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Gewappnet für Hitzewellen

08.05.2024 Seite 34
RAE Ausgabe 6/2024

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 6/2024

Seite 34

Künftig werden Hitzewellen häufiger auftreten und länger andauern, warnen Experten. Ausreichend vorbereitet auf anhaltende Hitzeperioden sei Deutschland nicht. Der Hitzeaktionstag am 5. Juni soll unter anderem die Hitzeresilienz des Gesundheitswesens stärken. © Xurzo/istockphoto.com
„Hitzegefahren ernstnehmen – Hitzeschutz konsequent umsetzen“ lautet die Botschaft, die am 5. Juni vom zweiten Hitzeaktionstag ausgehen soll. Die Initiatoren, darunter die Bundesärztekammer, wollen an diesem Tag für die gesundheitlichen Gefahren durch Hitze sensibilisieren. Die Ärztekammer Nordrhein beteiligt sich mit Fortbildungsveranstaltungen zu den Themen Klimawandel und Hitzeschutz. 

von Marc Strohm

Hitze gehört zu den größten durch den Klimawandel bedingten Risiken für die menschliche Gesundheit. Das erklärte die Europäische Umweltagentur (EUA) in ihrer jüngst veröffentlichten Europäischen Klimarisikobewertung. Doch gewappnet sei Europa gegen Hitzewellen kaum, kritisierten die EUA-Experten. Allein in Deutschland starben im vergangenen Jahr nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit rund 3.200 Menschen an den Folgen von Hitze – bei rund einer Million Sterbefälle insgesamt. Ältere Menschen, Vorerkrankte sowie Säuglinge und Kleinkinder seien bei hohen Temperaturen besonders gefährdet. 

Um für die gesundheitlichen Risiken durch Hitze zu sensibilisieren, findet am 5. Juni unter dem Motto „Hitzegefahren ernstnehmen – Hitzeschutz konsequent umsetzen“ der zweite bundesweite Hitzeaktionstag statt. Denn derzeit seien entsprechende Maßnahmen zum Schutz vulnerabler Gruppen noch unzureichend, erläutern die Initiatoren des Hitzeaktionstages auf ihrer Homepage www.hitzeaktionstag.de. Im Vordergrund des Hitzeaktionstages stehe in diesem Jahr aber auch die Vernetzung der am Hitzeschutz beteiligten Akteure, denn Hitzeschutz sei Gemeinschaftsaufgabe. Entsprechend breit ist das Bündnis der Initiatoren und Partner: Neben der Ärzteschaft, darunter die Bundesärztekammer (BÄK) und der Hausärztinnen- und Hausärzteverband sowie die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), beteiligen sich unter anderem der Deutsche Pflegerat und der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt sowie der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Mehr als zwanzig weitere Institutionen und Verbände haben sich ebenfalls angeschlossen.

Von der Politik fordern die Bündnispartner einen gesetzlichen Rahmen für gesundheitlichen Hitzeschutz und die Einrichtung eines Kompetenzzentrums auf Bundesebene. Außerdem müssten Hitzeschutzpläne für sämtliche Gesundheits-, Pflege- und Sozialeinrichtungen aufgelegt werden. Auf Bundesebene haben die Initiatoren für den Hitzeaktionstag eine zentrale Fachveranstaltung angekündigt, auf der Best Practice Beispiele vorgestellt werden. Flankiert wird diese Veranstaltung von zahlreichen Symposien und Fortbildungen auf Landes- und kommunaler Ebene, die sich an interessierte Akteure im Gesundheitswesen richten. Eine Übersicht über alle Veranstaltungen und Fortbildungen, die rund um den Hitzeaktionstag stattfinden, findet sich unter www.hitzeaktionstag.de/veranstaltungen. 

