsqualität verbessert werden.