Hitzeschutz als ärztliche Aufgabe 

Bereits im Jahr 2023 hatte die Bundesärztekammer in einem Positionspapier erklärt, dass Ärztinnen und Ärzten in der Prävention und Behandlung von hitzebedingten Gesundheitsschäden eine zentrale Rolle zukomme. „Damit wir als Ärzteschaft im Falle einer Hitzewelle gewappnet sind, bilden wir uns zu hitzeassoziierten Erkrankungen, entsprechenden Behandlungen und Präventionsmöglichkeiten fort, um unsere Patientinnen und Patienten optimal zu schützen und zu informieren“, betont Dr. Oliver Funken, Vorsitzender des Ausschusses Prävention und Gesundheitsförderung der Ärztekammer Nordrhein mit Blick auf den Hitzeaktionstag. Die Ärztekammer Nordrhein selbst beteiligt sich mit Fortbildungen zum Thema Klimawandel und Gesundheit am Hitzeaktionstag. So richtet sich das von der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) getragene Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein (IQN) am 26. Juni mit einer Online-Fortbildung zum Thema „Klimawandel und Gesundheit“ an interessierte Ärztinnen und Ärzte. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Arzneimitteltherapie in Zeiten des Klimawandels. Dazu erklärt die Referentin, Professorin Dr. Beate Müller, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Köln: „Bei Hitze können bestimmte Medikamente für Patientinnen und Patienten zum Risiko werden. Bei Diuretika drohen durch Hitze beispielsweise Dehydration und schlimmstenfalls Nierenversagen. Opiatpflaster kleben schlecht auf schwitziger Haut und fluten schneller an, wenn die Haut warm ist.“ Mit fortscheitendem Klimawandel kann auch eine Anpassung des Impfkalenders erforderlich werden. FSME entwickele sich beispielsweise in immer mehr Regionen in Deutschland von einer Reise- zu einer Standardimpfung, erklärt Müller.

Ein weiterer Vortrag bei der IQN-Fortbildung beschäftigt sich mit Maßnahmen der Städte und Kommunen, um die gesundheitlichen Folgen von Hitzewellen abzufedern. Das Düsseldorfer Gesundheitsamt ist mit seinem Verbundprojekt Plan °C vertreten, in dessen Rahmen regionale Hitzeaktionspläne für die Städte Düsseldorf und Karlsruhe erarbeitet werden. Diese beinhalten unter anderem die Bereitstellung kühler Räumlichkeiten, den Einsatz- und Aufbau von Warnsystemen sowie Trinkwasserangebote für die Bevölkerung. Daneben stehen Vorträge zum Einfluss des Klimawandels auf die tägliche Arbeit in der Praxis sowie zur psychischen Gesundheit in Zeiten sozial-ökologischer Krisen auf der Agenda (Information und Anmeldung unter www.aekno.de/klimawandel-und-gesundheit).

Mit Fortbildungen das Wissen stärken 

Insbesondere junge Menschen fürchten sich offenbar zunehmend vor den Folgen des Klimawandels. Eine internationale Studie der britischen University of Bath, die 2021 im Fachblatt Lancet Planetary Health veröffentlicht wurde, zeigt, dass knapp 60 Prozent der 10.000 befragten 16- bis 25-Jährigen aus zehn Ländern aufgrund der Folgen des Klimawandels besorgt oder sehr besorgt sind. Rund 45 Prozent der Befragten gaben an, dass die Sorgen vor dem Klimawandel ihren Alltag dominierten. Manche entwickelten dabei eine regelrechte „Klimaangst“. Doch schon Kinder im Grundschulalter beschäftigt der Klimawandel. Wie Lehrkräfte das Thema Klimaangst im Unterricht aufgreifen können, thematisiert die Fortbildung „Psychologischer Umgang mit der Klimakrise im Unterricht – wie begegnet man dem Thema ‚Klimaangst‘ bei Schülerinnen und Schülern?“ am 3. Juni. Veranstalter ist Gesund macht Schule, ein gemeinsames Programm zur Prävention und Gesundheitsförderung in der Grundschule der Ärztekammer Nordrhein und der AOK Rheinland/Hamburg. Schwerpunkt des Online-Workshops ist nach deren Angaben die schulische Resilienzförderung mit Blick auf die „Klimaangst“. Man wolle zeigen, wie aus psychologischer Sicht ein gesunder und konstruktiver Umgang mit der Klimakrise im Unterricht aussehen kann. Referentin ist Lea Dohm, Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin, die bei KLUG das Themenfeld mentale Gesundheit betreut (Informationen und Anmeldung unter www.gesundmachtschule.de/lehrkraefte/fortbildungen/klimaangst).

Auch die Ärztliche Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein hat sich das Thema „Klimawandel“ auf die Fahne geschrieben: Vom 5. Februar bis zum 31. März dieses Jahres bot die gemeinsame Einrichtung von Ärztekammer und KV Nordrhein in Kooperation mit der Universität Heidelberg den Online-Kurs „Klimawandel und Gesundheit – Was ändert sich für die Patientenversorgung?“ an. In neun Unterrichtseinheiten, bestehend aus kurzen Lehrvideos und klinischen Fallbeispielen, erfuhren Ärztinnen und Ärzte, wie sie ihre Patientinnen und Patienten auf die nächste Hitzewelle vorbereiten können und welche Infektionserreger durch den Klimawandel vermehrt berücksichtigt werden sollten. Eine Neuauflage dieser Seminarreihe sei bereits geplant, betont die Akademie auf Anfrage des Rheinischen Ärzteblattes. (Informationen unter www.akademie-nordrhein.de/klimawandel).  

Eine zentrale Rolle wird das Thema Klimawandel auch beim diesjährigen Fortbildungskongress „ä24“ der ärztlichen Akademie spielen, der vom 7. bis zum 12. Oktober in Bonn stattfindet, betont Professor Dr. Gisbert Knichwitz, MBA, Vorsitzender des Fortbildungsausschusses der Nordrheinischen Akademie. Die Folgen des Klimawandels stellten für das Gesundheitssystem eine große Herausforderung dar. In den kommenden Jahren sei verstärkt mit dem Auftreten tropischer Infektionserkrankungen und einer steigenden Zahl von Hitzetoten zu rechnen, warnt auch Knichwitz. Neben den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels erfahren Ärztinnen und Ärzte beim ä24 aber auch, wie Praxen und Krankenhäuser ihren CO2-Fußabdruck verkleinern können, um einen eigenen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten. Dabei liege der Fokus auf der CO2-Bilanz von Lieferketten für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie der Verwendung von Einmalprodukten. (siehe auch „Vom Wissen zum Handeln“ Seite 16 f.). 
Langfristig müsse insbesondere der Städtebau klimagerecht weiterentwickelt werden, um die Bevölkerung aktiv vor Hitze zu schützen, betont Knichwitz. David Baier, Landschaftsarchitekt und Experte für klimagerechte Stadtentwicklung, wird in seinem Vortrag auf dem „ä24“ unter anderem auf die Bedeutung der Begrünung von Innenstädten, Verkehrsoptimierung und Gebäudeplanung für den Hitzeschutz eingehen, um Hitzestaus möglichst zu vermindern (Informationen und Anmeldung unter www.kongress-ae24.de).
 

Informationen rund um das Thema Hitzeschutz

  • Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) richtet sich auf der Internetseite www.klima-mensch-gesundheit.de/hitzeschutz mit einem umfangreichen Informationsangebot sowie konkreten Tipps zum Hitzeschutz unter anderem an Menschen ab 65 Jahren, Eltern von Babys und Kleinkindern sowie an Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen.  
  • Unter Federführung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales und des Landeszentrums Gesundheit NRW beteiligte sich die Ärztekammer Nordrhein an der Erstellung von einrichtungsbezogenen Hitzeschutzplänen, beispielsweise für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen: https://www.lzg.nrw.de/ges_foerd/klima_gesundheit/hsp/arbeitshilfen_krankenhaeuser/index.html
  • Im Jahr 2023 hat die Bundesärztekammer ein Positionspapier erarbeitet, das die Aufgaben der Ärzteschaft beim gesundheitsbezogenen Hitzeschutz herausstellt. So komme Ärztinnen und Ärzten bei der Prävention und Behandlung von hitzebedingten Gesundheitsschäden eine zentrale Rolle zu, heißt es darin unter anderem. Das Positionspapier unter: www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/klimawandel-und-gesundheit/hitzewellen
  • Der Elternbrief „Sonnenschutz“ des Programms „Gesund macht Schule“ gibt Hinweise zur Anwendung von Sonnenschutz für Kinder im Grundschulalter. Der Elternbrief erscheint in Kürze auch in Leichter Sprache. Der Elternbrief unter www.gesundmachtschule.de/sonnenschutz 
  • Einige Städte und Kommunen haben bereits regionale Hitzeaktionspläne aufgelegt. Unter anderem informieren die nordrheinischen Städte Düsseldorf und Köln auf entsprechenden Seiten über lokale Hitzeschutzmöglichkeiten. Eine Übersicht der Hitzeaktionspläne der Städte unter www.staedtetag.de/themen/klimaschutz-und-energie/hitzeschutz-hitzevorsorge-staedte